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Artikel „Ruprecht von Freising“ von Johann August Ritter von Eisenhart in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 29 (1889), S. 746–747, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ruprecht_von_Freising&oldid=- (Version vom 5. Oktober 2024, 01:23 Uhr UTC)
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Ruprecht (auch Rupert) von Freising, geboren dortselbst im letzten Drittheile des 13. Jahrhunderts, Fürsprecher und juristischer Schriftsteller. – Nach Anfang des 14. Jahrhunderts nehmen in unserer „lehrhaften Prosa“ die zuerst im Norden, dann auch in Süddeutschland auf Grundlage des Sachsen- oder Schwabenspiegels entstandenen „Rechtsbücher und Richtsteige“ eine hervorragende Stellung ein. Theils erläuternd in Form von Glossen, theils compilirend – oft auch selbständig schöpferisch bezwecken diese Arbeiten je nach Bedarf bald eine Erweiterung, bald eine Kürzung des gegebenen Rechtsstoffes, gewinnen trotz ihres privaten Charakters rasch praktische Gültigkeit und entfalten das erfreuliche Bild einer sichtlich gedeihenden nationalen Rechtslitteratur um die Mitte des 14. Jahrhunderts. Zu gedachten Werken zählt auch die von Ruprecht 1328 vollendete Gesetzessammlung – als Rechtsbuch Ruprechts von Freising bekannt –, und ist dieselbe für die ältere Rechtsgeschichte Baierns wie auch für die Geschichte des Schwabenspiegels von höchster Bedeutung. Der Arbeit sind die Schlußreime angereiht:

is ist geschriben aus eines layen munde.
Ruprecht der vorsprech ist er genannt.
vnd ist darzue vil weiten erkant.
er ist ein vorsprech gewesen, daz ist war,
mer dann sechs und dreißig jar.
paidev (d. h. paidiu: beides) auf land vnd auch in steten
da man in durch lantrecht hin hat gepeten,
– – – – – etc.

Wir erfahren daraus, daß R. etwa zu Anfang des 7. Jahrzehnts des 13. Jahrhunderts zu Freising geboren, seit ungefähr 1292 das Amt eines angesehenen und vielbegehrten „Fürsprechers“ (Rechtsanwaltes) beim Freisinger Stadtgerichte und den umliegenden stiftischen Landgerichten bekleidete, das Rechtsbuch aber im J. 1328 (nicht 1332) vollendete. Obwol nun R. nach diesen Andeutungen ein ebenso bekannter als hochgeschätzter Mann gewesen sein muß, ist uns trotzdem von ihm und seinen Lebensverhältnissen nichts weiteres bekannt; Rockinger (s. u.) hat ungeachtet umfassender Nachforschungen nur eine Urkunde des Gerichtes Kranzberg vom Vorabende von Mariä Himmelfahrt 1329 aufgefunden, in der unser Jurist unter den Schiedsleuten eines Rechtshandels aufgeführt wird. – Der um die heimische Sittengeschichte vielverdiente Lor. Westenrieder hat das Verdienst, fragliches Rechtsbuch zuerst nach einer im Münchener Stadtarchive befindlichen Handschrift (ohne Jahrzahl) im siebenten Bande seiner „Beiträge zur vaterländischen Geschichte etc.“ sammt Erläuterungen veröffentlicht zu haben (wovon 1802 bei Jos. Lindauer ein Separatabdruck erschien). – Zugleich suchte Westenrieder in einer akademischen Festrede vom 9. October 1802 (S. 3–44) in weiteren Kreisen die Aufmerksamkeit auf diesen Gegenstand zu lenken. Was nun den Inhalt des nur in Capitel getheilten Rechtsbuches anlangt, so machen strafrechtliche Bestimmungen in casuistischer Behandlung den Anfang; an diese reihen sich civil- und einige lehenrechtliche Normen, indeß Vorschriften über das gerichtliche Verfahren den Schluß bilden. Von hohem Interesse sind die Quellen, aus denen R. bei Abfassung seines Rechtsbuches [747] schöpfte: denn ist auch dessen Verwandtschaft mit dem Schwabenspiegel augenfällig, so hat doch der Verfasser, indem er den hergebrachten Rechtszuständen der Stadt Freising Rechnung trug, als ursprüngliche Grundlage auch alte Privilegien, örtliche Gewohnheiten, frühere landesherrliche Mandate und (mittelbar) selbst die altbairischen Volksrechte benützt. – Außer erwähntem Stadtrechtsbuche wurde unserm Fürsprecher in späteren Handschriften von 1436 (in den Endreimen) und 1473 (am Eingange und Ende) auch die Urheberschaft eines zweiten Rechtsbuches – eines Landrechtes für die freisingisch-stiftischen Lande – zugeschrieben. Staatsrath v. Maurer hat zunächst nach einer in der Münchener Hof- und Centralbibliothek verwahrten Handschrift von 1473 dieses Rechtsbuch veröffentlicht („Das Stadt- und das Landrechtsbuch Ruprechts von Freising. Nach 5 Münchener Handschriften etc. Stuttgart und Tübingen. Cotta 1839“. Vorwort und Text 367 Octavseiten). Der Herausgeber hat sich im Vorworte, das er am 6. April 1839 in der Sitzung der historischen Classe der Akademie las, in § 35 bis 40 für R. als den muthmaßlichen Verfasser auch dieses zweiten Rechtsbuches ausgesprochen und ist diese Ansicht die herrschende geblieben, obwohl schon Prof. Dr. Reyscher bei Besprechung der Maurer’schen Veröffentlichung (Zeitschrift für deutsches Recht, Bd. II, S. 204) gegen jene Annahme entschiedenes Bedenken erhob. In neuerer Zeit (1871) hat der bereits erwähnte Archivdirector Dr. v. Rockinger, auf wesentlich vermehrtes Vergleichungsmaterial gestützt, unumstößlich dargethan, daß R. mit jenem zweiten Rechtsbuche (dem sogen. Landrechtsbuche) durchaus nichts gemein habe, und daß dasselbe – in eine spätere Periode fallend –, lediglich zu den vielfachen Bearbeitungen des schwäbischen Landrechtes in gekürzter Form zähle.

Westenrieder, Maurer, Reyscher a. a. O. – v. Rockinger, Sitzungsbericht der philos.-hist. Classe der Münchener Akademie 1871, H. IV, S. 463 bis 501. – Stintzing, Gesch. d. d. Rechtswissensch. I, 10.