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Artikel „Rudolf von Fulda“ von Wilhelm Wattenbach in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 29 (1889), S. 569–570, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Rudolf_von_Fulda&oldid=- (Version vom 19. April 2024, 12:50 Uhr UTC)
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Rudolf von Fulda, † am 8. März 865, war einer der bedeutendsten Gelehrten seiner Zeit, ein Schüler des gefeierten Raban und auch selbst als Lehrer thätig: Ermenrich von Ellwangen nennt sich seinen Schüler. Das erste Werk, welches wir von ihm kennen, ist das Leben der hl. Lioba, der von Bonifacius nach Bischofsheim berufenen Aebtissin (s. A. D. B. XV, 118), im J. 836 nach ungeordneten Aufzeichnungen und mündlicher Ueberlieferung verfaßt. Raban, der bald darauf ihre Gebeine nach dem Petersberg bei Fulda übertrug, brachte in diesen Jahren eine große Menge von Reliquien zusammen, auf welche er, wie alle seine Zeitgenossen, den größten Werth legte, und auch darüber verfaßte R. auf seinen Wunsch eine eigene Schrift, worin die Erwerbung und feierliche Uebertragung dieser Reliquien, vorzüglich aber die dabei vorgekommenen Wunder, deren Wirklichkeit niemand bezweifelte, geschildert werden. Zuletzt wird von Raban selbst, seinen Verdiensten und seinen Schriften berichtet (weshalb die Schrift früher das Leben Raban’s genannt wurde), doch noch nicht von seiner 847 erfolgten Erhebung zum Erzbischof von Mainz, obgleich die Imperfecta anzudeuten scheinen, daß er seine stille Zurückgezogenheit auf dem Petersberge schon verlassen hatte. Auch ist die Schrift am Ende nicht ganz vollständig. So lange war auch R. im Kloster Fulda thätig; weiterhin aber kommt sein Name in den Urkunden nicht mehr vor, wie es bis 841 häufig der Fall ist, und es ist kaum zu bezweifeln, daß der neue Erzbischof ihn mit sich nach Mainz nahm. Denn nur hier kann er, wie Rethfeld nachgewiesen hat, sein Hauptwerk, die Reichsannalen, geschrieben haben, welches die bis 838 in Fulda geschriebenen, bis dahin unbedeutenden Annalen, in ganz anderer Weise fortsetzt. Hier bemerkt man sogleich, wie in den älteren karolingischen Reichsannalen, lebhafte Beziehungen zum Königshofe; er stellt alles was der König thut in möglichst [570] günstigem Lichte dar, selbst auf Kosten der Wahrheit, verfolgt aber auch seine nach allen Seiten gerichteten Unternehmungen gleichmäßig, nicht wie man dergleichen zufällig und ungleichmäßig in einem Kloster erfuhr. Die Urkunde, in welcher Ludwig der Deutsche ihn seinen Beichtvater nennt, ist freilich unecht; mit ihr fällt aber auch der Grund weg, R. noch 849 für den Vorsteher der Klosterschule zu halten. Zuletzt, etwa 860, scheint er sich bei zunehmendem Alter in sein Kloster zurückgezogen zu haben, und der Rest seiner Annalen bis 863 läßt diese veränderte Lage empfinden; es hat dann ein Anderer, nach Rethfeld’s nicht unwahrscheinlicher Vermuthung Meginhard, die Jahrbücher in Mainz fortgeführt.

In seinen letzten Lebensjahren wurde R. von Waltbraht, Widukind’s Enkel, welcher 851 den Leib des hl. Alexander von Rom nach Wildeshausen gebracht hatte, gebeten, auch diese Begebenheit in ähnlicher Weise zu beschreiben, wie er früher Raban’s Uebertragungen beschrieben hatte. R. willigte ein, und bewies durch die Art, wie er die Aufgabe angriff, seinen nun weiter ausgebildeten historischen Sinn. Er ging zurück in die alte Heidenzeit, um zu zeigen, von welchen Irrthümern die Sachsen durch die Bekehrung zum Christenthum befreit seien. Nach einem Abriß der alten Stammsage schildert er Glauben und Sitten der Sachsen nach der Germania des Tacitus. Das ist ein günstiges Zeugniß für seine gelehrte Bildung, zugleich aber charakteristisch für die ganze Art des Mittelalters, daß er auch nicht einen einzigen Zug aus eigener Kenntniß hinzusetzte. Nachdem er dann noch über die Besiegung der Sachsen durch Karl den Großen berichtete hatte, rief ihn der Tod am 8. März 865 ab von dem Werke, welches sein Schüler Meginhard (s. A. D. B. XXI, 182) zu Ende führte. Auch in den Annalen, welche vermuthlich derselbe fortgesetzt hat, ist Rudolf’s Tod verzeichnet; er wird daselbst gerühmt als Geschichtsschreiber, Dichter und Meister der Künste. Man vermuthet daher, daß der Maler R., dessen Werk Raban in einem Epigramm rühmt, kein anderer gewesen sei, als er. Sein Stil ist nach guten Mustern gebildet, und während die übrigen, uns erhaltenen Schriften, dem Gegenstande entsprechend, voll von Wundergeschichten sind, zeigt er in den Annalen einen klaren und verständigen, einfach dem wirklichen Verlauf der Dinge zugewandten Sinn.

Rud. Annales ed. Pertz, Mon. Germ. I, 361–375. Uebers. von Rehdantz 2. Ausg. 1889. Vita Liobae ed. Waitz. Mon. Germ. SS. XV, 118–131. Auszug von W. Arndt bei der Vita Bonifatii. Miracula Sanctorum etc. ed. Waitz. SS. XV, 328–341. Translatio S. Alexandri ed. Pertz, SS. II, 673 bis 681. Uebers. v. Richter 2. Ausg. 1889. – Wetzel, die Translatio Alex. Kiel 1881, ohne Grund die Zuverlässigkeit verdächtigend. – A. Rethfeld, Ueber den Ursprung des 2. 3. und 4. Theils der sog. Fuldischen Annalen, Halle 1886. – Wattenbach, Geschichtsqu. des MA. (5. Aufl.) I, 214, 223. – Ebert, Allg. Gesch. d. Litt. d. MA. II, 332 ff. 368.