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Artikel „Roesler, Hermann“ von Heinrich Klenz in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 53 (1907), S. 500–501, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Roesler,_Hermann&oldid=- (Version vom 24. Dezember 2024, 17:10 Uhr UTC)
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Roesler: Carl Friedrich Hermann R., Nationalökonom, geboren am. 18. December 1834 zu Lauf in Mittelfranken, † am 2. December 1894 zu Bozen. R. besuchte anfangs die Volksschule in Lauf, wo sein Vater Rechtsanwalt war, und dann das Melanchthon-Gymnasium in Nürnberg, das er mit dem 17. Lebensjahre verließ, um auf der Universität Erlangen die Rechts- und Staatswissenschaften zu studiren. Das vierte Semester brachte er in München zu, kehrte aber darauf nach Erlangen zurück und bestand dort mit dem 22. Lebensjahre die erste juristische Prüfung cum laude. Er wurde Rechtspraktikant beim Landgericht in Nürnberg und absolvirte die Verwaltungspraxis am Landgericht in Hersbruck, die Bezirksgerichtspraxis wiederum in Nürnberg. Bald bestand er auch das bairische Staats-(Richter-)Examen mit der Note I. Er fand hierauf wieder als Hülfsarbeiter bei den Gerichten und beim Gesetzgebungsausschuß in der bairischen Kammer Beschäftigung, verlor aber sein eigentliches Ziel, sich der akademischen Lehrthätigkeit zu widmen, nicht aus dem Auge. Zu diesem Zwecke erwarb er im J. 1859 zu Erlangen die juristische Doctorwürde und im folgenden Jahre zu Tübingen die eines Doctors der Staatswissenschaften. Die juristische Inauguraldissertation war eine Interpretation der I. 16 § 1 Dig. pro socio 17, 2 und aus dem kanonischen Rechte c. 18: Quanto personam de jure jurando 2, 24. Im Wintersemester 1860/61 habilitirte er sich dann an der Universität Erlangen als Privatdocent in der philosophischen Facultät für das Fach der Staatswissenschaften. Die Habilitationsschrift handelte von dem „Einfluß der Besteuerung auf den Arbeitslohn“. Außerdem veröffentlichte er eine Abhandlung „Ueber den Werth der Arbeit“ in der Zeitschrift für die gesammte Staatswissenschaft, 16. Jahrgang, und: „Ueber die rechtliche Natur des Vermögens der Handelsgesellschaften nach römischem Rechte“ in Goldschmidt’s Zeitschrift für Handelsrecht, Jahrgang 1860/61. Zu Anfang des Jahres 1861 ließ er die Schrift: „Zur Kritik der Lehre vom Arbeitslohn, ein volkswirthschaftlicher Versuch“ folgen, die eine sehr günstige Aufnahme fand und die Veranlassung wurde, daß R. an Stelle des nach Bonn berufenen Professors Dr. Erwin Nasse am 22. October 1861 die ordentliche Professur der Staatswissenschaften in Rostock erhielt.

Die philosophische Facultät der Universität Rostock bewillkommnete ihr neues, noch nicht 27 Jahre altes Mitglied mit der Ernennung zum Ehrendoctor. R. las nun über Nationalökonomie oder Volkswirthschaftslehre, Volkswirthschaftspolitik, Finanzwissenschaft, Politik zur Einleitung in die gesammten Rechts- und Staatslehren, Politik der Staatsverwaltung oder formelles Verwaltungsrecht, Verwaltungsrecht und Polizei, Finanz- und Militär-Verwaltungsrecht, Statistik, Deutsche Statistik, Vergleichende Statistik Deutschlands und seiner Nachbarländer. Daneben veröffentlichte er eine Reihe von gründlichen und scharfsinnigen Schriften und Aufsätzen: „Der deutsch-französische Handelsvertrag“; „Grundsätze der Volkswirthschaftslehre, ein Lehrbuch für Studirende und Gebildete aller Länder“ (1864); „Ueber die Grundlehren der von Adam Smith begründeten Volkswirthschaftstheorie“ (1868, 2. Aufl. 1871); [501] „Ueber das Wesen des Credits und die Creditnatur des Darlehns“ (Goldschmidt’s Zeitschrift für Handelsrecht, 1868, Heft 3); „Zur Lehre vom Einkommen“ (Hildebrand’s Jahrbücher für Volkwirthschaft usw., 1868, Bd. 1); „Zur Theorie des Werthes“ (ebendaselbst Bd. 2, Heft 1 u. 2); „Zur Theorie des Preises“ (ebendaselbst 1869, Bd. 1); „Lehrbuch des socialen Verwaltungsrechts“ (Bd. I 1872, Bd. II 1873); „Ueber die Beziehungen zwischen Volkswissenschaftslehre und Rechtswissenschaft in Deutschland“ (Hirth’s Annalen des Deutschen Reichs 1872); „Ueber die geschichtliche Entwickelung der volkswirthschaftlichen Ideen der neueren Zeit“ (1872); „Ueber Verwaltungsgerichtsbarkeit“ (Grünhals’ Zeitschrift für Privat- und öffentliches Recht der Gegenwart 1874, Bd. 1); „Ueber Enteignungsrecht“ (Tübinger Zeitschrift für Staatswissenschaft 1874, Heft 3); „Die alte und neue National-Oekonomie“ (Grünhals’ Zeitschrift 1875, Bd. 2, Heft 2 u. 3); „Der österreichische Verwaltungs-Gerichtshof nach dem Gesetz vom 22. October 1875“ (ebendaselbst 1875, Bd. 4); „Gedanken über den constitutionellen Werth der deutschen Reichsverfassung“ (1877); „Vorlesungen über Volkswirthschaft“ (1878).

Nach 17jähriger Wirksamkeit verließ Roesler Rostock, um einem Rufe der japanischen Regierung in das Kaiserliche Auswärtige Amt Folge zu leisten. Beseelt von dem Drange, seine theoretischen Kenntnisse in der Praxis zu verwerthen, scheute er es nicht, mit seiner Familie in die Ferne zu ziehen und seine Kraft einem in der Entwicklung begriffenen Staate zu widmen. Vorher legte er noch das katholische Glaubensbekenntniß ab. Mit der japanischen Regierung ging er zunächst einen Vertrag auf fünf Jahre ein, der dann zwei Mal verlängert wurde. Seine Aufgabe war es, das dortige Staatswesen einschließlich der Justiz ganz nach europäischem Vorbilde neu einzurichten. Die japanische Constitution wurde von ihm hauptsächlich nach dem Muster der bairischen Verfassung entworfen. Unter anderm setzte er auch die Religionsfreiheit in Japan durch. Nach 15jähriger erfolgreicher Thätigkeit (er war zuletzt Erster vortragender Rath im kaiserl. Ministerrath zu Tokio) zwang ihn ein schweres Leiden, sich zurückzuziehen. Er wandte sich nach Tirol, starb aber nicht lange darauf. Im J. 1893 hatte er noch ohne seinen Namen eine Broschüre „Die deutsche Nation und das Preußenthum“ erscheinen lassen, die ebenso wie seine 16 Jahre früher erschienenen „Gedanken“ usw. (s. oben) gegen Bismarck und Preußens Vormachtstellung gerichtet war.

Vgl. die Nekrologe in der „Rostocker Zeitung“ und den „Mecklenburger Nachrichten“ sowie das Sonntagsblatt der „Germania“, 1895, Nr. 1, auch O. v. Mohl, Am japanischen Hofe. Berlin 1904.