ADB:Riegger, Josef Anton Stephan

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Artikel „Riegger, Josef Anton Stefan Ritter von“ von Johann Friedrich von Schulte in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 28 (1889), S. 549–551, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Riegger,_Josef_Anton_Stephan&oldid=- (Version vom 3. Oktober 2024, 11:28 Uhr UTC)
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Riegger: Josef Anton Stefan Ritter v. R., Kanonist, geboren am 13. Februar 1742 zu Innsbruck, † in Prag am 5. August 1795. Sohn Paul’s v. Riegger, kam er mit diesem im zwölften Lebensjahre nach Wien, wo er bei den Piaristen und Jesuiten die Gymnasialclassen zurücklegte, im Jahre 1761 den philosophischen Doctorgrad erwarb und sich darauf dem Rechtsstudium widmete. Seine ungemeine Befähigung zeigte sich früh, da er schon mit 15 Jahren durch Abhandlungen über Plautus und Terenz die Mitgliedschaft der Akademie zu Roveredo erlangte. Im J. 1764 trat er als Privatlehrer auf, wurde jedoch bald als Lehrer des Kirchenrechts am Theresianum angestellt. Er stiftete die „Deutsche Gesellschaft“, welche Sonnenfels ankündigte, sie wurde im väterlichen Hause eröffnet. Sein Eintritt in die Freimaurerloge fällt in dieselbe Zeit. Anfangs 1765 wurde er zum Professor der Institutionen und des peinlichen Rechtes in Freiburg ernannt und, nachdem er am 22. März das Doctorat der Rechte erworben hatte, am 26. dieses Monats feierlich in sein Amt eingeführt. Sofort begann für ihn eine schwere Zeit. Er begann die Vorlesungen in deutscher Sprache zu halten und eine deutsche civilistische Bibliothek herauszugeben. Der Rector und Senat ertheilten ihm dessentwegen die Warnung, nichts ohne theologische und Senatscensur drucken zu lassen und sich aller Neuerungen zu enthalten. Zu seinem Glücke wechselte der Referent über Vorderösterreich, als solcher trat ein Tob. Phil. Freiherr v. Gebler. Der Senat wurde abgesetzt, nach dem Wiener Plane eine Studienreform vorgenommen, R. zum Professor des geistlichen Rechtes ernannt, k. k. Rath, im J. 1769 zum wirklichen vorderösterreichischen Regierungs- und Kammerrath, am 10. November 1772 zum Director der philosophischen Facultät bestellt. Er war von 1772–1774 Rector und wurde nach Aufhebung der Gesellschaft Jesu (1773) Studienreferent über Vorderösterreich mit der Befugniß die Lehrstühle zu besetzen und zugleich in Gemeinschaft mit dem Regierungsrath v. Mayer zum Verwalter des Jesuitenvermögens bestellt. Unter diesen Umständen ist es erklärlich, daß er im J. 1771 einen Ruf nach Wien ablehnte. Die durch den Tod seines Vaters (1775) für ihn entstandene mißliche Vermögenslage ließ ihn einen Wechsel wünschenswerth erscheinen. Dazu kamen noch besondere Verhältnisse. Er hatte zwar noch am 20. Januar 1776 eine Gehaltszulage von 300 fl. erhalten und war vom Kaiser Josef II. beim Besuche Freiburgs im J. 1777 als der einzige Professor empfangen worden, indessen wurde durch das Gebahren des neuen Studienpräsidenten Baron Ulm, die Stellung für ihn unleidlich, da dieser alles umkehrte und dem Auftreten der Clerikalen gegen ihn zur Stütze diente. Auf sein Gesuch wurde er am 30. April 1778 zum Professor des Staats- und Lehnsrechtes und wirklichen Gubernialrath in Prag ernannt. Dazu gab man ihm das Referat beim Censur-Revisonsamt und die Theatercensur. Diese zog ihm bald die erste Unannehmlichkeit herbei. Er hatte ein Voltaire’sches Stück zugelassen, und wurde, da in demselben ein Bischof in vollem Ornat erschien, denuncirt. Desgleichen hatte er das Staatsrecht deutsch vorzutragen begonnen. Wegen dieser beiden Dinge ertheilte der oberste Kanzler, [550] Graf. v. Blumegen, ihm einen ernstlichen Verweis; daß der Königgrätzer Bischof Jos. Leop. v. Hay der Aufführung des Stückes beigewohnt hatte, ohne Anstoß zu nehmen, wurde nicht beachtet. War ihm schon seine Stellung hierdurch und durch andere Angriffe verleitet, so litt er noch mehr unter seinen bedrängten Vermögensverhältnissen. Die Zahlung der väterlichen Schulden und Sorge für Geschwister ließ ihn nie auf einen grünen Zweig kommen. Beim Abgange von Freiburg hatte er bereits den besten Theil seiner Bibliothek um 8500 fl. verkauft. Um sich zu retten, trat er im J. 1782 als Hofrath in den Dienst des Fürsten Schwarzenberg mit 4000 fl. Gehalt, freier Wohnung und bedeutenden Nebenbezügen. Diese Stelle mußte er aufgeben, als ein Bruder von ihm in Concurs fiel und er die Zahlung von dessen Schulden übernahm. Wohl erhielt er eine Stelle als Gubernialrath in Prag, war aber nicht in der Lage, aus deren Einkommen den an ihn gestellten Anforderungen zu genügen. Er suchte sich zu helfen durch Darlehen, kam aber in die Hände von Wucherern und in immer schlechtere Verhältnisse. Trotz riesigen Arbeitens im Amte und der größten Verdienste, namentlich um das Stiftungswesen, das von ihm gänzlich neu gestaltet wurde, wobei er dem Fonds ein colossales Vermögen rettete, brachte er es nicht weiter. Kaiser Leopold II. hatte ihm bei der Krönung in Prag offen seine Anerkennung gespendet, dann aber, als der Gubernialpräsident seine Ernennung zum Hofrath beantragte, geantwortet: „ich kann diesen Menschen doch nicht zum Hofrath ernennen, er ist ein Erzjakobiner“. Zu diesen harten Schlägen kamen andere. Im J. 1792 wurde ihm ein Packet Schriften entwendet, das er später so versteckt wiederfand, daß die Entwendung nur geschehen sein konnte, um den Inhalt gegen ihn zu verwenden, bald nach der Entwendung vernichtete ein Feuer, das in seiner Wohnung ausbrach, viele Papiere. Am tiefsten schmerzte ihn, daß man von oben mehreren Freunden den Wink gegeben hatte, seine Gesellschaft zu meiden. Da erlöste ihn der Tod und bewahrte ihn vor weiterer Kränkung; ein am 5. August 1795 während des Ankleidens eingetretener Schlagfluß setze am Abend desselben Tages seinem Leben ein Ende. Seiner Familie hinterließ er nichts, die Witwe war auf die gesetzliche Witwenpension angewiesen. Freunde des Verstorbenen bestritten die Kosten des Begräbnisses, die Bibliothek wurde verkauft. Die Witwe wandte sich noch unterm 23. November 1802 an die Universität Freiburg um eine milde Aushilfe und Unterstützung, es erging unterm 30. December 1802 der Beschluß, „sie wegen diesseitiger Unvermögenheit durch ein höfliches Schreiben mit ihrem Gesuch abzuweisen und auf bessere Zeiten zu vertrösten“. – R. war ein Mann von großer Gelehrsamkeit und erstaunlicher Arbeitskraft. Philosophie, Philologie, deutsche Litteraturgeschichte, Römisches, kanonisches, Straf- und Staatsrecht, sind Gegenstände seiner Schriften, wozu noch Uebersetzungen und Gedichte treten. Seine Stärke lag in historischen Untersuchungen, die dem Studium der Litteratur und Quellen des kanonischen Rechtes insbesondere gewidmeten Arbeiten zählen zu den werthvolleren des 18. Jahrhunderts.

Schriften, besonders aus dem Gebiete des Rechts: „Bibliotheca jur. can.“, 2 Thle. Wien (hier auch die ohne Ort aufgeführten erschienen) 1761 ff.; „Prolegomena ad jus eccles.“, 1764; „Oratio de amoenitate studii jur. eccl.“, 1764; „De necessitate jur. eccl.“ (Freib.) 1767; „Diss. de receptione jur. can. in Germ.“, 1767; „De collectione decretalium Honorii III, P. M.“, 1768; „Progr. de Paleis Decreto Gratiani insertis“, 1768; „Diss. de Gratiano auctore decreti“, 1769; „Conspectus jur. eccles.“, 1769 (Freib.); „Diss. an detur traditio sacra“, 1772 (Freib.); „Von dem Rechte der Landesfürsten, geistliche Personen und Güter zu besteuern“, 1769 (Freib.) neu Augsb. [551] 1770; „Oblectamenta hist. et juris eccles.“, Ulm 1776. Darin von ihm „Diss. acad. de Gratiani collectione can. illiusque methodo et mendis“, „Opusula ad hist. et jurispr. praecipue eccles. pertinentia“, Freib. 1772, Ulm 1774, enthält mehrere der angeführten Abhandlungen von neuem. „Analecta academ. Friburg. ad histor. et jurispr. praecipue eccles. illustrandam“, Ulm 1774; „Innocentii Cironii opera omnia cum notis et praefationibus“, 1781, 3 vol. 4. Ueber den Neudruck der Compilatio quinta meine Gesch. I, 91. Anm. 24. „Bernardi prop. Papiensis Breviarium una cum Greg. IX. PP. decret. coll. ad harmoniam revocatum varietate lectionum et variorum notis illustr. P. I“, Freib. 1778; „Augustini de emendatione Gratiani dialogor. libri duo cum Steph. Baluzii et Gerh. Mastrichtii notis“, 2 vol. 1764; „Liber diurnus“, 1762; „Hist. juris romani privati potissimum“, Freib. 1766, 1773; „Vormerkungen zur peinl. Rechtsgelahrsamkeit“, Augsb. 1773; Udalrici Zasii Epistolae“, ib. 1774; „Leitfaden in das deutsche Staatsrecht“, das. 1780; „Leitfaden in das allgemeine Staats- und Völkerrecht“ das.; „Tabellarischer Entwurf der deutschen Historie aus den ältesten Zeiten“, das.; „Harmonische Wahlkapitulation Kaiser Josef’s II. u. s. w.“, 2 Thle., Prag 1791 ff.; „Capitulatio Imperatoris variis variorum dissertat. et libellis illustrata“, 3 H., Prag 1781; „Prolegomena jur. publ. Germaniae etc.“, 3 H., das.; „Materialien zur alten und neuen Statistik von Böhmen“, 12 H., Prag und Leipzig 1791–94; „Studentenstiftungen in Böhmen u. s. w.“, Prag und Wien 1787; „Archiv der Geschichte und Statistik, insbesondere von Böhmen“, 3 Thle., Dresd. 1792 ff.; „Bibl. Rieggeriana Friburgensis“, Ulm 1776; „Rieggeriana“, 2 Bdchn., 1792. Dazu Reden, philologische, belletristische u. a. bei v. Wurzbach angeführt.

Die Bibl. Riegg. und Rieggeriana.Weidlich, Biogr. Nachr. II, 241. – Nekrolog auf das Jahr 1795 (Gotha 1797) I, von 1793, S. 75 ff., II, 464. – Jos. Wander v. Grünwald, Biographie der beiden R. v. Riegger, Prag 1787. Abh. d. K. Böhm. Ges. d. Wiss. III, 17. – Meusel, Lex. XI, 322. – Schreiber, Gesch. d. Univ. Freiburg III, 173. – v. Wurzbach, Biogr. Lex. XXVI, 121 ff., der noch andere anführt, den sehr genauen Nekrolog nicht. – v. Schulte, Gesch. III, 1, 261.