ADB:Pufendorf, Friedrich Esaias

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Artikel „Pufendorf, Friedrich Esaias“ von Ferdinand Frensdorff in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 26 (1888), S. 699–701, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Pufendorf,_Friedrich_Esaias&oldid=- (Version vom 8. Dezember 2024, 12:48 Uhr UTC)
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Pufendorf: Friedrich Esaias P., geboren am 12. September 1707 zu Bückeburg, † am 25. August 1785 zu Celle. Sein Vater war Esaias P., der Neffe der berühmten Brüder Esaias und Samuel v. P., zur Zeit der Geburt unseres P. als Rath in Diensten des Grafen Friedrich Christian v. Schaumburg thätig. In Minden, wo der Vater, nachdem er 1709 seine bisherige Stellung aufgegeben, seinen Wohnsitz genommen hatte, dann in der Stadt Celle, zu deren Syndicus er 1718 berufen wurde, besuchte der Sohn die öffentlichen Schulen bis Ostern 1724. Während der nächsten zwei Jahre privatisirte er und erhielt von seinem Vater Unterricht in einzelnen Zweigen der Jurisprudenz. Einigemale trat er öffentlich hervor mit Leistungen im Geschmacke der Zeit: zum Namenstage des Prinzen Friedrich von Wales, des Enkels Georg I., hielt er 1724 eine Rede „De laudibus Fridericorum tam virorum principum quam doctorum“, und gelegentlich der Anwesenheit des Königs in seinen deutschen Landen verfaßte er ein Heldengedicht auf dessen Thaten; die zu Celle gedruckte „Vita et res gestae Georgii I.“, welche Oeder ins Deutsche übersetzte, hierunter zu verstehen, läge nahe, wenn sie nicht Esaias P., den Vater, als Verfasser benennte. Der König nahm die Widmung gnädig auf und gewährte dem jungen Dichter ein Stipendium von 80 Thalern auf drei Jahre. 1726 bezog er die Universität Halle, hörte J. H. Böhmer, Thomasius und Gundling und machte sich besonders auch mit der Wolff’schen Philosophie bekannt, zu deren eifrigem Anhänger sich der frühere Verächter bekehrte. Seine Vermögensumstände scheinen ihm nicht erlaubt zu haben, länger als zwei Jahre zu studiren, wie sich auch die herkömmliche gelehrte Reise auf den Besuch von Dresden, Freiberg und Meißen beschränkte. Nach Celle zurückgekehrt übte er sich unter Anleitung seines Vaters, der seit 1723 Hof- und Kanzleirath bei der Justizkanzlei geworden war und 1732 zum Mitgliede des Oberappellationsgerichts erwählt wurde, in der Praxis und war ihm bei Abfassung der „Introductio in processum criminalem Luneburgicum“ (1732) und der „Introductio in processum electoratus Brunsv.-Luneb.“ behülflich. Obschon der Beruf des Rechtsanwalts weder der Neigung des Vaters noch der des Sohnes entsprach, so sah sich letzterer, da alle Aussichten und Schritte zur Erlangung einer Beamtenstelle sich immer wieder vergeblich erwiesen, doch genöthigt, sich Ende 1732 als Advocat beim Tribunal zu Celle examiniren und immatriculiren zu lassen. Seine Lage blieb unbefriedigend. Er wurde zwar 1734 zum extraordinären Hofgerichtsassessor ernannt und nach dem Tode seines Vaters (1738) in dessen Stelle am Oberappellationsgericht von der lüneburgischen Landschaft nebst einem Mitbewerber erwählt, sein langjähriges Mißgeschick verließ ihn auch hier nicht, und der Mitbewerber erhielt [700] den Vorzug. Als aber noch im nemlichen Jahre eine zweite Vacanz im Tribunal entstand, deren Wiederbesetzung den Grubenhagen’schen Ständen zukam, war er glücklicher und wurde einstimmig erwählt. Nach vorgängigem Examen und abgelegter Relation ward er am 23. Februar 1739 beeidigt und als Rath der gelehrten Bank eingeführt. Damit hatte er die Stellung erlangt, in der er beinah fünfzig Jahre erfolgreich wirken sollte. Bis 1767 dem Gerichte als Rath, seitdem als Vicepräsident angehörend, hat er eine mit seiner richterlichen Beschäftigung im nächsten Zusammenhang stehende schriftstellerische Thätigkeit entwickelt, die seinem Namen einen Platz in der Geschichte der Rechtswissenschaft gesichert hat. Die „Observationes juris universi“, in vier Quartbänden 1744 bis 1770 erschienen, enthalten kurze Abhandlungen in lateinischer Sprache über die verschiedensten Rechtsmaterien und Rechtsfragen, größtentheils aus der Rechtsprechung des Celler Tribunals geschöpft und von Erkenntnissen desselben begleitet. Das Werk, die erste in der Reihe der Sammlungen, wodurch die hannoversche Praxis des vorigen Jahrhunderts ihren Einfluß ausübte, hat für die Länder des gemeinen Rechts, ihre Rechtsprechung wie ihre rechtswissenschaftliche Thätigkeit, maßgebende und lange nachwirkende Bedeutung erlangt. In noch weitern Kreisen erwarb dem Buche sein Appendix Werthschätzung: jedem Bande desselben ist eine Sammlung von deutschrechtlichen Quellen, Land- und Stadtrechten, vorzugsweise des nördlichen Deutschlands, beigefügt, die, theils aus Handschriften, theils aus wenig zugänglichen Drucken entnommen, gute Dienste für rechtsgeschichtliche Zwecke leisteten, ehe bessere Editionen vorlagen, und, soweit solche mangeln, noch jetzt leisten. Eine zweite gleichfalls auf die Rechtsprechung des Celler Oberappellationsgerichts gegründete Sammlung von Rechtsaufsätzen enthalten die „Animadversiones“, von denen nur ein Band zwei Jahre vor dem Tode des Verfassers erschienen ist. Aus den jüngeren Jahren Pufendorf’s stammen die Tractate „de privilegiis“ und „de culpa“ (1730), denen er selbst nachrühmt, ihre mathematische Beweisführung sei der Wolff’schen Philosophie entlehnt. Das Interesse für das deutsche Recht, das die Observationen oft bewähren, führte den Verfasser zu der Untersuchung „de tutela fructuaria“, die zuerst in Estor’s Kleine Schriften aufgenommen, nachher in den Observationen (I, 119 ff. n. 47) wieder abgedruckt ist. Die bedeutendste Schrift dieser Zeit ist: „De jurisdictione Germanica liber“, zuerst 1740 erschienen, 1786 unverändert wieder abgedruckt, ein Buch, das die Zeitgenossen ein classisches Werk nennen. Einen Beweis des hohen Ansehens, das P. als Rechtsgelehrter genoß, liefert der Auftrag, den ihm der Minister v. Behr ertheilte, eine Rechtscodification für das Kurfürstenthum Hannover auszuarbeiten. Der „Codex Georgianus“, den er in den Jahren 1760–62 abfaßte, ist nach dem, was darüber bekannt geworden ist, ein sich über alle Theile des Rechts verbreitendes Gesetzbuch, das vorzugsweise die vielfältigen Controversen des gemeinen Rechts zu erledigen sucht. Der enorme Fleiß, den diese Uebersicht über die Arbeiten Pufendorf’s ermessen läßt, hat ihm doch noch erlaubt, außerjuristischen Gegenständen seine Feder zu leihen. Philologische und theologische Untersuchungen haben ihn beschäftigt, erstere, rein dilettantische Versuche, sind Manuscript geblieben, von letzteren sind veröffentlicht: „Lettre sur l’immortalité“ (1747), „Religio gentium arcana“ (1773) und eine „Erklärung des Hohen Lieds“, die von Pastor Runge in Bremen 1776 herausgegeben ist. Zahlreiche Recensionen und Aufsätze in den Göttingischen und den Hannoverschen gelehrten Anzeigen gingen nebenher. Seit 1770 erkrankte P. an den Augen und erblindete 1776 völlig; doch verschaffte ihm eine in Göttingen vorgenommene Operation das Augenlicht wieder. Nach 1783 schrieb er seine Biographie nieder, die nach seinem Tode durch seinen zweitältesten Sohn, den hannoverschen Hauptmann v. P., veröffentlicht wurde. [701] 1756 war P. mit seinen Brüdern vom Kaiser geadelt worden. Wie mit ihm selbst schon die zweite Generation dem Oberappellationsgericht zu Celle angehörte, so sind auch sein jüngster Sohn und dessen Sohn wiederum Mitglieder dieses Tribunals geworden. Sein ältester Sohn, Konrad Heinrich, der die processualischen Schriften des Großvaters 1768 und 1769 neu herausgab, war Reichshofrath zu Wien.

Hagemann, Nachricht von dem Leben und den Schriften des Vicepräsidenten von Pufendorf (Archiv für Rechtsgelehrsamkeit hg. v. Hagemann und Günther II (1788), S. 162 ff.). – Selbstbiographie in Jacobi und Kraut, Annalen der Braunschweig-Lüneb. Churlande VIII, (1794) S. 407 ff. – Spangenberg im Vaterl. Archiv I, (1819) S. 211 ff.