ADB:Prosch, Karl Friedrich Wilhelm
v. Plessen (s. o.) Veranlassung gewesen, ihm bei Abfassung und Abschluß der Ehepacten für die Vermählung der Herzogin Helene von Mecklenburg mit dem Herzog von Orleans eine bedeutende Rolle zuzuweisen. 1846 wurde er Regierungsrath und dadurch wirkliches Mitglied der großherzoglichen Regierung. Namentlich in Finanz- und den damals neu auftauchenden Eisenbahnfragen war er thätig; seine auf ein vernunftgemäßes Steuersystem hinarbeitenden Absichten scheiterten freilich an dem Widerspruche der für ihre Sonderinteressen bedachten Ritterschaft, ebenso seine Bemühungen für eine Eisenbahnverbindung Lübecks an dem zähen Widerstande Dänemarks, aber die Verhandlungen wegen der Berlin-Hamburger Bahn zwischen Preußen, Hamburg, Dänemark und Mecklenburg, bei denen er letzteres vertrat, kamen doch zu gedeihlichem Ende und führten zur Concessionirung der Berlin-Hamburger Eisenbahngesellschaft; ja als großherzoglicher Eisenbahncommissar erreichte er beim Stocken der Unternehmung deren Fortsetzung durch das Eintreten Mecklenburgs mit Uebernahme der Actien Lit. B, welche später dem Lande hohen Vortheil brachten. Auch das Entstehen der mecklenburgischen Eisenbahn (Hagenow-Schwerin-Rostock-Wismar-Güstrow) ohne Opfer für das Land ist ihm zu danken. Daß er in den vierziger Jahren, wo dem Großherzoge ernstlichst die Aufhebung der Universität Rostock angerathen wurde, kräftig diesen Bestrebungen entgegentrat, hat die Universität ihm kaum in Erinnerung behalten. P. begegnete dabei aber vollauf dem guten Willen des Großherzogs Friedrich Franz II., welcher seine Lauterkeit und Charakterfestigkeit hochschätzte. Die gründliche Kenntniß vom mecklenburgischen Finanz- und Steuerwesen und von der Nothwendigkeit seiner Besserung und die klare Erkenntniß von der Schädlichkeit der veralteten Verfassungsformen, welche ihm in der Regierung noch mehr wie dem Privatmann entgegentraten, trieben P. in den Kreis der gemäßigten Reformer, wie v. Thünen und die Pogge (s. o.), während seine gediegene Bildung und humane Milde ihn niemals in schroffe Opposition treten ließen. Nach der Umwälzung von 1848 wurde er 1849 in die mecklenburgische Abgeordnetenkammer und in dieser in den Finanzausschuß gewählt; und als in demselben Jahre die bisherige Regierung aufgelöst und eine constitutionelle eingeführt wurde, ernannte ihn der Großherzog zum „Director im Finanzministerium“ im Ministerium v. Lützow, ein Amt, welches auch nach dem Freienwalder Schiedsspruch, der Repristination der alten mecklenburger Zustände und der Einsetzung einer ritterschaftlichen Regierung ihm bis 1856 blieb. Freilich sah die letztere scheel zu seinen bekannten Grundsätzen, die sich auch 1853 in der übel vermerkten tüchtigen Broschüre „Betrachtungen über den Beitritt Mecklenburgs zum Zollverein“ ausgesprochen hatten; aber er war unentbehrlich für die schwebenden diplomatischen [665] Verhandlungen wegen Ablösung der Elbzölle und des Sundzolles. Bei den letzteren war er Vertreter Mecklenburgs 1856 und 1857 in Kopenhagen. Diese Verwendung war ein ostensibler Grund, ihn 1856 „zur Disposition des Staatsministeriums“ zu stellen, womit er aus der Finanzverwaltung ausschied. 1860 trat er aus dem Staatsdienste ganz zurück, und noch in demselben Jahre erschien seine Schrift: „Die Grundübel des mecklenburgischen Steuerwesens“, dann später noch „Blicke auf die Mecklenburgische Steuerfrage“. Beim Beginn der deutschen Entwicklung trat er von vornherein voll auf die Seite Preußens und sah das einzige Heil für Mecklenburg in dem aufrichtigen Anschluß an die große Nachbarmacht und in der Entwicklung einer kräftigen Bundesgewalt, durchaus im Gegensatz gegen die herrschende Ritterschaft, aber im Einklange mit dem Großherzoge Friedrich Franz II. 1867 wählten ihn die 20 westlichen Städte Mecklenburgs in den constituirenden Reichstag des Norddeutschen Bundes, und auch später in dessen Reichstag; nach Errichtung des Reiches saß er im Deutschen Reichstage als Vertreter des ersten Wahlkreises bis kurz vor seinem Tode. Seiner Richtung und Ueberzeugung treu, gehörte er fortwährend zur national-liberalen Partei und zählte zu deren gediegensten und besten Arbeitern in den Commissionen; als Redner trat er nicht hervor. Die Opposition unter den Häuptern der Ritterschaft gegen die deutsche Entwicklung veranlaßte ihn zu der Schrift „Die Stellung Mecklenburgs im Norddeutschen Bunde“ 1867, und der fortgesetzte Widerstand, der eine Besserung nur durch Abänderung der „landesgrundgesetzlichen Erbvergleichs-Verfassung“ möglich erscheinen ließ, zu dem „Votum über die Competenz des Norddeutschen Bundes zur Einwirkung auf die Ordnung der inneren Verfassungszustände der einzelnen Bundesstaaten“ (1868). Er hatte schon damals mit der liberalen Partei Mecklenburgs den bis heute durch die Erfahrung bekräftigten Gedanken, daß die nothwendige Aenderung ohne Eingreifen der Centralgewalt unmöglich sein werde, und daß dieser die Competenz dazu zustehe; dieselbe Anschauung veranlaßte ihn auch zu der scharfen Kritik einer gegnerischen Schrift in demselben Jahre: „Offenes Schreiben an den Verfasser der Schrift: ‚Einige Gedanken über die Fortbildung der Mecklenburgischen Verfassung‘“. Seine dem Fürsten und dem Lande wohlmeinende Ueberzeugung ist in dieser Beziehung bisher ohne Früchte geblieben. 1870 gehörte er der Deputation des Norddeutschen Reichstags an, welche in Versailles den König Wilhelm um die Erneuerung und die Annahme der deutschen Kaiserkrone ersuchte. In den beiden ersten Reichstagsperioden hatte er Theil an den bedeutendsten gesetzgeberischen Arbeiten, er selber regte die Beseitigung der lästigen Unterschiede in den Volljährigkeitsterminen und das Zurückgreifen von der römischen Bestimmung des 25. auf die altdeutsche des 21. Jahres mit Erfolg an. Für die dritte Reichstagsperiode lehnte er die angetragene Wahl wegen großer körperlicher Schwäche ab und starb bald nachher. Nach seinem Austritt aus dem Staatsdienst hatte die Stadt Schwerin ihn in den Bürgerausschuß gewählt, auch in diesem engeren Verwaltungskreise war er in hervorragender Weise thätig. Hervorzuheben ist noch seine Wirksamkeit in Folge des Krieges von 1864. Er war der Veranlasser, daß noch im October dieses Jahres der „Mecklenburgische Landesverein für die Pflege im Felde verwundeter und erkrankter Krieger“ zu Schwerin begründet wurde, dessen Schriftführer und eigentlicher Leiter P. 11 Jahre lang blieb, und in dem er während der Kriege von 1866 und 1870–71 eine aufopfernde und segensreiche Wirksamkeit bewies.
Prosch: Karl Friedrich Wilhelm P., † zu Schwerin am 19. December 1876, war geboren am 30. August 1802 zu Ludwigslust als Sohn des damaligen Secretärs des Erbherzogs Friedrich Ludwig und späteren Geh. Finanzraths P. Er besuchte 1818–1821 das Gymnasium zum Grauen Kloster in Berlin und studirte dann Rechte, Nationalökonomie und Finanzwirthschaft in Rostock, Genf, Paris und Göttingen; hier promovirte er 1824 zum Dr. jur. Seitdem war er in der Regierungskanzlei zu Schwerin angestellt und wurde am 18. März 1833 wirklicher Regierungsregistrator, 1840 Legationsrath und 1841 Geh. Legationsrath. In allen diesen Stellen war er, nominell zur Hülfsleistung, thatsächlich aber als einer der bedeutendsten Arbeiter im Geheimen Staatsministerium beschäftigt; seine ausgezeichnete Kunde des Französischen war schon unter dem Staatsminister- Nekrologe brachten die „Rostocker Zeitung“ vom 21. December 1876, die „Mecklenb. Anzeigen“ vom 28. August 1877 und danach die „Rostocker Zeitung“ vom 29. August 1877.