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Artikel „Poezl, Joseph von“ von Johann August Ritter von Eisenhart in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 26 (1888), S. 495–497, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Poezl,_Joseph_von&oldid=- (Version vom 2. November 2024, 17:19 Uhr UTC)
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Poezl: Joseph v. P., bairischer Staatsrechtslehrer, geb. zu Pechtersreuth unweit Waldsassen am 5. November 1814, † zu München am 9. Januar 1881. Der Sohn eines mit mäßigen Glücksgütern ausgestatteten Landwirthes, besuchte P. das Gymnasium zu Amberg, welches er – als der Erste in sämmtlichen Classen und Fächern – mit der goldnen Medaille ausgezeichnet verließ, worauf er 1836 die Münchner Hochschule bezog, und nach vierjährigem Rechtsstudium in die Vorbereitungspraxis trat. Am 26. November 1842 erwarb er an genannter Hochschule den Doctorgrad, wobei er in seiner Dissertationsschrift die gesetzliche Baupflicht des patronus erörterte. Am 31. October des folgenden Jahres wurde er als Privatdocent nach Würzburg berufen, am 7. November 1845 dortselbst zum außerordentlichen Professor des deutschen und bairischen Staatsrechtes ernannt, und am 15. Juli 1847 an Ernst v. Moy’s Stelle mit dem ordentlichen Lehrstuhle des bairischen Verfassungs- und Verwaltungsrechtes in München betraut. Im nämlichen Jahre erschien sein „Leitfaden des baierischen Verfassungsrechts“, welchem 1851 das Lehrbuch desselben Gegenstandes folgte. Es wurde gegenüber den bisherigen Arbeiten auf diesem Gebiete als wesentlicher Fortschritt in der wissenschaftlichen Behandlung des heimischen Staatsrechtes begrüßt, und gebührt dem Verfasser das Verdienst, für das öffentliche Recht Baierns die richtigen Wege gewiesen zu haben. Das Werk erlebte fünf Auflagen, von welchen die letzte im J. 1877 ausgegeben wurde. Kurze Zeit nach der Anstellung als Extraordinarius – im Frühjahr 1846 – hatte sich P. mit Anna Reck, eines Forstmeisters Tochter in München, verehelicht. Mit dieser ging er auch 1848 nach Frankfurt a/M., als ihn das Vertrauen zweier oberpfälzischer Wahlbezirke in die deutsche Nationalversammlung berief. Er trat mit mehreren Landsleuten (Dr. Barth, Dr. Paur, Schlör, Zerzog etc.) der Partei des Augsburger Hofes bei, welche das eigentliche Centrum der Versammlung bildete, und zählte, obgleich er sich an den Debatten des Hauses als Redner nicht betheiligte, zu den angesehensten Mitgliedern des Clubs. Im November 1848 wurden er und Advocat Dr. Paur aus Augsburg vom Reichsministerium nach Oesterreich (Wien und Kremsier) abgeordnet, um über die Hinrichtung des Parlamentsmitgliedes Robert Blum und über die Absichten der kaiserlichen Regierung bezüglich der Verfassungsfrage verlässige Aufschlüsse zu erholen. Die Sendung bot kein nennenswerthes Resultat, hatte jedoch für P. selbst die traurigsten Folgen. Seine zärtlich liebende Gattin, welche die Septembergräuel und die wüsten Barrikadenkämpfe zu Frankfurt mit erlebt hatte, wurde während ihres Mannes Reise von unsäglicher Angst für dessen Leben und leibliches Wohl ergriffen, und diese Angst, genährt [496] durch krankhafte Reizbarkeit des Nervensystemes, führte in kurzer Zeit zu hochgradiger Geistesstörung, welche sich alsbald als unheilbar erwies! Poezl’s weiches Gemüth empfand diesen jähen Zusammenbruch seines häuslichen Glückes schwer und schmerzlich. Doch trug er sein Geschick mit männlicher Würde. – Als die Nationalversammlung den vom Centrum gestellten Vertagungsantrag verwarf, schied P. mit seinen politischen Freunden Ende Mai 1849 aus der Paulskirche, und kehrte in die Heimath zurück; dort widmete er sich neben dem Lehrberufe schriftstellerischer Thätigkeit, und als Mitglied des sogen. Verwaltungsausschusses den administrativen Angelegenheiten der Hochschule. Eine neue, ebenso ehrenvolle wie einflußreiche Wirksamkeit gewann P. im J. 1858, in welchem er von der Hauptstadt des Landes als einer ihrer Vertreter in die bairische Abgeordnetenkammer gewählt wurde. Jeder extremen Richtung abgeneigt, verfocht P. die Grundsätze eines gemäßigten Liberalismus gegenüber dem Ministerium Pfordten-Reigersberg, und war mit dem Grafen v. Hegnenberg, den Freiherrn v. Lerchenfeld und Pfetten, mit Schlör, Paur u. a. einer jener Männer, welche in den Tagen der Reaction das Banner besonnenen Fortschrittes hoch hielten. Hiedurch hat er sich um die Fortentwickelung des constitutionellen Lebens in seinem Vaterlande unvergängliche Verdienste erworben; denn sein Name wird mit der bairischen Verfassung, die er gelehrt und vertheidigt, fortleben. P. war von 1858–1869 Mitglied der zweiten Kammer, deren zweiter Präsident er im J. 1863, deren erster Präsident er nach Hegnenbergs Ausscheiden 1865 wurde. Mit klarem Blicke und ruhiger unparteiischer Haltung wußte der geschäftsgewandte Parlamentarier die ihm gestellte schwierige Aufgabe zu lösen. Die Ereignisse des Jahres 1866 hatten in Baiern eine völlig veränderte Parteigruppirung zur Folge, und bei den Wahlen von 1869 sahen P. und seine Freunde ihre Sitze von Neulingen clerikaler Farbe eingenommen. Dagegen wurde er am 20. December 1872 von der Krone als lebenslänglicher Reichsrath in die erste Kammer berufen. Er war eine Zierde auch dieser hohen Körperschaft und hat derselben manch’ wichtiges Referat geliefert. – Folgen wir den litterarischen Leistungen Poezl’s, so begegnen wir nach dem Lehrbuche des bairischen Verfassungsrechts (1851) seinen Erläuterungen der wichtigen Ablösungsgesetze vom 28. Mai 1852. Im nächsten Jahre (1853) begründete er mit Dr. Arndts und Bluntschli die „Kritische Ueberschau“, aus welcher 1859 die „Kritische Vierteljahrschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft“ hervorging. Er hat bis zu seinem Tode an ihrer Leitung mitgewirkt und sie mit vielen Beiträgen bereichert. Auch für andere juristische Zeitschriften war er ein geschätzter Mitarbeiter. 1856 erschien das „Lehrbuch des bair. Verwaltungsrechtes“, in dem der Verfasser einen äußerst spröden Stoff zum ersten Mal und zwar in befriedigendster Weise einer wissenschaftlichen Bearbeitung unterzog, und welches drei Auflagen erlebte. 1859 veröffentlichte unser Gelehrter eine seiner hervorragendsten Arbeiten, den Commentar zu den bayr. Wassergesetzen vom 28. Mai 1852, eine mustergiltige Arbeit, welche sich deßhalb sogar im Auslande volle Geltung verschaffte. – 1867 erhielt P. auch die Professur der Polizeiwissenschaft übertragen, wodurch er zugleich Mitglied der staatswirthschaftlichen Facultät wurde. In dasselbe Jahr fällt die Abfassung seines „Grundrißes zu Vorlesungen über Polizei“. 1868 übernahm er noch die Vorträge über bair. Staatsrecht an der technischen Hochschule, welche er 1880 wegen zunehmender Kränklichkeit abgab. Aber auch als Verwaltungsbeamter hat P. eine hervorragende Thätigkeit entfaltet. Die Chronik der Münchener Hochschule für 1880/81 bemerkt hierüber (S. 5 u. 6): „Die Hochschule hat in dem Heimgegangenen nicht bloß einen vielgeschätzten Collegen und Lehrer verloren. Für die Universität ist mit Dr. v. P. eine in den weitesten Kreisen hochangesehene Persönlichkeit, und ein gewichtiges Stück Geschichte und Tradition zu [497] Grabe getragen worden. P., dem viermal die Führung des Rectorats anvertraut worden, hat von 1854 an fortwährend die juristische und staatswissenschaftliche Facultät im Senate vertreten, und ist vom gleichen Jahre an ununterbrochen Mitglied des Verwaltungsausschusses der Universität gewesen. Rasch im Erfassen, sicher im Urtheile und praktisch gewandt verwaltete er die ihm übertragenen Aemter mit rastlosem Eifer und seltener Umsicht … In ihm standen strenge Rechtlichkeit mit großem Billigkeitsgefühl und maßvoller Gesinnung in harmonischem Ausgleich. Persönlich war er milde, wohlwollend und außerordentlich leicht zugänglich“. Mitte December 1880 erkrankte P. in gefährlicher Weise. Der Zerfall der Kräfte nahm rasch zu und P. verschied am späten Abend des 9. Jan. 1881. Am 12. dess. Monats wurde er bestattet, wobei der jüngstverstorbene Geheimrath Prof. Dr. v. Brinz die akademische Trauerrede hielt. Die „Kritische Vierteljahrsschrift“ hat in der Neuen Folge, Band V. (Jahrg. 1882) S. 1–8, ihrem verdienten Mitbegründer; die Ludwig-Maximilians-Universität in der Chronik für das Jahr 1880/81 ihrem vieljährigen Mitgliede (S. 5–7) ehrenvolle Nachrufe gewidmet. Die juristische Bibliothek des Verlebten ging legatarisch auf die Münchner Hochschule über.

Kritische Vierteljahrsschrift f. Gesetzgeb. u. R.-Wissenschaft a. a. O. – Chronik der Ldwg.-Max. Univ. f. d. J. 1880/81 a. a. O. – Mein Nekrolog in Hartmann’s Ztschr. f. Gesetzgeb. etc. etc. Band VI (Jahrg. 1880), S. 571 bis 574. – Süddeutsche Presse. Jahrg. 1881 (Mitte Januar). – Prantl, Geschichte der Universität Ingolstadt-München, 2. Bd. S. 576.