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Artikel „Barth, Marquard“ von Karl Theodor von Heigel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 46 (1902), S. 220–221, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Barth,_Marquard&oldid=- (Version vom 27. April 2024, 09:12 Uhr UTC)
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Barth: Marquard B., hervorragender Parlamentarier, geboren zu Eichstätt am 1. September 1809, bezog nach Berufung seines Vaters zum Bürgermeister von Augsburg das dortige Gymnasium, nach glänzend bestandenem Maturitätsexamen die Universität München. Hier widmete er sich dem Studium der Rechte und erhielt 1832 auf Grund einer seinem Lehrer Hier. Bayer zugeeigneten Dissertation: „Beiträge zur Lehre vom Haupteid im Civilproceß vom Standpunkt der Philosophie und Legislation, des römischen und des heutigen gemeinen Rechtes“ den Doctorhut. Im Auftrag einer Augsburger Buchhandlung gab er sodann, um „den Schatz der zahlreichen, im Großen und Ganzen unbekannt gebliebenen Universitätsschriften nutzbarer zu machen“, eine „Sammlung auserlesener, theils ursprünglich deutscher, theils aus dem Lateinischen übersetzter Dissertationen aus dem Gebiet des gemeinen Civilrechts und Civilprocesses“ heraus; es erschienen in den Jahren 1835 bis 1839 vier Bändchen. Von einem anderen Sammelwerk: „Civilistisches Promptuarium oder Realencyklopädie des gemeinen Civilrechts und Civilprocesses, in alphabetischer Ordnung bearbeitet von M. B.“ erschienen 1837 nur zwei Hefte des ersten Bandes (bis ‚Adcitation‘ reichend). 1837 eröffnete B. seine Praxis als Rechtsanwalt in Kaufbeuren. In den nächsten dreißig Jahren war er nicht mehr als juristischer Schriftsteller thätig, dagegen wendete er den öffentlichen Angelegenheiten des engeren wie des weiteren Vaterlandes die regste Aufmerksamkeit zu; der Politiker lief dem Gelehrten den Rang ab; die im bairischen Schwaben stark vertretene liberale Partei hatte an ihm ein eifriges Mitglied. Bis in die vierziger Jahre reichen die Wurzeln der politischen Anschauung zurück, der er bis ans Lebensende treu blieb und seine beste Kraft widmete. Im März 1848 wurde er ins Frankfurter Parlament gewählt. „In der Ueberzeugung, daß kein Reich auf die Dauer zwei Schwerpunkte haben könne“, stimmte er für den Ausschluß Oesterreichs und für die Uebertragunq der erblichen Kaiserwürde an die preußische Dynastie. Er befand sich auch unter den 32 Mitgliedern des Parlaments, die unter Simson’s Führung im März 1849 nach Berlin gingen, um Friedrich Wilhelm IV. die Kaiserkrone anzubieten. Der Schmerz und der Zorn über die ablehnende Haltung des Königs machten den überzeugungstreuen Politiker nicht irre; er blieb thätig im Sinne des kleindeutschen Liberalismus. Als Mitglied der zweiten bairischen Abgeordnetenkammer, der er von 1855 bis 1873 angehörte, führte er mit seinen seit 1863 in der „bairischen Fortschrittspartei“ [221] vereinigten Gesinnungsgenossen Völk, Brater, Fischer, v. Stauffenberg u. A. den Kampf gegen das Ministerium von der Pfordten; in der wahrhaft constitutionellen Monarchie – so läßt sich sein politisches Glaubensbekenntniß in Kürze zusammenfassen – erblickte er die allein entwicklungsfähige Form des modernen Staates, in möglichst fester Centralisirung Deutschlands mit preußischer Spitze die einzig befriedigende Lösung der deutschen Frage; diesen Ideen diente er mit einer Ausdauer, wie sie eben nur eine unerschütterliche Ueberzeugung verleiht, und mit einer Opferwilligkeit, die jede andere Rücksicht der Sorge um das Gemeinwohl nachsetzen ließ. Er war nicht ein glänzender Redner; seine parlamentarischen Vorträge waren immer einfach und rein sachlich, übten aber trotzdem, weil darin tiefes Rechtsgefühl, volle Wahrhaftigkeit, ernstes Streben nach Fortschritt ohne Uebereilung zum Ausdruck kamen, insbesondere im Kreise der Abgeordneten selbst starke Wirkung; er war in Baiern nicht eine so volksthümliche Persönlichkeit, wie z. B. Völk, genoß aber als scharfsinniger und unermüdlicher Arbeiter vielleicht noch höheres Ansehen bei Parteigenossen und Gegnern. In der wichtigen Periode 1865/1866 war er Vorstand des Gesetzgebungsausschusses, und da er selbst an der Schöpfung der neuen Gesetze hervorragenden Antheil hatte, war es von besonderem Werth, daß er von 1869–1871 den „Commentar zur neuen Civilproceßordnung für das Königreich Baiern“ herausgab. Ein Blick auf den reichen Inhalt zeigt, daß hier gründlich vorbereitete, langsam gereifte Arbeit zu gediegenem Ausdruck gelangte. Auch an den deutschen Abgeordnetentagen nahm B. lebhaften Antheil; 1866 und 1867 leitete er die Versammlungen der süddeutschen Nationalpartei in Stuttgart; von 1868 bis 1870 gehörte er dem deutschen Zollparlament an. Aus Barth’s Feder stammen u. a. die unmittelbar vor dem Ausbruch des Krieges von 1866 von der Vereinigten Linken der zweiten bairischen Kammer beantragte Adresse, worin ebenso gegen die österreichische, wie gegen die preußische Politik Stellung genommen und auf die endliche Reform des Deutschen Bundes gedrungen war, ferner die Adresse vom 14. Januar 1867, welche die Nothwendigkeit engeren Anschlusses an Preußen darlegte, endlich zahlreiche Artikel in der Wochenschrift der baierischen Fortschrittspartei. Es war ihm noch vergönnt, den Sieg der nationalen Sache zu erleben: 1871 wurde er Mitglied des deutschen Reichstages und auch hier wurde dem hervorragenden Mitarbeiter am Werke der deutschen Einigung hohe Achtung entgegengebracht. 1873 wurde B. auf Vorschlag der bairischen Regierung zum Rath am Reichsoberhandelsgericht in Leipzig ernannt. Nach seiner Außerdienststellung 1879 siedelte er nach Würzburg über. Hier starb er am 23. Mai 1885. In der Geschichte der deutschen Bewegung von den Vierziger Jahren bis zur Aufrichtung des neuen Reiches nimmt Marquard Barth einen ehrenvollen Platz ein; auch er zählt zu jenen leider allzu wenig beachteten

„Helden, die zum Wohl des Volkes in Gedankenschlachten
Tropfenweis’ verbluten ein reines Leben“ (H. Leuthold, Auf Karl Brater).

Nekrolog in der Augsburger Abendzeitung, Jahrg. 1885, Nr. 142. – Mündliche Mittheilungen von Parteigenossen.