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Artikel „Pingitzer, Virgil“ von Johann August Ritter von Eisenhart in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 26 (1888), S. 150–152, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Pingitzer,_Virgil&oldid=- (Version vom 23. April 2024, 13:47 Uhr UTC)
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Pingitzer: Virgil P., Rechtsgelehrter, geboren am 9. November 1541 zu Hallein im Salzburgischen als der Sohn des dortigen Bürgermeisters Virgil P., † am 20. Juli 1619 zu Jena. P. wurde zwar katholisch getauft und erzogen, trat jedoch aus uns unbekannten Ursachen schon frühzeitig zum Protestantismus über; 1558 nach erreichtem 17. Lebensjahre ging er nach Jena, [151] wohnte dort der feierlichen Eröffnung der eben errichteten Hochschule bei und hörte neben juristischen Vorträgen auch philosophische und theologische Vorlesungen. Nach vierjährigem Aufenthalte an der jungen Akademie studirte er zwei Jahre in Ingolstadt, das damals noch sehr häufig von Ausländern bezogen wurde, und sich eben des Besuches dreier baierischer Prinzen (Wilhelm, Ferdinand und Ernst), Söhne des regierenden Herzogs Albert V., erfreute. Kurze Zeit darnach bereiste er mit dem berühmten holländischen Rechtsgelehrten Mathäus Wesenbeck aus Antwerpen, der 1586 als Professor zu Wittenberg das Zeitliche segnete, die Niederlande, verweilte behufs seiner juristischen Ausbildung längere Zeit in Löwen, wandte sich dann nach Frankreich und kehrte endlich aus Orleans mit dem Diplome eines Doctors beider Rechte 1567 zurück. In der Heimath prakticirte er anfangs als Advocat am Hofgerichte zu Jena, wo er 1570 an Schaller’s Stelle den öffentlichen Lehrstuhl der Rechte erhielt. Nach dem Tode des Herzogs Johann Wilhelm von Sachsen-Weimar entstanden unter den Jenenser Theologen Streitigkeiten, welche das dortige Zusammenleben trübten, weil von jenen Zerwürfnissen auch die übrigen Universitätsmitglieder mehr oder weniger berührt wurden. Als daher Herzog Julius von Braunschweig auf Mynsinger’s Rath damit umging, das Gymnasium von Gandersheim in eine Hochschule mit dem Sitze Helmstädt umzuwandeln, begrüßte P. seine 1574 dorthin erfolgte Berufung mit lebhafter Freude, ging jedoch 1576 wenige Monate nach Einweihung der neuen Universität als Lehrer des jungen Herzogs Johann an den Weimaraner Hof. Nach Beendigung dieser Aufgabe übernahm er 1587 abermals eine Rechtsprofessur in Jena, wo er nach weiterer 32jähriger Lehrthätigkeit in der Nacht des 20. Juli 1619, 78 Jahre alt, sanft entschlummerte. P. wurde dreimal (7. Februar 1594, 3. Februar 1604 und 21. Februar 1614) zum Rector gewählt, ward später Ordinarius, auch Senior der Jenenser Juristenfacultät, Beisitzer des dortigen Hofgerichts, und wurde 1607 nebenbei Präsident des Oberconsistoriums. – P. war zweimal verheirathet. Aus der ersten 1568 mit Katharina, einer Tochter des Bürgermeisters Wolfg. Drückscherf in Jena abgeschlossenen Ehe gingen 13 Kinder hervor, von denen 2 Söhne und 4 Töchter den Vater überlebten. Nach dem Tode seiner ersten Frau (1605) verband er sich 1607 in bereits vorgeschrittenen Jahren mit Euphrosyne, des berühmten medicinischen Professors D. Michael Neander jüngsten Tochter, welche Ehe kinderlos blieb. Von seinen Töchtern heirathete die eine den bekannten Staatsrechtslehrer Dominicus Arumäus aus Leuwarden am 31. März 1600, dem Tage von dessen Doctorpromotion in Jena. (Arumäus starb während einer Facultätssitzung am 24. Februar 1637.) Eine zweite Tochter war die Gattin des D. Anton Vegus, Professors der Medicin in Jena. Pingitzer’s jüngster Sohn, Karl Günther – das nahe Ende seines seit Längerem bettlägerigen Vaters nicht ahnend – hielt gerade an dem Tage (20. Juli 1619) zu Naumburg fröhliche Hochzeit, an dem jener starb.

Obwohl von Geburt Salzburger, zählte P. seiner Zeit zu den tüchtigsten Juristen Sachsens, dem er seit seinen Jugendjahren mit kurzen Unterbrechungen zeitlebens angehörte. Daneben besaß er (wie Le Roi in seinen Biographien der Helmstädt’schen Rechtslehrer hervorhebt) einen durchweg ehrenhaften Character, ein gefälliges Wesen und eine hinreißende Beredsamkeit, wovon er auf Landtagen und Zusammenkünften öfters Zeugniß gab. Die schriftstellerische Thätigkeit unseres Gelehrten verfolgte praktische Ziele. Wir besitzen von ihm außer ein Paar Disputationen zwei größere Werke. Das eine führt den Titel: „Responsorum s. consiliorum decas una“ und erschien zuerst 1580 in Frankfurt, Fol., dann 1684 zu Stuttgart, 4°, und in 3. Aufl. 1694 wieder in Frankfurt, 4°, wenn es sich hier nicht (wie Le Roi vermuthet) bloß um ein neues Titelblatt [152] der zweiten Auflage handelt. Vorangestellt sind zwei Reden, „de vita Baldi de Ubaldis“, gelegentlich einer Jenenser Doctorpromotion gehalten, und „de praecipuis utilitatibus Institutionum Justin. Imp.“, womit P. 1576 in Helmstädt seine Institutionen-Vorlesung begann. Das zweite Werk „Illustrium quaestionum Saxonicarum decades sex“ (Gerae 1607, 4°) verdankt seine Entstehung seiner Gerichtspraxis und enthält sechzig Rechtsfälle sächsischer Gerichtshöfe. P. dictirte sie seinen Zuhörern; einer derselben verkaufte sein Collegienheft an den Drucker Spies in Gera, und so gelangte die Sammlung in die Oeffentlichkeit[WS 1]. – P. beabsichtigte ferner, wie er in der Zuschrift vor der vita Baldi berichtet, einen ausführlichen Commentar über den Digestentitel: „De verborum significatione“ zu fertigen, und hatte bereits in Helmstädt den Entwurf dazu gemacht; allein der Commentar blieb unvollendet.

Stintzing, Gesch. d. deutschen Rechtswissenschaft I, 715 u. 716 und die daselbst Genannten: Zeumer, dann Du Roi im Archiv f. die theoretische und praktische Rechtsgelehrsamkeit, 1. Thl. (1788, S. 116–120), woselbst auch ein Verzeichniß der Schriften Pingitzer’s (S. 121–123) und eine Zusammenstellung der älteren über ihn vorhandenen Litteratur (S. 123 u. 124).


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Oeffentkeit