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Artikel „Philipp Sigismund“ von Karl Ernst Hermann Krause in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 26 (1888), S. 69–71, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Philipp_Sigismund&oldid=- (Version vom 10. Oktober 2024, 20:20 Uhr UTC)
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Philipp Sigismund, postulierter Bischof von Verden und Osnabrück, war als zweiter Sohn des Herzogs Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel am 1. Juli 1568 geboren, † am 19. März 1623. Eigentlich sollte er das Bisthum Minden erhalten, auf welches sein Bruder, Herzog Heinrich Julius, zugleich Bischof von Halberstadt, am 25. September 1585 zu seinen Gunsten verzichtete. Da sich aber die Wahl wegen der Capitulationsbedingungen verzögerte, [70] wurde er am 16. September 1586 als Nachfolger Eberhards (s. A. D. B. V, 547) zum Bischof von Verden gewählt. Die päpstliche Bestätigung hat er nie nachgesucht, die kaiserliche provisorische Belehnung anscheinend auch erst 1598 erhalten, regierte aber trotzdem unangefochten. 1591 wurde er auch zum Bischof von Osnabrück postuliert und beherrschte nun beide Bisthümer, war außerdem Domherr zu Magdeburg und Bremen, seit 1589 Nutznießer dreier Hoya’scher Aemter nahe Verden aus des Vaters Erbe und seit 1598 Dompropst zu Halberstadt. Er war also ein wohlsituierter Herr, dessen Wünschen gelegentlich auch die Hausmacht von Braunschweig und Lüneburg Nachdruck verleihen mochte, dazu ein freilich friedliebender aber energischer und den Kleinlichkeiten seiner Domcapitel gegenüber auch sehr eigenwilliger Regent, prachtliebend im Geschmack seiner Zeit. Selbst gegen das kaiserliche Mandat, einen Katholiken zu wählen, hat ihn das Osnabrücker Capitel in den bösen Zeitläuften grade seiner Macht wegen erkoren; trotzdem konnte er die wechselnden Einbrüche der Niederländer (1595) und der Spanier (1598) in das Stift und deren gewaltthätige Schatzungen nicht abwenden. Die Stadt Osnabrück mußte den Spaniern 9000 Thlr. zahlen. P. S. war ein treuer Lutheraner, wenn erzählt wird, er habe in Osnabrück erklärt, vielleicht wolle er katholisch werden, so ist das nur Sage. Das Capitel wußte genau, daß er protestantisch bleiben werde; auch den von einem päpstlichen Legaten ihm nahe gelegten geheimen Uebertritt, wonach er vom Papst confirmirt werden sollte, lehnte er ab; treu aber hielt er dem Capitel das Versprechen, nichts gegen den katholischen Ritus zu unternehmen, er schützte sogar den bestehenden Zustand, wo Klage an ihn kam. In Verden suchte er eine neue Kirchenordnung, die in Lemgo 1606 gedruckt ist, durchzuführen, da die verschollene Eberhard’s nur kurze Grundzüge gegeben zu haben scheint und sich Abweichungen im Ritus zeigten. Die seinige war gut, aber das protestantische Domcapitel, die Ritterschaft und die Stadt Verden opponirten. Als er sie 1605 gewaltthätig einführte, kam sie, bei passiven Widerstande, doch nie völlig in Uebung. In Osnabrück förderte er die Stiftung des protestantischen Gymnasiums durch den Rath mit Wohlwollen, und am Ende seiner Regierung waren ohne sein Zuthun fast alle Pfarren des Landes protestantisch besetzt. Im Stift Verden suchte er das verrottete Münzwesen vergeblich in Ordnung zu bringen; er ahnte noch nicht, daß die Kleinstaaterei solche Reformen unmöglich mache; dagegen brachte er in Osnabrück die für die dortige Hausindustrie so wichtigen Leinen-Leggen zu gedeihlicher Entwicklung, die sich bis in die neueste Zeit erhalten haben. Er residierte wechselnd in Iburg, Verden und Rothenburg, dessen Burg er mit großen Kosten neu erbaute. Seine Liebe zur Musik und deren Förderung wird hervorgehoben, die Malerei förderte er, wenn auch nicht im besten Geschmack. 50 Bischofbilder mit werthlosen Versen Eilarts v. d. Hude (s. A. D. B. XIII, 277. 795) ließ er im Dome zu Verden anbringen und bezahlte jedes mit 10 Thlr., und ebenda erbaute er schon 1594 ein kostbares Grabmonument für seinen Vorfahren Georg (s. A. D. B. VIII, 635) und sich selber. Pfannkuche nennt es ein Kunstwerk; bei der brutalen sog. Restauration des Domes durch den Baumeister Leo Bergmann wurde es 1829 versetzt und verwüstet. Im Stifte Verden und seinen Hoyaschen Aemtern regierte er in glücklichem Frieden, in Osnabrück sah er sein Land noch einmal 1615 durch die Söldner verwüstet, welche Graf Heinrich Friedrich von Nassau dem Neffen des Bischofs selbst zur Belagerung Braunschweigs zuführte. Als die ersten Wehen des 30jährigen Krieges in den Zügen von Phillips Neffen, Christian von Halberstadt, und des kaiserlichen Obersten Grafen Johann Jacob von Anholt (1622–1623) auch über Osnabrück hinbrausten, war P. meist in Verden, und als er Osnabrück dann besuchen wollte, starb er in Iburg, die Leiche wurde im [71] Verdener Dome beigesetzt. Am wichtigsten für die Geschichte ist P. durch die Bestimmung seiner Nachfolge in Verden geworden. Herzog Christian von Lüneburg (1611–33), Wilhelms zweiter Sohn, seit 1599 schon Bischof in Minden, hatte wohl Aussicht, auch dort die Succession zu erreichen und das Stift selbst definitiv Lüneburg einzuverleiben. Aber seine Weigerung, P. die Bestätigung des Lüneburger Abtes bei der Erledigung der Stelle 1617 zuzugestehen, brachte den leidenschaftlichen Fürsten zu dem Entschlusse, dem andrängenden Könige Christian IV. von Dänemark nachzugeben und dessen Sohn Friedrich, der seit 1615 schon Verdenscher Canonicus war, den späteren König Friedrich III., am 12. März 1619 zum Coadjutor und Nachfolger anzunehmen. So hatte der dänische König seine Vorposten an die Aller und Weser vorgeschoben. Auch in Osnabrück wäre Friedrich wohl durchgesetzt, wenn P. länger gelebt hätte. So wählte aber bei der Nähe der Anholt’schen Truppen das Domcapitel den katholischen Dompropst zu Köln, Cardinalpriester Itel Friedrich von Hohenzollern-Sigmaringen.

Chronicon etc. aller Bischöfe des Stiffts Verden. Fol. S. 228–230. – Pfannkuche, Neuere Geschichte des Bist. Verden. – Stüve, Geschichte und Beschreibung des Hochstifts Osnabrück. – C. Stüve, Geschichte des Hochstifts Osnabrück II. 2. Vaterl. Archiv 1819, S. 187 ff. Neues vaterl. Archiv 1825, S. 304 f., 311 ff. – Zeitschrift des histor. Vereins für Niedersachsen 1854 (1856) S. 340 u. 1855 (1857) S. 379. – Pratje (Altes u. Neues etc. I, S. 102) erwähnt eine in Hinthe in Ostfriesland befindliche Sammlung von 102 Briefen Philipp Sigismunds aus den Jahren 1616–1622.