ADB:Pauw, Adriaen (niederländischer Staatsmann)

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Artikel „Pauw, Adriaen“ von Pieter Lodewijk Muller in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 25 (1887), S. 301–302, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Pauw,_Adriaen_(niederl%C3%A4ndischer_Staatsmann)&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 20:01 Uhr UTC)
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Pauw: Adriaen P., Herr von Heemstede, niederländischer Staatsmann, Reinier Pauw’s (s. u.) ältester Sohn, geboren 1585 in Amsterdam, kam durch des Vaters Einfluß schon in jungen Jahren in die Regierung. 1612 wurde er Rath und Pensionär von Amsterdam und stand mit seinem Vater voran in den Reihen der Opposition gegen Oldenbarnevelt. Das verschaffte ihm im J. 1619 die Stelle eines Curators der Leidener Universität; er hatte die traurige Ehre, die Säuberung der Universität zu vollziehen und Männer wie Bossius und Barlaeus aus ihren Stellen als Professoren und letzteren auch als Regent des Staatencollegiums (des Theologenconvictes) zu entsetzen. Schon früh mit diplomatischen Missionen von den Generalstaaten betraut, nahm P. als Gesandter in Frankreich, England, Dänemark und Deutschland großen Antheil an der auswärtigen Politik der Staaten. die er bald neben dem Prinzen Friedrich Heinrich zu führen hatte, als er 1631 zum Rathspensionär von Holland erwählt wurde. In den ersten Jahren nach Oldenbarnevelts Fall tief heruntergekommen erhielt das Amt durch P. wieder einigermassen die Wichtigkeit, welche es vorhin besessen. Wahrscheinlich war es eben darum, daß der Prinz ihn mit de Knuyt im J. 1635 durch die Unterhandlung über das bekannte Schutz- und Trutzbündniß in Frankreich nach Paris zu entfernen suchte und seine Abberufung zu hintertreiben wußte. P. legte darum 1636 seine Stelle als Rathspensionär nieder, behielt aber, als Abgeordneter von Amsterdam nicht allein in den Staaten von Holland sondern auch als Mitglied der holländischen Deputation in den Generalstaaten noch einen maßgebenden Einfluß. 1646 wurde er Deputirter zum Friedenscongreß in Münster und nahm an dem Lauf der Unterhandlungen als Vertreter der Friedenspartei lebhaften Antheil; die Franzosen beschuldigten ihn, gewiß mit Unrecht, sich den Spaniern verkauft zu haben. Sein Ansehen stand jetzt hoch; er ward 1649 an die Spitze der Gesandtschaft gestellt, welche, das Leben König Karls I. zu retten, vergeblich nach England abgeschickt wurde. Wenn er auch nicht zu den Gegnern Oraniens gehörte, so vertrat P. damals doch eine Politik, welche in ihren Principien der von Oldenbarnevelt näher stand, und durchaus abwich von der demokratisch-calvinistischen, welche im J. 1618 von Moritz von Oranien, Aerssens und Pauw’s Vater zum Siege geführt war. Letztere war eben in Amsterdam völlig zu Boden geschlagen, eben in jener Stadt hatten jetzt die Libertiner ihren Hauptort, die Remonstranten fanden dort [302] zuerst Schutz, der Frieden mit Spanien fand des Handels wegen den stärksten Anhang. Und das Interesse seiner Stadt galt P. so zu sagen als das Interesse des Landes. Als Wilhelm II. seinen verfehlten Staatsstreich gegen Amsterdam führte, verblieb P. in der Neutralität, welche ihn auch an dem schroffen Auftreten der Bicker und der anderen Amsterdamer Regenten keinen Theil nehmen ließ; doch als dann der Prinz gestorben und der Rathspensionär Cats nach Abhaltung der „Großen Versammlung“ seine Stelle niedergelegt hatte, ließ P. sich nach langem Sträuben und unter eigenthümlichen Bedingungen, namentlich um einer Wiederholung des Verfahrens der Jahre 1618 und 1619 vorzubeugen, 1651 aufs Neue zum Rathspensionär ernennen. Im nächsten Jahr versuchte er als außerordentlicher Gesandter vergebens den Krieg mit England abzuwenden und kam durch seinen Eifer für den Frieden in Verdacht, im Geheimen mit den Engländern zusammenzuhalten aus Feindschaft gegen das oranische Haus. Das Volk wollte sein Haus in Amsterdam und sein Schloß in Heemstede plündern; wogegen die Staaten ihn in ihre Protection nahmen. Nicht lange nachher, am 21. Februar 1653 ist er gestorben, den Ruf eines fähigen, wenn auch nicht immer groß denkenden und handelnden, etwas kleinlichen und nicht immer energischen und uneigennützigen Staatsmannes mit ins Grab nehmend. Den Fürsten und großen Herren und höfischen Diplomaten in Frankreich, England und Deutschland gegenüber erschien Pauws Auftreten als Gesandter etwas holperig und steif, wie Wicquefort sagt: P. war schon kein Kaufmann mehr, bloß Regent, wenn er auch das väterliche Vermögen eifrig vermehrte. Von seinen fünf Brüdern war der zweite, Michel (geb. 1590), der Stifter einer eigenen kleinen Pflanzung „Pavonia“ am Hudson im jetzigen New Jersey, welche er aber 1637 der Westindischen Compagnie verkaufte; der dritte, Reinier, (geb. 1591) war nicht weniger als 55 Jahre lang Mitglied und Präsident des Hohen Rathes (Appell- und Cassationshof) von Holland und Seeland; der vierte, Cornelis (geb. 1593) wurde zwanzigjährig der ersten niederländischen Gesandtschaft in Constantinopel attachirt, dann Consul in Aleppo und 1631 Gesandter beim König Gustav Adolf, den er auch auf seinem Siegeszuge begleitete, wie er auch später die Verbindungen der Republik mit Oxenstjerna vermittelte, einer der ersten Diplomaten von Beruf, welche die niederländische Geschichte zählt.

Vergl. Aitzema, Saeken van Staet en Orlogh. – Wicquefort, Hist. des Prov. Unies und L’Ambassadeur. – Wagenaar’s Amsterdam. und Vaderl. Gesch. und die Noten des van Wyn zu derselben. – Vreede, Gesch. d. Nederl. Diplomatie. – Arend, v. Rees, Brill & v. Vloten: Alg. Gesch. d. Vaderl. – Tydeman, De zee betwist. – Koenen in Nijhoff’s Bijdragen VI & VII.