Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Ostertag, Johann Philipp“ von Richard Hoche in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 24 (1887), S. 521–523, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ostertag,_Johann_Philipp&oldid=- (Version vom 22. November 2024, 08:20 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Ostertag, Albert
Nächster>>>
Osterwald, Georg
Band 24 (1887), S. 521–523 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Johann Philipp Ostertag in der Wikipedia
Johann Philipp Ostertag in Wikidata
GND-Nummer 118021591
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|24|521|523|Ostertag, Johann Philipp|Richard Hoche|ADB:Ostertag, Johann Philipp}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118021591}}    

Ostertag: Johann Philipp O., Philologe, Mathematiker und Schulmann, 1734–1801. Er wurde in Idstein in Nassau als der Sohn eines Stadtpfarrers und Consistorialraths am 30. Mai 1734 geboren, erhielt seinen ersten Unterricht durch den Vater und besuchte sodann das damals in Idstein bestehende Gymnasium, dessen Scholarch und Rector Joh. Michael Stritter, seiner Mutter Bruder, war. Durch diesen empfing er eine lebhafte Anregung für Mathematik [522] und Astronomie („er wurde mein Mystagog“), aber auch gute philologische Bildung. 1751 verließ O. das Gymnasium und begab sich nach Jena, um dort nach dem Wunsche des Vaters Theologie zu studiren; schon hier trieb er daneben ausgedehnte mathematische und philologische Studien, noch mehr in Gießen, wohin ihn namentlich der Ruf des Mathematikers Böhm zog. Hier hörte er auch canonisches Recht beim Kanzler Pfaff, begann auch als Privatdocent Vorlesungen zu halten. Als er im J. 1755 in die Heimath zurückkehrte, trug ihm der damalige nassau-weilburgische Regierungspräsident v. la Potterie die Conrectorstelle am Landesgymnasium in Weilburg an; er folgte dieser Berufung, wurde bald zum Prorector befördert und bereits 1763 zum Rector der Schule ernannt. In dieser Stellung hatte er freie Hand, die Verhältnisse der ihm anvertrauten Schule neu zu gestalten; als einer der ersten unter den deutschen Schulmännern führte er den Unterricht in der Mathematik und Physik ein, legte eine Sammlung physikalischer Geräthe an, erweiterte den deutschen Unterricht, ordnete die Schulzucht und die äußeren Verhältnisse der Lehrer, erweiterte aber auch den Lehrplan der Schule in einer jetzt kaum noch verständlichen Weise durch Einführung von Vorlesungen über „neuere politische Geschichte, Statistik, Aesthetik, Redekunst“; auch Lehrer für Tanzkunst, Musik, Französisch, Reitkunst etc. wurden von ihm angestellt. Die Schule gewann durch diese Einrichtungen weit verbreiteten Ruf; selbst Ausländer kamen vielfach, um sich „zum Berufe des Officiers, des Kaufmanns und des Künstlers vorbereiten zu lassen“. Dieser Umstand veranlaßte die mehrfachen Berufungen Ostertag’s in auswärtige Stellungen; 1774 nahm er die ihm angetragene Stelle des evangelischen Predigers im Haag zwar an, zog aber seine Annahme im letzten Augenblicke wieder zurück; auch das Anerbieten des hessen-darmstädtischen Ministers Karl v. Moser, die Superintendentur in Darmstadt oder eine Professur in Gießen zu übernehmen, lehnte er „seines Gönners Schicksal ahnend“ ab. Dagegen folgte er 1776 der Berufung seitens des Rathes der freien Stadt Regensburg in das Rectorat des dortigen evangelischen Gymnasiums und hat dieses Amt bis an seinen Tod beibehalten, wenngleich wiederholt Einladungen in andere, namentlich akademische Aemter an ihn ergingen. Als vielseitiger Gelehrer und vorzüglicher Lehrer fand er auch in Regensburg bald allgemeine Anerkennung; vornehmlich aber wußte er durch sein kraftvolles Regiment die ihm unterstellte Schule nach Innen und Außen zu heben. Man rühmt von ihm ganz besonders, daß er die Schwierigkeiten, welche wegen der Ansprüche der Mitglieder des ständigen Reichstages vielfach erwuchsen, mit ruhiger und unparteiischer Festigkeit zu überwinden gewußt, daß ihm „die Mahlzeit bei Vornehmen die Zunge nicht gelähmt“ habe. Er starb am 21. December 1801. – Die überaus zahlreichen wissenschaftlichen Arbeiten, durch welche sich O. einen Namen gemacht hat, zerfallen in der Hauptsache in zwei Gruppen; die eine umfaßt die Uebersetzungen alter Schriftsteller, vornehmlich römischer Historiker (Euripides Phönissen 1771, Justinus 1781, Suetorius, 2 Bde., 1788, 1789, Scriptores Historiae Augustae, 2 Bde., 1790, 1793, Livius, 10 Bde., 1790–1798, Curtius, 2 Bde., 1783, 1786, Lucanus, Bd. I, erschienen 1811 u. a.), welche zum Theil in mehreren Auflagen erschienen und auch wegen der beigefügten erläuternden Anmerkungen noch jetzt Beachtung verdienen; die zweite Gruppe bilden die Schriften über mathematische, astronomische und physikalische Probleme des Alterthums, wie die „Commentatio philologico-physica de Jove Elicio“, 1775; „De Scaphiis veterum“, 1778; „De auspiciis et acuminibus“, 1779; „Ueber die Scaphien der Alten und zwar von ihrem gnomonischen Gebrauche“, 1780; „Ueber die Berechnung der Zinsen bei den Griechen und Römern“, 1784; „Antiquarische Abhandlung über die Gewitter-Electricität“, 1785; „Ueber den ehemaligen auf dem Marsfelde zu Rom [523] gestandenen gnomonischen Prachtkegel“, 1785; „Ueber den Ursprung der Sternbilder und die daraus zu erklärende Mythologie“, 4 Hefte, 1787–90; „Ueber das Verhältniß der Maaße der Alten zu den heutigen Maaßen und ein bei allen Nationen einzuführendes Eichmaaß“, 4 Hefte, 1791–94 etc. Diese letzteren Schriften, welche ein damals sehr wenig bekanntes Gebiet eröffneten und noch jetzt mehr als blos historischen Werth haben, trugen O. die Mitgliedschaft der königlich baierischen Akademie ein. Dagegen sind die zahlreichen Predigten und Reden über die verschiedensten Gegenstände (u. a. eine Festrede über den Urang-Otang 1770) in Vergessenheit gerathen. – Eine ziemlich umfangreiche „erste Sammlung“ seiner kleinen Schriften gaben 1810 seine Freunde Bösner[WS 1], v. Seckendorf und Kayser heraus, die Fortsetzung ist nicht erschienen. Dort findet sich auch ein vollständiges Verzeichniß seiner Schriften S. XXIII–XXVIII, sowie ein Anhang über das Regensburger Keplerdenkmal, um dessen Errichtung O. das Hauptverdienst hatte.

Wieland, Deutscher Merkur, Januar 1802. – Gampert, Fürstl. primat. Consistorialrath, biographische Einleitung zu der oben genannten Auswahl aus Ostertag’s Schriften, S. VII–XXII. – Eichhoff, Gesch. d. Landesgymn. in Weilburg, 1840. – Wiese, D. höh. Schulwesen in Preußen II, S. 473.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Bösser