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Artikel „Oeglin, Erhard“ von Karl Steiff in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 24 (1887), S. 177–179, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Oeglin,_Erhard&oldid=- (Version vom 22. November 2024, 00:08 Uhr UTC)
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Oeglin: Erhard Oe. (Ocellus), ein namhafter Buchdrucker in Augsburg am Anfang des 16. Jahrhunderts. Ueber seine persönlichen Verhältnisse hat man bis jetzt nicht viel weiter gewußt, als daß er aus Reutlingen gewesen, wie er selbst in einem seiner Drucke sagt, und daß er von 1505 bis 1518 in Augsburg gedruckt hat. Auch über die Bedeutung seiner Thätigkeit findet man z. Th. falsche z. Th. verschieden lautende Angaben, so daß wir nothgedrungen etwas ausführlicher sein müssen. Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß unter den Buchdruckern, welche Ochs, Geschichte der Stadt und Landschaft Basel V, S. 129 aus den Basler Listen neuangenommener Bürger verzeichnet hat, sich ein „Erhard Eglin von Rüttlingen“ befindet, der im Jahr 1491 das Bürgerrecht erhielt. Dies ist natürlich der spätere Augsburger Drucker. Derselbe scheint übrigens in Basel nur in fremden Werkstätten thätig gewesen zu sein, da sein Name auf keinem der bekannten Basler Drucke vorkommt. Sodann ist in der allgemeinen Matrikel der Universität Tübingen unter dem 2. December 1498 ein Erhardus Oeglin de Thuwingen, zugleich mit Symon Oeglin de Thuwingen eingetragen und trotz der abweichenden Bezeichnung der Heimath, die sich recht wohl erklären läßt, ist es außer Zweifel, daß wir auch hier eine Spur unseres Meisters vor uns haben; es sei hiefür nur angeführt, daß auch Symon Oe. später in Augsburg, als Buchhändler, vorkommt. Oeglin’s Aufenthalt in Tübingen hängt vielleicht mit der eben im Jahr 1498 durch seinen Landsmann Johann Otmar erfolgten Errichtung der ersten Presse in genannter Stadt zusammen; und da er seinen ersten Augsburger Druck im Verein mit diesem Otmar herausgegeben hat, so ist wohl auch sein Auftreten in der Reichsstadt am Lech durch des Letzteren im Jahr 1501 geschehene Uebersiedlung dorthin veranlaßt worden. Als Genosse Otmar’s erscheint Oe. übrigens nur in jenem einen Druck; dagegen war er während des Jahrs 1508 mit dem minder bedeutenden Buchdrucker Georg Nadler verbunden und es ist eine Reihe von Werken aus dieser gemeinsamen [178] Presse hervorgegangen. Die ganze übrige Zeit hat er für sich allein gedruckt; er hat sich dabei als Druckerzeichens eines Signets bedient, das auf schwarzem Grund eine Lilie (nicht einen Anker) und links und rechts davon unten die Buchstaben E und O zeigt. Was nun die Bedeutung seiner Thätigkeit betrifft, so ist dieselbe in verschiedenem Betracht eine hervorragende zu nennen. Nicht sowohl hinsichtlich der Zahl der von ihm gedruckten Werke. Denn so wie man dieselben bei Panzer, Annal. typogr. VI, p. 134–147. (170) und Zapf, Augsburgs Buchdruckergeschichte II, S. 17–96. 199. 202, außerdem aber in Weller’s Repert. typogr. (s. Register) und dessen 1. Supplement, ferner im Serapeum XXIII, 1862, S. 115 Nr. 13, in Brunet’s Manuel du libraire, 5. éd., V, col. 961 und bei Gisi, Incunabeln der Kantonsbibliothek Solothurn I, 1886, S. 48 verzeichnet findet, beträgt die Gesammtzahl der Oeglin’s Namen tragenden Drucke 36; es sind der Mehrzahl nach Volksschriften, dann namentlich auch humanistische und musikalische Werke. Aber schon was die technische Ausführung anbelangt, sind seine Leistungen höchst bedeutend. Butsch, dem jedenfalls eine seltene Zahl von Augsburger Drucken jener Zeit zur Vergleichung vorlag, sagt darüber in seiner Bücherornamentik der Renaissance (I.) S. 22: „Oe. lieferte mit diesem (sc. Nadler) zusammen die technisch vollendetsten Erzeugnisse unter allen zeitgenössischen Augsburger Buchdruckern“ und „Kein Augsburger Buchdrucker des 16. Jahrhunderts hatte Typen, welche an Schönheit den Oeglin’schen gleichkamen“; diese Typen aber hatte Oe., der nebenbei auch Schriftgießer war, selbst gefertigt. Aber auch von dieser hübschen Ausführung abgesehen sind einzelne seiner Drucke noch besonders bemerkenswerth. Wir meinen nicht das „Elementale introductorium in hebraeas literas“ von 1514; denn wenn von demselben behauptet wird, selbst in Werken über die Geschichte des Buchdrucks, daß es der erste hebräische Druck in Deutschland gewesen sei, so ist dies durchaus falsch. Richtig ist nur, was natürlich nichts besagen will, daß es der älteste Augsburger Druck dieser Art ist; innerhalb Deutschlands aber waren vorher schon in Erfurt (1501–1502), in Straßburg (1504) und in Tübingen (1512) hebräische Texte gedruckt worden. Mehr verdient die aus Oeglin’s Presse hervorgegangene Flugschrift: „Copia der Newen zeytung auß Presilg Landt“ (um 1505 erschienen) eine Erwähnung; denn es ist, wenn man so will, die allererste Zeitung d. h. die erste Veröffentlichung im Druck, welche den Namen Zeitung führt. Vor allem wichtig sind aber die musikalischen Druckwerke: „Melopoiae s. harmoniae tetracenticae per Petrum Tritonium et alios compositae“, 1507, „Stella Musicae“ herausgegeben von Vitus Bild, 1508 und das Liederbuch von 1512. Bleiben wir zunächst bei letzterem stehen, das unter dem Namen „Oeglin’s Liederbuch“ bekannt ist, so hat dasselbe für sich besonders darum hohes Interesse, weil es die älteste gedruckte Sammlung deutscher Lieder ist, die wir kennen, und überhaupt die älteste deutsche Liedersammlung mit durchgängig vierstimmigem Satz. Es enthält 49 Lieder meist weltlichen Inhalts, die hier alle zum ersten Mal erscheinen, und verräth, was die Melodien betrifft, nach dem Urtheil der Sachverständigen in der Auswahl guten Geschmack, ist auch durch künstlerischen Schmuck, durch Holzschnitte von der Hand H. Burckmair’s ausgezeichnet. Es verdiente gewiß, in der „Publication älterer Musikwerke“, Band IX 1880, von R. Eitner und J. J. Maier neu herausgegeben zu werden. Was aber allen drei Musikdrucken Oeglin’s in gleicher Weise Bedeutung verleiht, ist das Verfahren, durch das sie (und zwar nicht bloß das Liederbuch, wie R. Eitner behauptet) hergestellt sind. Denn während früher die Noten zum Behuf des Drucks in Holztafeln geschnitten wurden, ist hier zum ersten Mal in Deutschland Gutenberg’s Erfindung auch auf den Musikdruck ausgedehnt d. h. die Noten sind mit gegossenen [179] beweglichen Typen gedruckt worden. Wohl war das Verfahren noch weit umständlicher als das heutige, indem erst die Linien und dann auf diese die Noten gedruckt wurden; aber doch bezeichnete dasselbe gegenüber der früheren Art einen bedeutenden Fortschritt und fand darum schnell in weiten Kreisen Aufnahme. Man streitet darüber, nicht, ob Oe. der erste Erfinder gewesen ist - denn diese Ehre kommt unzweifelhaft dem Italiener Ottaviano dei Petrucci zu, der schon 1498 in Venedig ein Privilegium dafür erhalten hat – wohl aber, ob Oe. von sich aus auf den Gedanken gekommen ist und im einzelnen ein etwas anderes Verfahren als Petrucci angewandt hat oder nicht. Letzteres wird sich vielleicht nicht mehr ausmachen lassen. Was aber die Frage nach der Selbständigkeit der Erfindung betrifft, so ist es wohl von Bedeutung, daß in einem den Melopoiae angehängten Carmen ausdrücklich gesagt wird, er sei „inter Germanos“ der erste gewesen, welcher mit metallenen Notentypen gedruckt habe. Darnach scheint es doch, daß man damals in Augsburg von der Erfindung des Italieners Kenntniß gehabt hat und daß Oe. durch dieselben erst angeregt worden ist. Wenn aber andererseits in demselben Werke die Ausführung des Drucks in bemerkenswerther Weise seinem „ingenium“ zugeschrieben wird, so wird er das Nähere des Verfahrens nicht durch Vermittlung Dritter kennen gelernt, sondern in selbständiger Weise ausgedacht haben. Seien es nun diese Leistungen Oeglin’s im Musikdruck, sei es die Schönheit der von ihm gegossenen Typen, wodurch er sich bemerklich machte: er hatte jedenfalls schnell die Aufmerksamkeit von Männern wie Peutinger auf sich gezogen und ward, wohl durch des Letzteren Vermittlung, bald sogar mit Aufträgen für den Kaiser Maximilian I. betraut; u. a. hatte er für denselben einen „wälische Schrift“ (Antiqua?) zu fertigen. Aus diesen Aufträgen ist es wohl zu erklären, daß er sich in der von ihm gedruckten Beschreibung des Reichstags zu Augsburg von 1510 „K(aiserlicher) M(ajestät) Buchtrucker“ nannte. Wir möchten auch vermuthen, daß er jener geschickte Schriftgießer war, den Peutinger an der Hand hatte und von dem selbst ein Aldus in Venedig Typen bezogen haben soll. Von alledem hatte freilich unser Meister wenig Gewinn für sich; er war und blieb, wie ihn Peutinger einmal nennt, „ein armer Geselle“ und kam aus den Schulden, wie es scheint, nie heraus. Mit der Zeit scheint es auch in seinem Geschäft mehr rückwärts als vorwärts gegangen zu sein (einmal, 1513 erhielt er aus unbekanntem Anlaß vom Magistrat sogar einen Ausweisungsbefehl, der übrigens nicht aufrecht erhalten wurde) und da aus dem Jahr 1517 gar kein Druck mehr von ihm bekannt ist, aus dem Jahr 1518 nur noch einer, so ist nicht einmal gewiß, ob Krankheit und Tod und nicht vielmehr finanzielle Bedrängniß das Ende seiner Thätigkeit herbeigeführt hat.

Vgl. außer den erwähnten Quellen besonders: Th. Herberger, Conrad Peutinger in seinem Verhältniß zum Kaiser Maximilian I., 1850, S. 13, Anm. 39 und S. 26. Das Facsimile von Oeglin’s Druckerzeichen sowie eine Probe seines Notendruckes findet man in der erwähnten neuen Ausgabe des Liederbuchs von 1512.