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Artikel „Nonne, Ludwig“ von Binder. in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 23 (1886), S. 766–768, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Nonne,_Ludwig&oldid=- (Version vom 23. Dezember 2024, 07:57 Uhr UTC)
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Nonne: Dr. Karl Ludwig N., geboren zu Hildburghausen am 6. December 1785, † am 17. Juli 1853. Schon im Alter von drei Jahren verlor N. seinen Vater, der Justizbeamter war; seine erste Erziehung erhielt er bei einem Landpfarrer in der Nähe von Hildburghausen; dann absolvirte er das Gymnasium zu Coburg, besuchte die Universität Jena, wo er Theologie und Philologie studirte, und kehrte nach Vollendung seiner Universitätsstudien als Doctor der Philosophie nach Hildburghausen zurück. Hier erkannte man seitens der Regierung bald seine außerordentlichen Talente, und N. trat, nachdem er einen an die Universität Jena erhaltenen Ruf abgelehnt hatte, kaum 23 Jahre alt, 1808 in die oberste Kirchen- und Schulbehörde des Landes als Schulrath ein. Nach der Errichtung eines Unterrichtsinstitutes für Knaben und Mädchen der gebildeten Stände in Hildburghausen, dessen Leitung er auch übernahm, ging er im Auftrage des Herzogs Friedrich zu Pestalozzi, um dessen Methode kennen zu lernen und dieselbe in Hildburghausen in Anwendung zu bringen. Bald nach seiner Rückkehr ward N. Director des Lehrerseminars seiner Vaterstadt, oberster Vorstand des gesammten Schulwesens des Herzogthums und später 1819 Hofprediger. Bei dem 1826 erfolgten Anfall des Landes an Meiningen blieb N. bis zum Jahre 1836 Director der durch Vereinigung des Meininger und des Hildburghauser Lehrerseminars erweiterten Lehrerbildungsanstalt und bis 1838 Chef des Unterrichtswesens in den neuverbundenen Landestheilen; ferner trat er nach der Verbindung des Consistoriums zu Meiningen mit dem zu Hildburghausen als erster geistlicher Rath unter Ernennung zum Oberconsistorialrath an die Spitze des Kirchenwesens; außerdem bekleidete N. das Amt eines Ephorus, war Oberpfarrer zu Hildburghausen, Vorsitzender des Predigervereins und Director des genannten, von ihm gegründeten Instituts. – N. ist als der Reformator des Volksschulwesens im Hildburghauser Lande inmitten trauriger Zustände desselben zu betrachten. Nach seiner 1808 erfolgten Ernennung zum Schulrath suchte er sich für seine reorganisatorische Aufgabe auf diesem Gebiete durch persönliche Berührung mit Pestalozzi dessen Lehrweise und pädagogischen Erfahrungen anzueignen. Auf der 1809 unternommenen Reise zu Pestalozzi ging er zunächst nach Heilbronn zu dem damaligen württembergischen Schulinspector Karl August Zeller, wo er für das Aeußere der Schuleinrichtung, sowie für das Mechanische des Unterrichts vielfache Belehrung, insbesondere aber, da Zeller pädagogische Curse für Lehrer und Geistliche abhielt, an ihm ein Vorbild für die von ihm selbst nachher veranstalteten außerordentlichen Curse gewann. Im März 1809 langte N. in Iserten bei Pestalozzi an, dessen Didaktik und Schuleinrichtung er sich bald zu eigen machte. Auf seiner Rückreise verweilte er noch einige Zeit bei drei Pestalozzianern, bei Philipp Emanuel Fellenberg in Hofwyl, bei Michael Traugott Pfeiffer in Aarau und bei Hans Georg Nägeli in Zürich, welch beide letzteren die Pestalozzi’sche Idee über Gesangbildungslehre zu verwirklichen suchten. Mit reichen Erfahrungen ausgerüstet ging N. nach seiner Rückkehr in die Heimath rasch an’s Werk; an dem erwähnten, von N. gegründeten Institut wurde nun die erste Probe mit Pestalozzi’s Methode gemacht, dann aber übertrug N. dieselbe auf das weitere Gebiet der Lehrerbildung: 1810 wurden auf seinen Betrieb alle Lehrer und Schulamtscandidaten des Landes zu einem am 4. März eröffneten, sogenannten außerordentlichen Cursus nach Hildburghausen einberufen, und im Herbste desselben Jahres folgte ein zweiter solcher Cursus nach. Diese Curse besuchten dreißig-, fünfzig- und selbst sechzigjährige Lehrer, darunter auch Geistliche, und es gelang N., in allen das Interesse für die neue Lehrweise anzufachen [767] und das Gefühl der Bedeutung ihres Berufes zu steigern. Nachdem so die Grundlage einer allgemeinen, besseren Lehrmethode gelegt war, schritt N. an die Reorganisation der Schulen selbst; nach Ablauf von kaum zwei Monaten waren sämmtliche Schulen des Herzogthums in ihren inneren und äußeren Einrichtungen nach Nonne’s Intentionen eingerichtet, und dies alles vollzog sich ohne hinausgegebene Instructionen und Rescripte, bloß durch die persönliche Wirksamkeit Nonne’s selbst. Bis 1819 war Nonne’s Thätigkeit allein dem Unterrichtswesen zugewendet gewesen; in diesem Jahre wurde er, wie erwähnt, Hofprediger; indessen behielt er alle ihm bei der obersten Behörde in Kirchen- und Schulangelegenheiten zufallenden Geschäfte bei. Nach der erwähnten, 1826 erfolgten Vereinigung von Sachsen-Hildburghausen mit Meiningen entfaltete sich das organisatorische Talent Nonne’s, der mit der Neugestaltung des Schulwesens der verbundenen Landestheile beauftragt war, in erstaunlichem Maße; auch hier berief jetzt N. im Herbst 1827 die Präceptoren und Schulamtscandidaten, die noch keine vollständige Seminarbildung erhalten hatten, mit den Zöglingen des Meininger Seminars zu einem außerordentlichen Cursus zusammen mit dem gleichen Erfolge, wie er ihn 16 Jahre zuvor errungen hatte. Nun nahm N. die Verbesserung des gesammten Schulwesens in Angriff: auf seinen Inspectionsreisen untersuchte und beseitigte er alle Mängel und Mißstände; außer den Staatsmitteln suchte er zur Hebung des Schulwesens besonders die Gemeinden zu kräftiger materieller Beihilfe und die Lehrer zu gesteigerter Thätigkeit zu veranlassen. In den Schulen aller Landestheile wurde ein neuer Lehrplan eingeführt, in den Städten erfolgte eine Neugestaltung der Bürgerschulen mit Anfügung neuer Classen, auf dem Lande erstanden neue Schulhäuser; die sogenannten Präceptorate, entwürdigende Miethdienststellungen für arme Lehrer, wurden in feste Schulstellen umgewandelt, die Lehrergehalte verbessert, Lehrerconferenzen angeordnet u. s. w. Ueberall, wo N. erschien, gewann er durch seine Liebenswürdigkeit die rasche Verwirklichung seiner Ideen, und alle seine neuen Einrichtungen konnte er zumeist sogleich an Ort und Stelle treffen. In allen diesen seinen Bestrebungen fand N. große Unterstützung an dem beim Herzog einflußreichen Oberconsistorialrath Mosengeil zu Meiningen (A. D. B. XXII, 368), der Nonne’s Vorschläge bei dem Herzoge stets warm empfahl. – Auch dem Kirchenwesen wandte N. sein Interesse zu, besonders in gewissen Maßnahmen bezüglich der theologischen Examina, der Fortbildung der Candidaten, sowie der Einführung von Predigervereinen u. s. w. Als einen besonderen Act seiner Wirksamkeit ist noch die 1818 von ihm aus gehende Begründung der 36 Jahre von ihm trefflich geleiteten „Dorfzeitung“ zu erwähnen, eines Volksblattes, das einen ganz neuen Zweig in volksthümlicher Sprache wirkender Zeitungsgattung schuf und allseitige Verbreitung fand. – 1836 trat N., wie erwähnt, von der Leitung des Lehrerseminars zurück, da für dieses Amt ein eigener Director in der Person des von Jüterbogk berufenen Rectors Kern aufgestellt wurde; 1838 wurde auch die bisher N. übertragene Leitung des gesammten niederen und höheren Schulwesens einem besonderen Referenten im Consistorium als Schulrath übertragen, da bei der Weiterentwickelung der Verhältnisse die auf N. ruhende Arbeitslast in der That für eine einzige Kraft zu schwer, aber auch sonstige Gründe für dessen Rücktritt bestimmend geworden waren. N. hatte sich mancherlei Willkürlichkeiten erlaubt und schließlich auch eine die Meininger Bevölkerung verletzende Parteistellung eingenommen; dazu kam noch, daß N. nicht Philologe genug war, um die damals bevorstehende Reform der Gymnasien des Landes einleiten zu können. Von praktischer Arbeit in Anspruch genommen, war es N. überhaupt nicht möglich geworden, den Fortschritten der Wissenschaft [768] zu folgen; auch die spätere Entwickelung des Volksschulwesens in anderen Ländern war ihm fremd geblieben oder er verhielt sich ablehnend gegen sie.

Geschichte des deutschen Volksschulwesens von Dr. Heppe. 5. Bd. – J. B. Heindl, Biographien der berühmtesten etc. Pädagogen und Schulmänner aus der Vergangenheit. – Nekrolog Nonne’s, erschienen in der „Dorfzeitung“ Jahrg. 1854, Nr. 154, sodann im Meininger Tageblatt, Jahrg. 1854. 19. Juli.
Binder.