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Artikel „Neustetter, Erasmus“ von Franz Xaver von Wegele in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 23 (1886), S. 557–558, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Neustetter,_Erasmus_von&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 18:10 Uhr UTC)
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Neustetter: Erasmus N. (Neustätter), gen. Stürmer. Geb. am 7. November 1522 zu Schönfeld im Hochstift Bamberg aus einem der oberfränkischen Ritterschaft zugehörigen Geschlechte, erhielt N. im Hause des ihm nahe verwandten Würzburger Domherrn Daniel Stieber v. Rabeneck, eines ausgezeichneten und humanistisch hochgebildeten Mannes, seine grundlegende Erziehung. Stieber stand mit den hervorragendsten Gelehrten der Zeit, wie z. B. mit Erasmus v. R. und Joachim Camerarius, in engen Beziehungen, die sich zugleich mit der Vorliebe für die humanistischen Studien auf seinen Zögling übertragen haben. Der junge N. war für die kirchliche Laufbahn bestimmt und wurde nach der Sitte der Zeit früh als Capitular in das Ritterstift von St. Burkard zu Würzburg aufgenommen. Auf seine geistige Entwickelung haben dann längere Reisen durch Italien, die Niederlande und Frankreich den günstigsten Einfluß ausgeübt und seine Neigung für die gelehrten Bestrebungen erhöht und gekräftigt. Nach Würzburg zurückgekehrt, wurde N. im April 1545 als Domicellar des Domstiftes aufgeschworen und 1552 trat er förmlich in das Domcapitel ein, nachdem er vorher die Pfründe zu St. Burkard vorschriftsmäßig resignirt hatte. Ganz von selbst verstand es sich, daß er seit seiner Heimkehr als Mittelpunkt aller gelehrten humanistischen Interessen und Beziehungen in der Hauptstadt des Hochstiftes betrachtet und, wo es nöthig war, als Autorität und Patron angerufen wurde. Unter seinen jüngeren humanistischen Freunden, die sich seiner Gönnerschaft erfreuten, seien Petrus Lotichius Secundus, der classisch gebildete Arzt Johann Posthius und der Niederländer Franciscus Modius ausdrücklich hervorgehoben. Ihre Gedichte bezeugen das schöne und gemüthliche Verhältniß, in welches er sich zu ihnen setzte, in deutlichster Weise. Einer so bedeutenden Persönlichkeit, wie die Neustetter’s war, konnte überdies eine Steigerung seiner kirchlichen Stellung nicht entgehen. Er wurde im J. 1561 Domherr in Bamberg und weiterhin Propst des Collegiatstiftes in St. Gangolph in einer Vorstadt von Bamberg, gleich darauf zuerst Dechant und dann Propst des Stifte Comburg bei Schwäbischhall und erhielt im J. 1569 die Würde des Propstes des Stiftes Haug bei Würzburg. Wichtiger war es, daß das Domcapitel ihn im J. 1564, in einer höchst kritischen Zeit des Hochstifts, zum Decan erwählte. Kurz zuvor (1563) war der berühmte Ueberfall der Hauptstadt durch Wilhelm von Grumbach erfolgt und hatte das Hochstift in gefährliche Verlegenheiten versetzt. Der zeitweilige Fürstbischof, Friedrich von Wirsberg, befolgte überdies ein System, das sich der Zustimmung Neustetter’s nicht erfreute. Der Fürstbischof war ein Freund der Jesuiten und wollte dieselben nach Würzburg berufen sehen, N. hielt an den humanistischen Eindrücken seiner Jugend fest und eine Kräftigung des Katholicismus auch ohne die Mitwirkung jenes Ordens für möglich. Der Fürstbischof war zugleich ein schlechter Haushalter und wollte sich durch das Capitel, dessen Seele N. war, in seinen Neigungen keinen Zwang auferlegen lassen. Aus diesen Gründen dachte N. bald daran, sein dornenvolles Amt niederzulegen und führte im J. 1570 den wiederholt verschobenen Entschluß wirklich aus, nachdem vorher die Jesuiten wirklich in Würzburg eingezogen waren. Im J. 1573 starb Friedrich von Wirsberg und eine Frage der präjudicirlichsten Bedeutung war es, wer sein [558] Nachfolger auf dem Stuhl des heiligen Burkard werden solle? Es war in den liberalen Kreisen in der That auch von Neustetter’s Candidatur die Rede, aber die erneuten Anstrengungen der Restaurationspartei in Deutschland und Italien setzten in verhältnißmäßig kurzer Zeit die Wahl des jungen Julius Echter durch, den N. vordem in das Capitel eingeführt hatte und der bereits sein Nachfolger in dem Amte des Domdecans geworden war. N. zog sich seit dieser Zeit gegenüber dem bekannten Systeme der Ausschließlichkeit, das Julius Echter mit unverkennbarer Gewandtheit zur Herrschaft führte, immer mehr von der Theilnahme an den öffentlichen Dingen, die er doch nicht ändern konnte, zurück und lebte meist auf seinem Tusculum zu Comburg, das er sich nach seinem Geschmacke eingerichtet hatte und wo er gern seine humanistischen Freunde, wie namentlich Franz Modius, auf längere Zeit gastlich aufnahm. Nur gelegentliche Badereisen, wie nach Karlsbad oder Schwalbach, einmal auch ein Ausflug nach Baiern, unterbrachen diese Zurückgezogenheit. Von selbst verstand es sich, daß er von Zeit zu Zeit in Würzburg erschien, wie er denn auch mit Fürstbischof Julius das äußere gute Einvernehmen festhielt; der Letztere ist auch einmal in Comburg auf der Durchreise sein Gast gewesen. Unter den Opponenten innerhalb des Domcapitels gegen das gewaltthätige Vorgehen des Fürstbischofs bei der Gründung der Universität wird N. allerdings nicht ausdrücklich genannt, aber seine Vergangenheit legt den Schluß nahe, daß er die Stimmung der Opposition in diesem Falle getheilt hat. Wenn dem so war, so ist nicht minder gewiß, daß der Erfolg jener Gründung Julius Echters N. auf andere Gedanken in dieser Beziehung brachte. Er hat im J. 1589–90 das Rectorat der Universität übernommen und in seinem Testamente u. a. ein Stipendium für vier Studirende der Theologie gestiftet. Am 23. November 1594 ist er zu Würzburg als Senior des Capitels und Jubilar gestorben.

Vgl. Melchior Adam, Vitae Germanorum Jureconsultorum et Politicorum. Francof. ad M. 1706, p. 147-148. – M. Feder, Vita Erasmi Neustetter dicti Sturmer. Wirceb. 1799). – Stumpf, Denkwürdigkeiten der fränkischen Geschichte, S. 108 ff. – Aem. Ussermann, Episcopatus[WS 1] Wirceburg. et Babenberg., passim.A. Ruland, Erasmus Neustetter, der Maecenas des Franciscus Modius nach des letzteren Tagebuch (Archiv d. hist. Ver. f. Unterfr., 12. Bd., 2. und 3. Heft), endlich des Unterzeichneten Geschichte der Universität Wirzburg, Bd. 1 stellenweise und Bd. 2, S. 217.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Epicopatus