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Artikel „Morlot, Ch. Adolph v.“ von Wilhelm von Gümbel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 22 (1885), S. 325–327, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Morlot,_Adolph_von&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 19:22 Uhr UTC)
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Morlot: Ch. Adolph v. M., Geologe und eifriger Forscher auf dem Gebiete der Prähistorie, ist geboren am 22. März 1820 in Neapel und starb am 10. Februar 1867 in Bern. Einer Patricierfamilie der Stadt Bern entsproßen, erhielt M. seine Bildung erst in der Privatlehranstalt zu Biel, dann auf der Realschule in Bern. 1838 trat er daselbst an die Universität über, wo er besonders unter B. Studer’s Leitung geologischen Studien oblag. Seine weitere Ausbildung suchte er in dem College St. Barbara zu Paris hauptsächlich in mathematischen Fächern. Endlich bezog M. 1843 die Bergakademie in Freiberg, um sich dem Montanfache zu widmen. Hier genoß er besonders den Umgang mit B. v. Cotta, der ihn, als in Oesterreich eine geologische Landesaufnahme geplant wurde, als hierzu besonders befähigt, in Wien empfahl. M. gewann [326] zunächst noch weiter durch Besuch des Hofmineraliencabinetes und eines montanistischen Cursus unter Partsch und von Haidinger in Wien 1844 eine gründliche Vorbereitung für diese Aufgabe. Durch einige kleinere Arbeiten über Gletschererscheinungen und Lößbildungen führte er sich damals bereits in die Litteratur ein. Im März 1846 wurde M. als Vereinscommissär zur geologischen Landesaufnahme in Steiermark nach Graz berufen und begann nun seine sehr eingehenden geologischen Studien in diesem Alpenlande. Als Ergebnisse derselben publicirte M. neben vielen kleineren Aufsätzen in v. Haidinger’s Mittheilungen von Freunden der Naturwissenschaft, in dessen naturwissenschaftlichen Abhandlungen, sowie im Jahrbuche der geologischen Reichsanstalt in Wien, in den Sitzungsberichten der Wiener Akademie und in den Mittheilungen des historischen Vereins für Krain einige bemerkenswerthe größere Arbeiten, wie: „Geologische Uebersichtskarte der nordöstlichen Alpen“, 1847 nebst Erläuterungen, in welcher M. eine allgemein orientirende Einleitung und eine Uebersicht der damals bekannten geologischen Verhältnisse der Alpen lieferte. Dazu kamen 1848 „Geologische Karte der Umgebung von Leoben und Judenburg“ und 1849 „Erläuterungen zur geologischen Specialkarte von Steiermark und Illyrien“. Unter den kleineren Publicationen sind besonders die Berichte über die Versuche zur Erklärung der Dolomitbildung bemerkenswerth: „Einiges über Dolomit“ (Haid. Mitth., V), „Ueber Dolomit und seine künstliche Darstellung aus Kalkspath“, (Haid., Naturw. Abh., Bd. I.), „Versuch über Darstellung des krystallinischen Dolomits“ (Sitz. d. Akad. d. Wiss. in Wien, Bd. IV). v. Haidinger hatte nämlich an die Stelle der v. Buch’schen Dolomitisirungstheorie die Ansicht aufgestellt, daß der Dolomit auf wässrigem Wege durch Einwirkung von Bittererdesalzen aus Kalkstein entstanden sei, und M. suchte diese Annahme experimentell dadurch zu beweisen, daß er Kalk und Bittersalz in einer geschlossenen Glasröhre einer höheren Temperatur aussetzte und in der That als Umwandkungsproduct Bittererdecarbonat und Gyps erhielt. Daß auf diesem Wege der Gebirgsdolomit entstanden sei, ist aber damit keineswegs erwiesen. Indessen glaubte M. bei seiner Beschäftigung mit der geologischen Aufnahme in Steiermark wenig erfreuliche Aussichten für die Zukunft hegen zu können, und entschloß sich im Sommer 1851, Oesterreich zu verlassen und nach der Schweiz zurückzukehren, wo er in Lausanne als Professor der Geologie und Mineralogie ein Unterkommen fand. Sein unruhiger Geist gestattete ihm aber auch hier nicht, in dieser Stellung auszuhalten. Als durch Keller’s und Trojan’s Bemühungen ein völlig neues Feld der Prähistorie ins Leben gerufen wurde, nahm M. so lebhaften Antheil an den diesbezüglichen Studien, daß er seine Stellung und überhaupt die geologischen Studien aufgab und mit dem ihm eigenthümlichen Feuereifer der Prähistorie sich zuwendete. Er durchwanderte die Schweiz und Deutschland und stellte besonders in Dänemark eingehende prähistorische Forschungen an. Zugleich hielt er als Wandelprofessor zahlreiche öffentliche Vorlesungen über diese Studien. Einige dieser Vorträge sind auch im Druck erschienen, wie z. B. „Leçon d’ouverture d’un cours sur la haute antiquité“, 1860. Ueber 100 Mittheilungen meist prähistorischen Inhaltes sind von ihm hauptsächlich in dem Bulletin de la Societé Vaudoise d. sc. natur. en Lausanne, 1853–1867 erschienen. Darunter ist als sehr hervorragend und das damals Bekannte musterhaft zusammenfassend hervorzuheben: „Etudes geologico- archéologiques en Danemark et en Suisse“ (im 6. Bande der genannten Zeitschrift), worin M. den ein gewisses Aufsehen erregenden Versuch machte, aus der Aufschüttung des Flüßchens Tinière bei Villeneuve und der Mächtigkeit der in seinem Schuttkegel leicht zu unterscheidenden Culturperioden seit der Römerzeit, die Dauer der vorrömischen Periode zu etwa 12 Jahrhunderten, jene der Broncezeit zu etwa 35 und endlich jene der noch älteren Culturperiode zu 53 Jahrhunderten, also zusammen auf beiläufig 10 000 [327] Jahre zu veranschlagen. In den letzten Jahren seines Lebens beschäftigte sich M. eifrig mit der Ermittelung der ältesten Musikinstrumente und Melodien. Seine erfolgreichen Forschungen auf dem prähistorischen Boden Dänemarks trugen ihm die Verleihung des Danebrogordens ein. M. war Mitglied vieler gelehrter Gesellschaften. In Mitten seiner emsigen Forschungen überraschte den reich begabten, aber durch eigenthümliche Lebensgewohnheiten absonderlichen Mann der Tod.

Chavennes, Notice nécrolog. sur Ch. Ad. Morlot. Wurzbach, Biogr. Lexicon 19. 96.