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Artikel „Martin Carith“ von Gottfried von Bülow in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 20 (1884), S. 475–476, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Martin&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 14:42 Uhr UTC)
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Martin Carith (Karethe), Bischof von Camin von 1498–1521, aus einem alten Patrizier- und Salzjunkergeschlechte Colbergs, wo sein Vater Stadtkämmerer war. Er war 1464 in Rostock und am 25. Januar 1473 in Greifswald als Student inscribirt, wurde 1481 Archidiaconus in Arnswalde, 1483 lector ordinarius in antiquis juribus in Greifswald, wo er am 3. Sept. 1487 das Doctorat des canonischen Rechts erhielt und einen Monat später das Rectorat der Universität bekleidete. Das Decanat von Greifswald, das er am 7. Febr. 1491 erhalten hatte, resignirte er, als er am 17. Novbr. 1492 zur gleichen Würde am Domstift zu Colberg erwählt wurde. Dagegen irrt Wachs, wenn er M. in seiner Geschichte der Altstadt Colberg unter den Pröpsten von Colberg aufführt. Zu Ende des Jahres 1496 nahm Herzog Bogislav X. von Pommern ihn nebst vielen Edlen des Landes mit nach Worms und von dort auf die Wallfahrt nach dem heiligen Lande, und als auf der Rückkehr der Herzog in Venedig und Rom festlich aufgenommmen ward, erntete in der Lagunenstadt auch M. Beifall durch seine Rednergabe; ferner wurde ihm in Rom, wo der Herzog vom Papst Alexander VI. ein seine Macht auf geistlichem Gebiet erweiterndes Breve empfing und mit geweihtem Hut und Schwert beschenkt ward, die Würde eines Coadjutors des Bisthums Camin zu Theil. In der Heimath kam dazu noch die Präpositur von S. Marien in Stettin. Auch zur höchsten geistlichen Würde bahnte Herzog Bogislav dem gewandten Manne zuletzt den Weg: der bisherige Bischof von Camin, Benedict von Waldstein, ein gelehrter Mann, aber aus der Fremde gebürtig und den Reizen des Goldes gegenüber nicht unempfänglich, wurde durch eine ansehnliche Summe und reiche Pfründen zu resigniren vermocht und M. zum Bischof gewählt. Er begann seine Wirksamkeit durch Berufung einer unter dem 5. Octbr. 1500 in Stettin zusammentretenden Diöcesansynode zur Abstellung kirchlicher Mängel und Einführung strengerer Kirchenzucht. In den pommerschen Klöstern scheint zu dieser Zeit viel Alchymie getrieben worden zu sein, auch war der Umgang zwischen Mönchen und Nonnen ein derartig freier, daß 1504 ein Statut dawider errichtet werden mußte. Dem Herzog Bogislav X., der ihm auf den bischöflichen Stuhl geholfen hatte, erwies M. bei sich bietender Gelegenheit seine Dankbarkeit dadurch, daß er der Tochter desselben, Elisabeth, Aebtissin von Crummin, eine ausgedehnte Gerichtsbarkeit verlieh und ferner dem natürlichen Sohn des Herzogs, dem Junker Christoph von Pommern, der schon seit 1498 Propst zu S. Marien in Stettin war, 1508 das Archidiakonat von Usedom und später noch weitere geistliche Pfründen ertheilte. Lobenswerther war Martins unter dem 13. Juli 1500 vollzogene Bestätigung einer vom Herzog in Verbindung mit einem ritterlichen Orden gestifteten Schule, einer Art Fürstenschule und Vorgängerin des späteren fürstlichen Pädagogiums zu Stettin. Für die Universität Greifswald dagegen, die Stätte seiner eigenen früheren Wirksamkeit, bewies er nur geringen Eifer. Für die Hebung der äußeren Lage und der inneren Zustände des Bisthums war M. ernstlich bemüht, 1509 erwarb er Quackenburg von dem Geschlechte [WS 1] der Zastrow für das Domcapitel und 1512 kaufte er dem Kloster Dargun dessen reichen Grundbesitz in Bast bei Cöslin ab. Seine Gerechtigkeitsliebe brachte den sonst so vorsichtigen Mann in argen Conflict mit dem Herzog Bogislav, seinem Gönner, als 1512 die Colberger einen des Stegreifs[WS 2] verdächtigen Edelmann, Simon Lohde, fingen und, so scheint es, mit Wissen des Bischofs kurzer Hand enthaupteten, ohne sich um die herzogliche Gerichtsbarkeit zu kümmern. Der Herzog war in hohem [476] Grade aufgebracht und beschuldigte den Bischof als Urheber der auf den schnellen Justizact folgenden ganz Hinterpommern erregenden Unruhen. Das einmal getrübte Verhältniß zwischen beiden verschlimmerte sich, als M. für die Stelle eines Coadjutors unter dem Beistand des Kurfürsten von Brandenburg dem Papste den Grafen Wolfgang von Eberstein vorschlug. Bogislav, empört darüber, daß sein erster Rath sich mit dem feindlichen Nachbar hinter seinem Rücken verständigt hatte, ließ es einerseits gegen den alt und kränklich gewordenen Bischof nicht an nachdrücklichen Drohungen, andererseits gegen Rom an reichlicher Spende nicht fehlen und erreichte es, daß Erasmus von Manteufel zum bischöflichen Coadjutor ernannt ward. Diesem überließ Bischof Martin, gebeugt durch den Unwillen des Herzogs und durch die Sorge um die kirchlichen Zustände, die Regierung des Bisthums mehr und mehr[WS 3]. Er starb am 26. Novbr. 1521 zu Stettin, wie Bugenhagen berichtet, vor Schreck, als die Prediger der gereinigten Lehre sich auch in seinem Sprengel vernehmen ließen. Sein Interesse für die Ordnung des liturgischen Gottesdienstes bethätigte M. durch Herausgabe liturgischer Werke: in seinem „Liber ordinarius“ liegt die bis in die früheste Gründungszeit der pommerschen Kirche hinaufreichende Tradition der kirchlichen Texte und Sangweisen vor, und manche noch jetzt in Pommern vorhandene Abweichung im Gebrauch der Festperikopen (vgl. Bollhagen’s Gesangbuch) ist auf M. zurückzuführen.

Böhmer, Kantzow’s Chronik von Pommern; Cramer, Pomm. Kirchenchronikon; Wachs, Geschichte der Altstadt Colberg; Barthold, Geschichte von Rügen und Pommern.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Geschechte
  2. übertragen für Wegelagerei treiben, vergleiche Deutsches Wörterbuch unter Stegreif
  3. Vorlage: meht