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Artikel „Lobwasser, Ambrosius“ von l. u. in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 19 (1884), S. 56–58, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Lobwasser,_Ambrosius&oldid=- (Version vom 23. November 2024, 09:39 Uhr UTC)
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Lobwasser: Ambrosius L., der bekannte Psalmendichter, ist am 4. April 1515 zu Schneeberg im Erzgebirge geboren, wo sein Vater Inspector am Bergwerke war. Er besuchte die Schule in Leipzig, wo sein älterer Bruder Paul, Professor der Jurisprudenz daselbst, sich seiner annahm. Nach vollendeter Schulzeit wandte er sich auch zum Studium der Jurisprudenz, ward im J. 1535 Magister und blieb dann bis zum Jahre 1550 als juristischer Docent in Leipzig. In diesem Jahre unternahm er in Begleitung zweier jungen Leute als deren Hofmeister eine größere Reise, auf welcher er sich in Löwen und in Paris eine Zeit lang aufhielt; hernach verweilte er noch bei den Hugenotten in Berry eine [57] längere Zeit. Vom Jahre 1557 an lebte er sodann als fürstlicher Rath und Kanzler in Meißen. Darauf ging er noch nach Italien, wo er im J. 1562 in Bologna Doctor der Rechte wurde. Nachdem er dann wieder ungefähr ein halbes Jahr sich in Leipzig aufgehalten hatte, folgte er im J. 1563 einem Rufe des Herzogs Albrecht von Preußen als Professor der Rechte und Hofgerichtsassessor nach Königsberg. Im J. 1580 mußte er wegen Altersschwäche sein Aemter niederlegen; er starb unverheirathet am 27. November 1585, etwas über 70 Jahre alt. – L. hat sich durch seine Psalmen einen großen Namen erworben; obschon der Werth derselben als Uebersetzung und als Nachdichtung ein höchst geringer ist, haben sie doch durch die außerordentliche Verbreitung, die sie bei den Reformirten deutscher Zunge gefunden haben, große Bedeutung gewonnen. Während seines Aufenthaltes in Frankreich hatte L. den hugenottischen Psalmengesang kennen gelernt und namentlich die eigenthümlichen Melodien desselben scheinen einen großen Eindruck auf ihn gemacht zu haben, so daß er sie nach Deutschland hinüber zu verpflanzen trachtete. Um diese Melodien unverändert lassen zu können, brachte er die Psalmen, wie sie von Marot und Beza ins Französische übersetzt waren, nach genau denselben Versmaßen in deutsche Reime. Er that das zunächst zu seinem eignen Vergnügen, um die Muße, welche ihm sein Amt in Königsberg (zur Zeit einer Pest?) ließ, nützlich auszufüllen. Im J. 1562 war zum ersten Male der ganze Psalter in der genannten französischen Uebersetzung mit den Melodien, die hernach in Gebrauch blieben, erschienen, und schon im J. 1565 hatte auch L. alle Psalmen deutsch bearbeitet, wie aus der Widmung seiner Arbeit an Herzog Albrecht von Preußen vom 15. Februar 1565 ersichtlich ist. Er erwähnt dabei der Hülfe und des Rathes, die ihm dabei abseiten eines edlen Franzosen Jacob Gaurier zu theil geworden seien; es scheint ihn dieser vor Allem in jenen traurigen Jahren zur Vollendung der Arbeit ermuntert, vielleicht auch zu ihrer Veröffentlichung gerathen zu haben. Doch zögerte sich die Herausgabe noch hin und so gewann L. Zeit, seine Arbeit zu übersehen und vielerorts zu verbessern. Namentlich der Tod des Herzog Albrecht im J. 1568 trat hindernd ein; L. hatte wol erwartet, daß der Herzog den Druck unterstützen werde. Im J. 1573 erschien dann das Werk bei Hans Steinman in Leipzig unter dem Titel: „Der Psalter des königlichen Propheten Davids, in deutsche Reimen verständiglich und deutlich gebracht …. durch den ehrenfesten und hochgelehrten Herrn Ambrosium Lobwasser u. s. f.“ in klein Octav. Jedem Psalm ist die Melodie in vier Stimmen beigedruckt, jede Stimme für sich. Vor jedem Psalm ist der Inhalt desselben kurz angegeben; sodann folgt eine Notiz über das Versmaß der Uebersetzung; auf jeden Psalm folgt ein Gebet in Prosa, das sich auf den Inhalt desselben bezieht. Die ganze Arbeit zeugt von dem frommen Sinn ihres Verfassers, aber freilich auch von seiner geringen dichterischen Begabung; die Silben sind einfach gezählt, die Zeilen reimen sich, die Sprache ist holprig und manchmal kaum verständlich, wie es auch, von allem Anderen abgesehen, bei der Art, wie sich L. an sein französisches Original gebunden hat, kaum anders sein kann. (Ueber die Melodien, die L. unverändert aus dem französischen Psalter herübernahm und namentlich über den Antheil, den Claude Goudimel, nach welchem sie meistens benannt werden, an ihnen hat, ist jetzt vor Allem Riggenbach zu vgl. an dem unten anzuführenden Orte.) Daß schon im J. 1563 und zwar zu Amberg eine Ausgabe des Lobwasser’schen Psalters erschienen sei, ist eine irrthümliche, wahrscheinlich auf einem Druckfehler beruhende Angabe; aber vom J. 1573 erschienen nun in schneller Folge immer neue Ausgaben, wie sie der immer ausgedehntere Gebrauch, den diese Psalmen bei den deutschen Reformirten fanden, nothwendig machte. Bis etwa zum J. 1700 behaupteten sie dann in diesem Kreise ein fast unbeschränktes Ansehen und wurden [58] so gut wie allein im Gottesdienste gebraucht. Dann fing man an, sie zu überarbeiten; während L. selbst den 150 Psalmen nur die zehn Gebote in Versen („Erheb Dein Herz, thu auf Dein Ohren“) und den Gesang Simeon’s hinzugefügt hatte, wurden schon früh seinen Psalmen anhangsweise auch andere Lieder, – z. B. von Luther, hinzugefügt; hernach erweiterte man den Anhang, bis es dann (nach 1700) dahin kam, daß der Anhang allmählich fast allein gebraucht wurde, und so ist jetzt vom alten L. auch in den reformirten Gemeinden, abgesehen von einigen Melodien, kaum noch der eine oder der andere Psalm in Gebrauch. Obgleich L. selbst Lutheraner war, so fanden seine Psalmen in der lutherischen Kirche so gut als gar keine Aufnahme; ihm selbst wurden vielmehr aus seinen Psalmen calvinische Ketzereien nachgewiesen, die er aus dem französischen Psalter sich angeeignet habe; und nur ganz einzeln wurden seine Psalmen als Gesangbuch von Lutheranern im Gottesdienst gebraucht, wie z. B. in der Marienkirche zu Elbing bis zum J. 1655 (nach Döring, Choralkunde, S. 52, Anm.). Eine größere Anzahl der Melodien fand allerdings auch in der lutherischen Kirche Verbreitung; aber einige von diesen hatten hier auch schon vor dem Erscheinen des Lobwasser’schen Psalter Aufnahme gefunden; von den Lobwasser’schen Psalmennachdichtungen wurden hingegen nur ganz wenige, unter ihnen z. B. die des 42. Psalms: „Wie nach einer Wasserquelle“ in lutherische Gemeindegesangbücher aufgenommen. Außer den Psalmen hat L. auch noch alte lateinische Kirchenlieder in deutsche Verse gebracht; eine Sammlung solcher erschien unter dem Titel: „Bewährte hymni patrum und anderer gottseligen Männer“ im J. 1579, auch zu Leipzig bei Hans Steinman; unter diesen Liedern haben einige einen größeren Schwung, weil der Dichter bei ihnen in Hinsicht auf das Versmaß größere Freiheit hatte. Zu ihnen gehört das Lied: „Allein zu Gott mein Hoffnung steht“, das sich im 17. Jahrhundert in mehreren Gemeindegesangbüchern findet.

Jöcher II, Sp. 2483. Rotermund zum Jöcher III, Sp. 1993. Wetzel, Hymnopoeographia II, S. 79 ff. Adami vitae germanorum iureconsultorum etc., Frankf. a. M. 1705, Fol., S. 121 ff. Hartknoch, Preußische Kirchenhistoria (1686), S. 498 ff. Koch, Gesch. des Kirchenliedes u. s. f., 3. Aufl., II. S. 394–401. Döring, Choralkunde, S. 52–57 u. S. 234. Wackernagel, Bibliographie. S. 380 f. (u. S. 329); das deutsche Kirchenlied I, S. 509 f.; IV, S. 844 ff. Ueber die französischen Psalmenmelodien: Riggenbach in Herzog, Theol. Realencyklopädie, 2. Aufl., 12. Bd., S. 335 ff.; vgl. auch ebenda den Artikel „Lobwasser“ von Lauxmann, 8. Bd., S. 706 ff.