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Artikel „Lauber, Diebold“ von Jakob Franck in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 18 (1883), S. 22–25, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Lauber,_Diebolt&oldid=- (Version vom 23. November 2024, 14:28 Uhr UTC)
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Lauber: Diebold L., Handschriftenhändler zu Hagenau im 15. Jahrhundert. Während vor der Erfindung der Buchdruckerkunst Corporationen von Handschrifthändlern (Stationarii, Librarii) in Frankreich und Italien vorzugsweise in deren Universitätsstädten (Paris, Bologna) existirten, deren Geschäftsgebräuche und Verhältnisse durch Statuten in mehr oder weniger enggezogenen bestimmten Grenzen eine gewisse Abrundung erhalten hatten, waren es zu jener Zeit in Deutschland in der Regel nur die Messen und Jahrmärkte, wie die zu Nördlingen und Frankfurt a. M. sowie die Reichsstädte, welche von diesen Händlern zum Handschriftenvertrieb benutzt wurden. Ganz besonders war es die verhältnißmäßig kleine Reichsstadt Hagenau im Elsaß, welche durch ihren Handschriftenhandel hervorragt und im 15. Jahrhundert dadurch eben so sehr um die Litteratur durch Vervielfältigung der Bücher vermittelst Abschriften sich verdient gemacht hat, wie sie im 16. Jahrhundert ausgezeichnet war durch ihre Buchdruckerpressen. Hier bestand eine förmlich organisirte Schreiberschule, die sogar häufig (Mone, Zeitschrift f. d. Gesch. d. Oberrheins I, 312) ihren Ueberfluß an Mitgliedern anderen Städten mitgetheilt zu haben scheint. Die Herstellung der Handschriften wurde daselbst gleichsam fabrikmäßig betrieben, indem der eine Schreiber den Text, der andere die Rubricirung, ein dritter das Malen der Initialen und ein vierter u. s. w. das Binden und andere Geschäfte besorgte. In manchen Fällen lag aber auch wohl einer und derselben Person die vollständige Herstellung der ganzen Handschrift ob, wie es denn (Hagen und Büsching, Lit. Grundriß zur Geschichte der deutschen Poesie, S. 307) am Schluß einer solchen, welche die sieben weisen Meister enthält, heißt: „Dis buch vollenbracht was In der Zit, also man schreip vnd las Tusend vnd vyer hundert Nach Christus gebort, daz ist war, Dar nach jn dem eyn vnd siebentzigsten jar Vff sant Pauly bekarung, daz ist ware, Von Hans Dirmsteyn, wist vor war, Der hait es geschreben vnd gemacht, Gemalt, gebunden vnd gantz fullenbracht“. Aus dieser Bücherfabrik wurden aber nicht blos wissenschaftliche Werke in lateinischer Sprache, sondern auch für das größere Publikum bestimmte deutsche Bücher zu Tage gefördert, selbst die untersten Volksklassen wurden nicht unberücksichtigt gelassen. Neben „guten latinischen Buchern“ erscheinen die größeren epischen Gedichte des Mittelalters, kleinere poetische Werke, Sagen, Volksbücher, juristische Werke, die „gulden bull“, biblische und legendarische Bücher, Gebetbücher, populär-medicinische Schriftchen, Wahrsagebücher (Loßbücher), selbst Spielkarten und Briefe (Heiligenbilder). Als mercantilischer Abzugskanal aber fand sich in der Person des L. ein Vermittler der weiteren Vertreibung des nothwendigerweise entstehenden örtlichen Ueberflusses. Ausführliche Nachrichten über das äußere Leben des Mannes, der sich auch Läber und Louber schreibt, sind [23] uns nicht erhalten, von Haus aus aber war er ein Lehrer und lebte um die Mitte des 15. Jahrhunderts. Ueber seine Büchervorräthe aber besitzen wir in drei verschiedenen Handschriften Notizen. Die erste steht (Wilken, Gesch. d. Bildung … der alten Heidelb. Büchersammlungen S. 406–407) in einem vom 20. December 1447 datirten Codex der Heidelberger Bibliothek, der Dietrichs Flucht zu den Heunen und die Raben-Schlacht enthält, und lautet: Item zu Hagenow py Dypold läber schreyber, leret die Kinder, sind die Bücher tütsch. Item gesta Romanorum gemält, Item Parcifal gemält, Item floyr vnd blantscheflur gemält, Item morolf gemält, Item der Hertzog von österrych, Item Wilhalm Orkyentz vnd die schöne Amely. Item die syben maister gemält, Item das Bispvl Buch genant der welt löff gemält, Item die gülden bull, Item der ackermann vnd belyal gemalt, Item daz guldin spil, vnd von allen spilen gemalt: Item die 2 teil der heytigen leben. Item der heyligen dryer küng buch gemalt, Item die 24 alten, Item Tristram, Item ein hübsch buch genant der graw rock und künk Alexander, Item Troyen gemalt, Item sant Wilhalm in birmit, Item wygalois gemalt“. Die zweite Notiz über seine Büchervorräthe steht (Hagen und Büsching S. 159) in einer auf der k. Bibliothek zu Berlin befindlichen Handschrift von Flos und Blankflos und ist, um sie auffälliger zu machen, roth geschrieben. Sie ist kürzer: „Item zuo Hagenowe vil hübscher bücher geistlich oder weltlich gemolt by diebold louber schriber vnd guote latinische büchere“. Diese Handschrift ist übrigens eine andere als die in der ersten Notiz angeführte, da der Raum für die mit Schablonen einzutragenden Bilder noch unausgefüllt ist. Die dritte Notiz endlich lieferte (Raumer, histor. Taschenbuch 1841, S. 537–538) Sotzmann, leider aber nur fragmentarisch; sie befindet sich auf dem ersten Blatte einer Legende von den heil. drei Königen in Westphalen und beginnt mit der Ueberschrift: „Item welcher hande Bücher man gerne hat, gross oder clein, geistlich oder weltlich, hübsch gemolt, die findet man alle by diebold louber schriber in der burge zu Hagenow“. Den Anfang macht „das gross buch genant Gesta Romanorum mit den Viguren gemolt“, dann folgen größere Werke wie Parzival, Tristan, Freidank, hierauf kleinere Erzählungen, wie „der witfarn ritter, von eime getruwen ritter, der sin eigen hertze gab vmb einer schönen fronen willen, der ritter vnder dem zuber, sant Anshelms fraw“, ferner „eine gerymete bibel, ein salter latin und tütsch, episteln u. evangelien durch das jor, vita cristy, das gantze passional winterteil u. summerteil“, sodann Andachtsbücher, wie „die XXIIII alten, bellial, der selen trost, der rosenkrantz, die zehn gebot mit glosen“ und „sust cleine bette bücher“ und endlich weltliche prosaische Volksbücher, wie „gute bewerte artzneien bücher, gemalte lossbücher, schachzabel gemolt, ein Kaiserlich rechtbuch etc.“ Diese letzte Abtheilung ist ziemlich zahlreich und L. hatte, wie schon aus dem Voranstehenden zu ersehen, einen sehr bedeutenden Büchervorrath aufzuweisen. Ein Original-Verzeichniß dieser letzteren Vorräthe gab als Facsimile H. Lempertz in seinen Bilderheften 1862 auf Tafel I.; nach einer Notiz im Serapeum 1862, 234–235 ist übrigens diese Legende (Papiermanuscript mit kolorirten Zeichnungen) nach England gekommen. Daß L. in den ersten dieser drei Inscripte sich auch als „Lehrer“ bezeichnet, darf um so weniger auffallen, als die Erscheinung, daß Schullehrer zugleich einen Handel mit Büchern betrieben, durchaus nicht vereinzelt dasteht. Eine Bautzener Schulordnung (Schöttgen, Der Dresdenschen Buchdruckergesellsch. Jubelgeschichte S. 6) vom J. 1418 benennt die Bücher und setzt die Preise fest, welche die Knaben dem Locatus (einem der unteren Lehrer) zu entrichten hatten, nämlich für ein ABC, Pater Noster und Corde benedicite, jedes 1 gl., für einen guten Donat 10 gl., eine Regula moralis und Cato 8–9 gl., für ein ganzes Doctrinale (des Alexander de Villa [24] Dei, vgl. Fabricius, bibl. lat. med. et inf. aevi I, 177), das man nennt einen ganzen Text: eine halbe Mark, für primam partem 8 gl., „welch reich Kind von seinem Locato nicht kauffet ein Buch, das gebe ihm 2 gl. im Anheben, ein mittelmäßiger 1 gl., der arme nichts“. Er dürfte hier am Orte auch nicht ohne Interesse sein, zugleich mit kurzen Worten auch der übrigen deutschen Handschriftenhändler des 15. Jahrhunderts Erwähnung zu thun, über welche uns leider nur allzu magere biographische und deshalb zu selbständigen Artikeln sich nicht eignende Notizen überliefert sind. Es sind in chronologischer Folge: Johann Minner in Nördlingen, welcher (Beyschlag, Versuch einer Kunstgeschichte von Nördlingen) ausdrücklich als Händler daselbst und bereits 1407 in den Steuerregistern der Stadt als „Johannes scriptor“ vorkommt, auch 1418 bis 1425 das Amt eines Hospitalschreibers verwaltete; Jorys von Hocbergue zu Brügge (?) verkaufte in den Jahren 1427 und 1428 zwei Doctrinale, einen Grecismus und „ung logique“ (sic) für Chorknaben an den Herzog von Burgund, die Zahl der verkauften Bücher läßt wohl auf einen wirklichen Handschriftenhändler schließen; Konrad Horn, 1415–1435 Stadtschreiber zu Nördlingen scheint, nach Beyschlag, bedeutende Geschäfte in Handschriften durch Kauf und Tausch gemacht zu haben. Im J. 1435 wurde er aus unbekannten Gründen seines Amtes entsetzt und saß bis 1450 im Gefängniß. Ulrich Friese zu Augsburg, zugleich Pirmenter (Pergamentmacher), stand mit den zwei genannten Nördlingern in den Jahren 1447 und 1451 in geschäftlicher Verbindung. Ob ein Wolff von Prunow“ zu Heidelberg, von einer Hand des 15. Jahrhunderts auf der innern Seite des Deckels einer Heidelberger Handschrift als „Bibliopola“ eingetragen, wirklicher Handschriftenhändler gewesen, ist nicht festzustellen, weil dieses Inscript möglicherweise schon in die Zeit nach Erfindung und Verbreitung der Buchdruckerkunst hineinreicht. Ueber mehrere Straßburgische Handschriftenhändler oder „schriber“ von 1408–1486 (der älteste ist Peter von Haslach), die ihre Bücher „vf den greden zu vnser frowen Münster“ feilboten, vgl. C. Schmidt a. a. O. S. 41 und Archiv f. d. Gesch. d. d. Buchhandels II, 235. Ebendaselbst (S. 236) wird durch eine Urkunde vom J. 1482 der Nachweis erbracht, daß die Feilbietung von Handschriften vor den Kirchthüren ein allgemein verbreiteter Gebrauch war oder sich zu einem solchen entwickelt hatte. Die wenigen statutarischen Bestimmungen für die Handschriftenhändler in Wien sind abgedruckt in Lambecius, commentarius de bibliotheca Vindobonensi, L. II, p. 101. 113. 183.

Ueber die Handschriftenhändler in anderen Ländern und zwar in Italien seit 1259 (Bologna, Verona, Florenz, Mailand, Padua, Ferrara, Venedig und Rom), in Frankreich seit 1275 (Paris, Angers), in England seit 1358 (Oxford und London, in ersterer Stadt auch ein Deutscher: Nicolaus de Frisia um 1425, vgl. d. Art.) und in Spanien seit 1413 (Barcelona) ist nachzulesen Albr. Kirchhoff im Serapeum 1851, 262–320; über die Preise von Handschriften und Incunabeln derselbe ebendas. S. 259–261, Reuß das. 1845, 188. 286–287 und 1849, 365–366 und Le Glay Bulletin du Bibliophile belge 1850, 279; über die Schreibergebühren im Allgemeinen Serapeum 1846, 77 bis 78 und 1847, 377–382 und speciell über die Sammler und Abschreiber litterarischer Denkmäler im 14. Jahrhundert im ehemaligen Hochstifte Würzburg Reuß in derselben Zeitschrift 1845, 161–180; über die Kalligraphen, Illuminatoren und Miniaturen von Handschriften im abendländischen Europa hat Vogel ebendaselbst 1850, 257 ff. in einem besonderen Aufsatze gehandelt sowie über Bilderhandschriften, zunächst in den Bibliotheken zu Bremen Jahrgang 1866, Intell.-Bl. S. 145 ff. Auskunft giebt. Was schließlich die sog. Schreiberpoesie anbelangt, d. h. ernste und scherzhafte Reime in deutscher und lateinischer [25] Sprache, womit zumal die mönchischen Abschreiber es liebten, ihre saure Arbeit abzuschließen, vgl. Reuß im Serapeum 1845, 188–190 und Budik ebendaselbst S. 372.

Vgl. außerdem: Kirchhoff, Beiträge zur Gesch. d. d. Buchhandels I, 1–7. Ebert, Handschriftenkunde I, 109 ff. Bulaeus, Histor. Univers. Paris. III, 419. IV, 37. 202–204. 278. 279. 321. 435. 462. Sarti, de clar. archigymn. Bonon. scriptor. Vol. I. p. II. Append. p. 224–225. Archiv f. d. Gesch. d. Buchhandels V, 5–8. J. J. C. Causse, De libror. manuscript. pretio, Francof. ad Viadr. 1767. 4. Millin, Magas. encyclop. I, 13. Allgem. liter. Anzeiger 1800, 535 ff. Baumgarten, Nachrichten V, 217. 231. Metz, Gesch. d. Buchhandels, S. 109 ff. Poelchau, Das Bücherwesen im Mittelalter, Berlin 1881. Ch. Schmidt, Livres et Bibliothèques à Strasbourg 1877 (nicht im Buchhandel) p. 5. 35. 37. Wattenbach, Das Schriftwesen des Mittelalters (1871). S. 317–319.