ADB:Langer, Ernst Theodor
Friedrichs des Großen als gemeiner Soldat in das Ziethen’sche Husarenregiment einzutreten. Trotz seiner Jugend und bürgerlichen Geburt wurde er zum Offizier befördert, aber bald machte ihn eine Schußwunde im Schenkel zu weiterem Dienste untauglich. Im Hospitale zu Görlitz nahm er zuerst die unterbrochenen Schulstudien wieder auf, die er dann in Züllichau [677] weiter fortsetzte. Er ward Hofmeister eines Grafen Hochberg aus Schlesien, mit dem er die Klosterschule zu Bergen bei Magdeburg besuchte, wo er eine Zeit lang auch als Lehrer wirkte; dann begleitete er als Nachfolger Behrisch’s (s. d.) einen jungen Grafen Lindenau aus Dresden auf die Universität Leipzig. Hier trat er mit Goethe in nahe Beziehung. Mit liebevoller Dankbarkeit erinnert sich Goethe (Wahrheit und Dichtung, VIII) der Förderung, die er von dem ernsten, religiös gesinnten Manne empfangen. L. blieb bis in den September 1769 in Leipzig und reiste dann noch in der alten Stellung über Frankfurt a/M., wo er Goethe wieder sah, Straßburg und Basel nach Lausanne. Hier blieb er fast zwei Jahre. Ende 1771 war er in seiner Heimath, ging bald darauf aber nach St. Petersburg, wo er eine Stelle als Erzieher des Grafen Czernitschef übernahm. Mit diesem reiste er Mitte 1773 nach Braunschweig, damit sein Zögling dort das Collegium Carolinum besuche. Mit den Lehrern dieser Anstalt, Ebert, Eschenburg etc., wie auch mit Lessing u. A. trat er zu dieser Zeit in näheren Verkehr. August 1774 ging er wiederum auf Reisen; längere Zeit verweilte er in Paris. Er kehrte dann nach Rußland zurück, wo er Zutritt bei Hofe und, um standesgemäß auftreten zu können, den Rang eines Stabsoffiziers erhielt. Im Sommer 1778 finden wir ihn in Rom, 1780 in Wolfenbüttel, dann in Holland. Durch Lessing wurde er dem Herzoge Karl Wilhelm Ferdinand von Braunschweig vorgestellt; es wurde ihm das Bibliothekariat in Wolfenbüttel wohl schon bei Lebzeiten Lessing’s, der seinen Freund als Nachfolger empfahl, zugesagt. Viele angesehene Gelehrte bemühten sich nach Lessing’s Tode vergeblich um die Stelle, so Eschenburg, Leisewitz, Joh. Müller, Bruns u. A.; durch Rescript vom 20. August 1781 ward L. für sie berufen. Die Wahl war für die Bibliothek eine äußerst glückliche. Denn durch ihn wurde die Geschäftsführung der Anstalt, welche unter Lessing’s Leitung zumal wegen der Unbrauchbarkeit des Bibliotheksecretärs v. Cichin manches zu wünschen übrig ließ, wiederum streng geregelt. L. war ein äußerst sorgsamer und fleißiger Bibliothekar mit sehr umfassenden bibliographischen Kenntnissen; er hat sich um die Ordnung und Vermehrung der Bibliothek mannigfache Verdienste erworben. Leider kam die Anfertigung eines neuen vollständigen Bücherkatalogs, die ihm 1793 anbefohlen ward, nicht zur Ausführung, da in den folgenden Jahren verschiedene Pläne über Verlegung der Bibliothek, Vereinigung mit der Universität Helmstedt, wenn auch ohne Erfolg erwogen wurden. Zwei Mal war L. auf längere Zeit von Wolfenbüttel fort. Zuerst Mitte des Jahres 1784–86, wo er den Erbprinzen Karl Georg August, dem er auch in verschiedenen Fächern Unterricht ertheilte, nach Lausanne begleitete; dann 1787–88, wo ihm die Aufsicht über den Prinzen Friedrich Wilhelm (s. d. Art.) zuerst in Braunschweig, dann gleichfalls auf einer Reise nach Lausanne übertragen wurde. Hier lernte er Gibbon kennen, dem er später (1794) in einem Aufsatze im N. Gött. hist. Mag. Bd. 3 („Einige Nachrichten von Gibbon von einem Freunde desselben“) ein ehrendes Denkmal setzte. Schwere Tage brachen für L. herein, als unter der Westfälischen Regierung die besten Schätze seiner Bibliothek nach Paris entführt wurden. Mit Sorgfalt sucht er möglichst viel vor den „heillosen Weltplünderern“ zu retten. Die niedrige Beschuldigung, er habe den Franzosen zu viel ausgeliefert, wies der gewissenhafte Mann mit gerechter Entrüstung zurück. Als die ganze Bibliothek von Wolfenbüttel fortgeführt und verschiedenen Universitäten, besonders Göttingen, überwiesen werden sollte, ist er seines Amtes von Herzen überdrüssig und gewillt sich gänzlich davon zurückzuziehen (1812). Doch erlebte er noch die Freude jene Pläne scheitern und das geraubte Gut meist wohlbehalten nach Wolfenbüttel zurückgeschafft zu sehen. Er starb daselbst am 24. Februar 1820. – Langer’s Verdienst um die Wissenschaft besteht nicht in großen gelehrten Werken, sondern nur in [678] gediegenen Recensionen und Aufsätzen in der Allgem. deutschen Bibliothek, Meusel’s hist. litt. bibliograph. Magazin, den Göttinger Gelehrten Anzeigen u. a.), sowie in umfangreichen Mittheilungen, mit denen er die Arbeiten fremder Gelehrten stets bereitwillig unterstützte. Das Hauptgebiet seiner Forschungen waren Bibliographie und Litterargeschichte; aber auch auf andere Felder, z. B. Reisebeschreibungen, Geschichtswerke etc. erstreckte sich seine kritische Thätigkeit. Den Gang der deutschen Litteratur verfolgte er mit großer Theilnahme, aber immer mehr setzte er sich mit den herrschenden Richtungen der Zeit in Gegensatz. Er verehrte Lessing, Klopstock, Hagedorn, Ebert u. A., aber er eiferte gegen Schiller’s Horen, polemisirte in mehreren Aufsätzen heftig gegen die Xeniendichter. In dem Streite gegen sie steht er ganz auf Seiten seines Freundes Nicolai, dessen nüchterner Sinn, „der sich niemals am Menschenverstande versündige“, ihm sympathisch war. Einen großen Widerwillen empfindet er gegen die Romantiker Schlegel, Novalis, Werner etc., auch gegen die neuere Philosophie, besonders die eines Fichte. Er beschäftigte sich in früherer Zeit selbst gern mit den Ueberresten altdeutscher Sprache und Dichtung, aber er ist entsetzt über die Begeisterung, mit welcher ein Docen, v. d. Hagen, Gräter, Grimm etc. diese Dinge anpreisen. Wie die neue Poesie, Philosophie, Aesthetik ihn mit Ekel erfüllen, so nicht minder die Politik. Er fürchtet, daß das Zeitalter in Barbarei zurückstürze und zieht sich immer mehr auf die antiken Schriftsteller zurück. Eine ächt conservative Natur, haßte er allen Umsturz, sah er in jedem Umschwunge der Verhältnisse und Ansichten nur die Uebertreibung, nicht die gesunden neuen Gedanken, die jenen zu Grunde lagen. In kirchlicher Beziehung war er orthodox. Geraden, freimüthigen Wesens kehrte er mit Vorliebe nach Außen die rauhe Seite heraus, die nicht selten verletzte. Dabei fehlte es ihm keineswegs an Gemüth, noch auch gelegentlich an vorzüglicher Laune. Unverheirathet hat er doch stets das Glück eines gesunden Familienlebens schmerzlich entbehrt. In Wolfenbüttel fühlte er sich fast vereinsamt; das erhöhte oft nebst mannigfachen körperlichen Leiden seine übele Laune, die sich häufig bitter äußerte. Mehr Anregung fand er in Braunschweig; eine innige Freundschaft verband ihn dort besonders mit Eschenburg.
Langer: Ernst Theodor L., geb. zu Breslau am 23. August 1743, † am 24. Februar 1820, Sohn eines bemittelten Kaufmanns, besuchte das Gymnasium zu Oels, das er jedoch kaum 16 Jahre alt verließ, um begeistert für die Thaten- Eine genauere mit Belegen versehene Biographie Langer’s wird im 16. Jahrg. der Ztschr. des Harzvereins f. Gesch. u. Alterth. erscheinen.