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Artikel „Lange, Joseph“ von Joseph Kürschner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 17 (1883), S. 642–644, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Lange,_Joseph&oldid=- (Version vom 22. November 2024, 11:57 Uhr UTC)
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Lange: Joseph L., Schauspieler, Maler und Componist, geboren am 1. April 1751 zu Würzburg, † am 18. Septbr. 1831 zu Wien. Dieser vielseitige und bis in sein Alter mit Auszeichnung wirkende Mann ward als der Sohn eines fränkischen Legationssecretärs geboren, nach dessen frühem Tod er auf Veranlassung eines Verwandten bei einem Maler Unterricht im Zeichnen erhielt. 1767 verlor er auch diesen Verwandten durch den Tod und wurde nun von dessen Schwiegersohn, Hofrath v. Borie in Wien erzogen. Hier besuchte er die kaiserl. Akademie und blieb auch mit seinem älteren Bruder, der am ungarischen Taxamt angestellt war, daselbst, als Borie nach Regensburg übersiedelte. Eine Liebhaberbühne, welche jetzt die Brüder Lange errichteten, erregte auch die Aufmerksamkeit weiterer Kreise und Sonnenfels, der ihr bedeutendes dramatisches Talent erkannte, veranlaßte sie, sich der Bühne zu widmen und verschaffte ihnen zugleich (1770) eine Anstellung am Wiener Theater. Während aber Lange’s Bruder schon am 29. Juli 1771 verstarb, entwickelte sich L. selbst, von Sonnenfels geleitet, zu einem vortrefflichen Darsteller, der, ein Liebling der Wiener, später mit Recht als „ein Stolz der Bühne“ bezeichnet wurde. Sein Fach waren erst jugendliche, später ältere Heldenrollen und man rechnete zu seinen besten Leistungen „Othello“, „Hamlet“, „Fiesko“, „Herzog Albrecht“ (Agnes Bernauer), „Coriolan“, „Czar Peter“ (Die Strelitzen), „Guelfo“ (Zwillinge), „St. Albin“ (Heldenvater), „Balboa“, „Odoardo“ (Emilia Galotti) etc. Im December 1810 wurde L. pensionirt, spielte aber von 1811–16 fast noch allwöchentlich als Gast und trat sogar 1817 von neuem in den Mitgliederverband ein, dem er nunmehr bis 1821 angehörte, um dann dauernd pensionirt zu werden. Zum letzten Male trat er am 27. April 1821 in Beer’s „Klytämnestra“ auf. Während dieser letzten Zeit spielte er ältere Rollen, wie den „Comthur“ im Nathan etc. Außerhalb Wiens ist L. nur wenig aufgetreten: 1784 gastirte er mit seiner Gattin beifällig in München und Hamburg und gab in letzterer Stadt außer „Essex“ und „Hamlet“, auch die Tenorpartien des Azor und Alexis. Zwei Jahre später besuchte er Venedig, um die italienischen Theater kennen zu lernen, 1789 Berlin. Die Urtheile über L. als Darsteller sind vorwiegend günstig. Meyer (Leben Schröder’s, I. 364 f.) sagt, sein Spiel habe wenig zu wünschen übrig gelassen. Gang, Haltung, Anzug und Benehmen seien malerisch gewesen, ohne daß er jemals ins Gezierte gefallen wäre. Der Vortrag befriedigte, wenn er kalt oder mit nicht sehr erschütterter Empfindung zu sprechen hatte, in leidenschaftlichen Stellen merkte man Triebwerk und Schule. Aber das Auge wurde [643] nach dem genannten Gewährsmann für das Ohr entschädigt, denn er bewegte sich so gefällig wie keiner und gab jeder Rolle etwas durchaus Eigenartiges und daß er ihr manches nicht gab, daran schien mehr früherer falscher Unterricht die Schuld zu tragen. Wenn übrigens Wurzbach (Oesterr. Lexikon, XIV. S. 99), sagt, nur Reichard in seinen Briefen über Deutschland (1783) habe gegentheiliges von L. gesagt, so irrt er sich, auch Schmid in seinen anonym erschienenen „Bemerkungen über das Londoner, Pariser und Wiener Theater“ (1786 S. 317 f.) nennt L. einen „höchst gleichgiltigen, frostigen Comödiant, der sich schon bläht, als wenn er Wunder was wäre“ und hat „eine ganz ekelhafte deutliche Deklamation, die ganz conversationswidrig, einem jedes Wort vorkaut“. Eine gewisse Aehnlichkeit dieses Urtheils mit den leise tadelnden Sätzen in dem Meyer’schen Urtheil läßt sich nicht verkennen; daß etwas Theatralisches den Lange’schen Darstellungen angeklebt haben muß, beweisen auch die Bilder, die man von ihnen hat. Auch Lewald’s Urtheil (Allg. Theatr. Revue, II. 337 ff.) spricht dafür, er nennt L. bei aller Anerkennung einen „künstelnden Künstler“, meint aber, sein Irrthum sei blos äußerlich, dagegen habe er alle inneren Vorzüge an Geist und Gemüth besessen, wie sie der alten Schauspielerschule zu eigen gewesen sind. Als Maler leistete L. namentlich im Porträt tüchtiges, eine größere Arbeit von ihm auf diesem Gebiet ist das Altarblatt „Verkündigung Mariens“ in der Kirche zu Nikolsburg. In der Landschaftsmalerei war Schönberger sein Lehrer. Für seine Fähigkeiten als Componist zeugen Lieder und Tänze, wie auch eine 1796 entstandene Operette „Adelheid von Ponthieu“, die an verschiedenen deutschen Bühnen mit gutem Beifall gegeben wurde. Sein Charakter war tadellos und er genoß die allgemeinste Achtung. Für seine Lebensgeschichte ist belangreich seine Selbstbiographie, die unter dem Titel „Biographie des Joseph L., K. K. Hofschauspieler“, 1808 erschien und auch manches allgemein Interessante enthält, darunter die einzige Schilderung von Mozart’s Wesen im Zustand künstlerischen Schaffens. Mit diesem war er verwandtschaftlich verbunden durch seine zweite Frau (die erste, geborene Schindler, Sängerin, war schon 1779 im Alter von 22 Jahren gestorben), die nachstehend angeführt ist.

Aloise Marie Antonie L., geborene Weber, Sängerin, Lange’s zweite Frau, Mozart’s Schwägerin, geb. um 1762 (1759?) zu Mannheim, † 1830 in Frankfurt a. M. Die Angaben über ihr Geburtsjahr, wie über den Ort ihres 1779 stattgefundenen Debüts sind schwankend, die einen lassen den letzteren Wien, die anderen Mannheim gewesen sein, doch meldet weder der Chronist der einen noch der anderen Bühne etwas davon. Von 1778–92 wirkte sie mit kurzem Unterbrechen an der Oper zu Wien, heirathete hier (1780) den Schauspieler Lange, den sie, wie schon angegeben, auch nach Hamburg und Berlin begleitete. Auch 1796 sang sie mit ihrer Schwester in Hamburg und fand außerordentlichen Beifall. Zwei Jahre später nahm sie eine Stellung im Mitgliederverband der deutschen Oper zu Amsterdam ein und zog sich dann nach Frankfurt a. M. zurück, ohne sich wieder mit ihrem Gatten zu vereinigen. L. gehörte zu den besten Sängerinnen. Mozart’s Vater (Nohl, Mozart im Urtheil seiner Zeitgenossen, S. 296) findet, daß sie mit „größter Expression“ singt, vermißt aber den rechten Ausgleich in Stärke und Schwäche. Schubert (Aesthetik der Tonkunst, S. 135) sagt von ihr „sie hat Höhe und Tiefe und markirt die Töne mit äußerster Genauigkeit. Sie singt mit ganzer und halber Stimme gleich vollkommen. Ihr Portamento, ihr Schweben und Tragen des Tones, ihre ausnehmende Richtigkeit im Lesen, ihre Feinheit im Vortrag, ihre Mezzotinta, das leicht geflügelte Fortrollen der Töne, ihre unvergleichlichen Fermen und Cadenzen, auch ihren äußeren majestätischen Anstand“ [644] hat sie nach dieser Quelle größtentheils Mozart zu verdanken. (Die Daten ihres Engagements sind nach Wlassak’s Chronik des Burgtheaters in Wien, die von denen anderer Quellen abweichen.)