ADB:Kletke, Hermann (1. Artikel)

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Kletke, Hermann“ von Ludwig Julius Fränkel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 51 (1906), S. 213–216, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Kletke,_Hermann_(1._Artikel)&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 03:25 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Nächster>>>
Kleutgen, Joseph
Band 51 (1906), S. 213–216 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Hermann Kletke in der Wikipedia
Hermann Kletke in Wikidata
GND-Nummer 116226900
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|51|213|216|Kletke, Hermann|Ludwig Julius Fränkel|ADB:Kletke, Hermann (1. Artikel)}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=116226900}}    

Kletke: Hermann K.[WS 1], Schriftsteller und Publicist, wurde am 14. März 1813 zu Breslau als Sohn eines bücherliebenden und büchersammelnden Rechtsanwalts geboren. Durch diese Schätze des Vaters, dessen Einfluß und Vorbild frühzeitig stark und nachhaltig angeregt, auch in Uebereinstimmung mit der [214] Familientradition (K. eignete noch 1852 ein geschichtliches Compendium dem aufgeklärten Vetter, Director der Breslauer Realschule Dr. C. A. Kletke [s. d. am Ende] zu), fühlte er sich von vornherein zu den „schönen Wissenschaften“ hingezogen. Auf dem Gymnasium und der Universität der Vaterstadt ausgebildet, schloß er seine Studien mit der Promotion zum Dr. phil. ab. Sein litterarisches Streben, auf die Belletristik gerichtet, bekundete sich schon beim 17jährigen, aus dessen Feder Gedichte und Erzählungen in Breslauer Zeitungen Aufnahme fanden. Als Student lieferte er Leipziger und Wiener Journalen feuilletonistische Beiträge in der Art der damals üblichen Correspondenzen, insbesondere Witthauer’s Modenzeitung. Im J. 1836 erschien die erste Sammlung seiner „Gedichte“ und im folgenden Jahre wandte er sich, einigermaßen zu Namen gelangt, nach Wien, eben dem Mittelpunkte eines jungen vorwärtsstrebenden Litteratenthums. Er verkehrte dort namentlich viel mit Nikolaus Lenau, der gerade zum Gipfel seines Ruhms emporstieg. Die Kaiserstadt an der Donau mit dem schweren Drucke der Metternich’schen Litteratur-Knebelung befriedigte die Hoffnungen des entwicklungsfrohen Jünglings nicht. Daher übersiedelte er noch 1837 nach Berlin, um sich daselbst nun niederzulassen: die preußische Hauptstadt ist denn auch auf die Dauer sein Wohnsitz geblieben. Eduard Hitzig, der geistvolle Criminalist und Litterat, führte den jungen K. in die „Montags-Gesellschaft“ ein, die die meisten Spitzen des geistig-schriftstellerischen Berlin vereinigte. Von den wichtigen Bekanntschaften, die er damals machte, gewann die mit Ludwig Rellstab einschneidende Bedeutung für ihn. Dieser, seit 1826 der Musikkritiker und bald danach amüsante Berichterstatter über alle Ereignisse des städtischen und gesellschaftlichen Lebens an der „Vossischen Zeitung“, vermittelte nämlich im April 1838 Kletke’s Mitarbeiterschaft bei dieser, dem ererbten Stammblatte des eigentlichen Berliner Bürgerthums. Fünf Jahre lang schrieb er für sie regelmäßige Kunstreferate und blieb dem großen linksliberalen Organ, das am 30. August 1844 mit dem ersten Leitartikel Berlins einen mächtigen Schritt der Journalistik einleitete, seitdem ununterbrochen verpflichtet. An einem kitzlichen Wendepunkte der inneren Politik, als die Reactionsperiode nachdrücklich einsetzte, trat K. am 1. August 1849 als Mitredacteur in den politischen Haupttheil der sog. „Tante Voß“ neben Dr. Otto Lindner, nach dessen Tode 1867 er die Chefredaction übernahm, um sie im Juli 1880, als jüngere Schultern für diese Last sich nöthig erwiesen, an Friedrich Stephany abzutreten. Fürder leitete K. nur noch die bekannte litterarische „Sonntagsbeilage zur Vossischen Zeitung“ mit Sorgfalt und Geschmack; Ende 1885 entsagte er auch dieser Thätigkeit und hat am 2. Mai 1886 zu Berlin das Zeitliche gesegnet, ein überaus würdiger Vertreter ehrenwerthester Publicistik und als solcher auch bei den Gegnern der von ihm stets entschieden verfochtenen fortschrittlichen Grundsätze geziemend geachtet.

Hermann K. hat sich trotz des arg beanspruchenden und aufreibenden Zeitungsdienstes Muße und Lust zu mannichfachen anderen litterarischen Arbeiten gerettet. In dreifacher Richtung bethätigte er sich da. Einmal als Lyriker: seine „Gedichte“ (1836, 1852, 1873, 1875, neue, vermehrte Gesammtausgabe 1881), „Lied und Spruch. Neue Gedichte“ (1853), zeichnen Wärme der Empfindung, Phantasie, sittlicher Ernst, sinnige Naturandacht, namentlich aber liebenswürdige Milde, zarte, schlichte Innigkeit aus, dazu maßvolle Frömmigkeit, welch letztere den ausgesprochen liberalen Publicisten sogar unter die Theilnehmer der strengconservativen orthodox-evangelischen Anthologie „Harfe und Leyer. Jahrbuch lyrischer Originalien. Herausgegeben von K. Barthel und L. Grote“ führten (I, 1854, S. 98–103; II, 1855, S. 130–132). [215] Die aufgezählten Eigenschaften lassen es völlig erklärlich erscheinen, wenn wir K. als fruchtbarem und glücklichem Jugendschriftsteller begegnen, der sich da einen mit Recht voll geschätzten Namen erworben hat. Man verdankt ihm Kinderlieder voll herziger Naivetät, sagt Leixner, welche sich den besten dieser Art an die Seite stellen dürfen. Dahin rechnen die „Kinderlieder“ (1846; in einer Gesammtausgabe 1882), ferner „Die Kinderwelt in Märchen und Liedern“ (1881). Damit haben wir den Uebergang zu seinen vortrefflichen Märchenbüchern, die heutzutage durch geschäftsmäßig hergestellte oder raffinirt aufgeputzte leider ziemlich aus ihrer verdienten Stellung verdrängt worden sind: „Deutsche Kindermärchen in Reime gebracht“ (1849), „Märchen meiner Großmutter“ (1851), „Ein Märchenbuch“ (1864), „Ein neues Märchenbuch“ (1869), „Märchen am Kamin“ (1871, also gleichzeitig hervorgetreten mit Richard Volkmann-Leander’s weitverbreitetem reizenden Märchen-Umguß „Träumereien an französischen Kaminen“). Auch „Buntes Leben. Gesammelte Erzählungen für die Jugend“ (1878) ist da zu nennen, während „Das Buch vom Rübezahl“ (1852), wo schlesisches Heimathgefühl mitsprach, das Bestreben Kletke’s offenbarte, seinen Fleiß Märchen u. ä. zu erneuern und zu sammeln, auch den Erwachsenen zu gute kommen zu lassen. So ist auch sein dreibändiger „Märchensaal aller Völker“ (1844/45) zu verstehen, mit dem wir zu Kletke’s drittem Revier litterarischer Wirksamkeit gelangen, den kundigen und tactvollen Sammlungen oder Anthologien. Auf poetischem Felde liegen davon, jedes mehr oder weniger an eine Seite seines selbständigen Schaffens anknüpfend: „Geistliche Blumenlese aus deutschen Dichtern“ (1839), „Deutsche Fabeln des 18. und 19. Jahrhunderts“ (1841), das ungemein verbreitete „Album deutscher Dichter“ (1843), „Deutsche Geschichte in Liedern, Romanzen, Balladen unserer Dichter“ (1854) u. a. Dazu gesellen sich auf wissenschaftlicher Grundlage folgende Compendien: „Handbuch zur Geschichte der neuen deutschen Literatur“ (1845), „Deutschlands Dichterinnen“ (1854, 3. Aufl. 1857), „Deutsche Schriftsteller des 18. und 19. Jahrhunderts“ (1854), und, etwas weiter abliegend, „Das Alterthum in seinen Hauptmomenten dargestellt. Eine Reihe historischer Aufsätze von Boeckh, Dahlmann u. A. [25 Fachautoritäten]“ 1852 herausgegeben und mit einer erstaunlichen Fülle weiterführender bibliographischer Nachweise von K. ausgestattet. Auch sonst hat dieser Leistungen Anderer zum Druck befördert, z. B. Frdr. Baron de la Motte Fouqué’s „Geistliche Gedichte“ (1846) und Briefe, „Aus Friedrich Förster’s Nachlaß (Aus der Jugendzeit. Erinnerungen an Goethe)“ und von demselben (1791–1868) „Kunst und Leben“ (1873). In allen seinen Sammelwerken und Prosaschriften verschiedenen Zwecks steckt ebensoviel redliche Arbeit wie Umsicht und Geschick; viele darunter haben in ästhetischer Hinsicht oder durch Förderung werthvoller Kenntnisse erkleckliches Verdienst. Als Prosaiker poetischen Ziels ist K. wol nur in dem Bändchen „Die Bürgerverschwörung zu Breslau. Die Royalisten in der Vendée“ (1840) mit diesen Novellen aufgetreten. (Weiteres am Ende dieses 51. Bd.)

Authentisch scheint der genaue Lebensabriß mit Bibliographie bei Frz. Brümmer, Lexik. d. dtsch. Dicht. u. Pros. d. 19. Jhs.4 u. 5 II, 229 f.; einzelnes außerdem im Artikel von Frz. Bornmüller’s Biogr. Schriftstellerlexikon (1882) S. 389 (wo irrig „Alex. v. Humboldt’s Leben u. Wirken, Reisen und Wissen. Von Dr. Herm. Klencke3 1869 auf Kletke’s Conto gesetzt scheint). Kürzer der Artikel in Ad. Stern’s Lex. d. dtsch. Nationallit. (1882) S. 202 f. Vgl. auch Hnr. Kurz, Gesch. d. dtsch. Lit. IV, 16a u. 703a, wonach allein er Gustav Hermann K. heißt und unter seinen mehreren gelungenen Erzählungen für die Jugend „Der Savoyardenknabe“ auszuzeichnen sei; R. Gottschall, Die dtsch. Nationallit. d. 19. Jahrh.6 III, 312; O. von [216] Leixner, Gesch. d. dtsch. Lit.2 S. 1052 (warmes Lob); C. Oltrogge, Gesch. d. dtsch. Dchtg. (1862) S. 605 (nennt ihn Schulrector zu Breslau: s. o.!). Ueber seine Wirksamkeit an der „Vossischen Zeitung“, die ihm auch unmittelbar nach dem Tode einen schönen sorgfältigen Nekrolog gewidmet, sehe man G. Dahms, Das Litterarische Berlin (1895) S. 27 f., jetzt aber Arend Buchholtz, Jubiläums-„Geschichte der Voss. Ztg.“ (1904, S. 129/30, 163/4 u. ö.; vgl. auch die Sonntagsbeilage Nr. 44 dess. Jahrggs.). Einen lehrreichen Einblick in H. Kletke’s literarische Verbindungen als Redacteur des großen Moniteurs thut man in Leo Liepmannssohn’s (Berlin) 27. Autographen-Auction 27. März 1901, wo viele interessante aus Kletke’s Correspondenz unter den Hammer kamen (s. A. D. B. XLVII, 171).


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Über diese Person existiert im selben Band ein ergänzender Artikel.