ADB:Kistler, Peter (Berner Schultheiß)

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Artikel „Kistler, Peter“ von Emil Blösch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 16 (1882), S. 38–40, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Kistler,_Peter_(Berner_Schulthei%C3%9F)&oldid=- (Version vom 23. Dezember 2024, 03:22 Uhr UTC)
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Kistler: Peter K., Schultheiß von Bern, † 1480. Er stammte aus einer wohlhabenden bürgerlichen Familie der Stadt Bern, schon sein Großvater wird unter den steuerzahlenden Hausbesitzern genannt. Er selbst betrieb das Fleischerhandwerk und that sich bald durch sein gewandtes, aber ehrgeiziges und hochstrebendes Wesen unter seinen Mitbürgern hervor. Im J. 1440 wurde er in den Großen Rath aufgenommen und 1452 zum Mitglied des Kleinen oder täglichen Rathes, d. h. der Regierungsbehörde, erwählt. Gleichzeitig erhielt er auch das Amt eines Landvogtes auf dem Schlosse Trachselwald im Emmenthal. 1458 wurde er Venner (Pannerträger und Vorsteher) der Zunft der Metzger, wozu nur sehr selten ein Mann aus dem bürgerlichen Handwerkerstande gelangte. Mehrmals war er nun Abgesandter von Bern an den Eidgenössischen Tagsatzungen, und im Kriege mit Oesterreich, im J. 1468, führte er, unter dem Oberbefehle Adrians v. Bubenberg, einen Theil der Bernischen Mannschaft in den Sundgau. Als Venner der Metzgerzunft war ihm die obere Verwaltung des einen der „vier Landgerichte“ übertragen, und diese Eigenschaft gab ihm Gelegenheit zu einem in die Geschichte Berns tief eingreifenden Auftreten. Die Stadt, die seit 1191 für sich allein und ohne Gebiet dagestanden, hatte es im Laufe des 14. Jahrhunderts verstanden, den größten Theil des kleinen Adels, die Gerichts- oder Twingherren der umliegenden Gegend, durch Bürgerrechtsverträge in ihre Interessen zu ziehen; viele andere Herrschaften brachte sie bei günstigen Gelegenheiten durch Kauf, Pfandschaft oder Eroberung in ihren Besitz. Ueber [39] diese letztere übte die Stadt unmittelbar, über die ersteren wenigstens mittelbar die landeshoheitliche Gewalt. Diese Twingherren, die sich meistens auch in der Stadt niederließen, erlangten hier sehr natürlich entscheidenden Einfluß; gerne überließ die Bürgerschaft diesen ökonomisch unabhängigen, durch Kriegserfahrung und administrative Tüchtigkeit ausgezeichneten Männern die Führung ihrer öffentlichen Angelegenheiten und vertraute ihnen die damals wenig einträglichen, aber mit vielen Opfern an Zeit und Geld verbundenen höchsten Aemter an. Es lag im Vortheil der Stadt, die Rechte ihrer adeligen Bürger über deren Unterthanen zu schützen und möglichst auszudehnen; sie erweiterte damit nur ihre eigenen Machtbefugnisse. Später hatte sich jedoch dieses Verhältniß völlig verändert. Im J. 1389 hatte nämlich Bern in Folge eines glücklich geführten Krieges mit dem Hause Oesterreich die Landgrafschaft des linken, und 1406 durch Kauf von den verarmten Grafen von Kyburg auch die Landgrafschaft des rechten Aare-Ufers gewonnen, und so war die Stadt in die rechtliche Stellung der früheren Besitzer getreten, indem ihr nun im Namen des Reiches das Recht der hohen Gerichtsbarkeit und des Mannschaftsaufgebotes, sowie die Pflicht der Handhabung des Landfriedens oder der öffentlichen Ruhe und Sicherheit etc. zukam. Im J. 1415 wurde diese Stellung durch den Kaiser Sigismund förmlich anerkannt und sanctionirt. Von diesem Augenblicke an lag es im Interesse der Stadt, die vorher ignorirten landgräflichen Competenzen den Twingherren gegenüber geltend zu machen; und je mehr zugleich das Bedürfniß nach einer einheitlichen Ordnung der Landesverwaltung sich regte, um so unbequemer traten ihrem Regiment die feudalen Vorrechte der Herren in den Weg. K. nun hatte den Muth „zu Nutz und Ehre der Stadt“, wie das Stichwort lautete, den Kampf mit den im Rathe und in den Aemtern allmächtigen Geschlechtern aufzunehmen. Als Venner seines Landgerichts provocirte er im J. 1470 einen Conflict und leitete damit eine demokratische Bewegung ein, in Folge deren er selbst zu Ostern 1470 bei der regelmäßigen Erneuerung der sämmtlichen Regierungsbehörden auf den Stuhl des Schultheißen, des obersten Magistrates der Stadt, erhoben wurde. Nach langen parlamentarischen Verhandlungen und politischen Kämpfen, von deren Gang die treffliche Schilderung des damaligen Stadtschreibers Thüring Frikard (Bd. VIII S. 89) ein sehr anschauliches Bild gibt, wurde mit den Twingherren eine friedliche Vereinbarung erzielt. Hatte auch das Auftreten des Handwerker-Schultheißen mehr von Ungestüm und Energie als von Klugheit Zeugniß gegeben, so gelang es ihm doch, einen höchst bedeutenden Sieg zu erringen, einige sehr wesentliche Concessionen zu Gunsten der Bürgerschaft und ihrer hoheitlichen Befugnisse über das Land durchzusetzen. Sogar den Widerstand der Herren – und Damen – gegen ein vom Rathe erlassenes Kleiderreglement wußte er trotz eines demonstrativen Auszuges aller vornehmen Familien aus der Stadt in seiner Wirkung zu vereiteln. K. wurde zwar nach Verfluß seines Amtsjahres nicht wieder zum Schultheißen erwählt, behielt jedoch eine ehrenvolle Stellung. Als Alt-Schultheiß war er Stellvertreter des Staatsoberhauptes in den wichtigen Tagen des Krieges gegen den Herzog Karl von Burgund (1476). Er starb 1480. Einer seiner Gegner im Rathe, der ihm Ehrgeiz und Neuerungssucht zum Vorwurf machte, bezeugte von ihm: „Wenn er allezeit sein selbst wahrgenommen und bedacht hätte, wer er wäre, und von wannen, und was sein Stand und Vermögen sei, und wenn er nicht so geldgierig gewesen wäre – an Weisheit und Wohlredenheit hätte er den Preis vor allen Bernern!“ Fehlte es ihm vielfach an weltmännischem Tacte, so besaß er dagegen unstreitig einen staatsmännischen Blick, vermöge dessen er das Bedürfniß der Stadt klar erkannte und die Stadt ihrer wahren Aufgabe für die Zukunft, der Mittelpunkt eines Staats zu werden, um einen großen Schritt näher brachte. – Einer seiner Söhne, ebenfalls [40] Peter genannt, widmete sich dem geistlichen Stande und brachte es darin zu hohen Ehren; er wurde Propst zu Zofingen und Dekan des Stifts zu Bern; mehrmals wurde er zu auswärtigen Gesandtschaften verwendet, so ging er im Auftrage der Regierung 1481 zum Papste und 1489 zu König Karl VIII. von Frankreich. Er starb 1492 und mit ihm scheint die Familie des Schultheißen erloschen zu sein.

Thüring Frickart’s Twingherrenstreit. Berner Chronik des Bendicht Tschachtlan, beides hrsg. von G. Studer in: Quellen zur Schweizer Geschichte Bd. I. 1877.