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Artikel „Fricker, Thüring“ von Emil Blösch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 8 (1878), S. 89–90, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Fricker,_Th%C3%BCring&oldid=- (Version vom 29. März 2024, 06:43 Uhr UTC)
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Frikard: Thüring F. (Frikart oder Frikker), wie er sich selbst schrieb, stammte aus einem achtbaren Bürgergeschlechte der Stadt Brugg im Aargau. Sein Vater Nicolaus, erst Stadtschreiber in seiner Vaterstadt, wurde zur Uebernahme des nämlichen Amtes 1446 nach Bern berufen, welches seit 1415 den Aargau beherrschte. Thüring muß zufolge des beim Tode erreichten Alters im J. 1429 geboren sein. Ueber seine Jugendbildung, die ohne Zweifel von Anfang den Beruf des Vaters in Aussicht nahm, sind nur Vermuthungen möglich; er scheint auf einer der italienischen Universitäten Bologna oder Padua sie vollendet zu haben. Er trug den Titel eines Doctor juris, als er 1469 definitiv vom Rathe zu Bern zum Nachfolger seines Vaters bestellt wurde. In den Jahren, da die Schweiz, und insbesondere Bern, in die Burgunderkriege hineingezogen, in der Politik der europäischen Mächte eine Rolle zu spielen begann, diente derselbe seiner aristokratisch-republikanischen Regierung als rechts- und sprachkundiger Beirath. 1474 wurde er nach Rom gesandt, um vom Papste die Reformirung der zuchtlosen Klosterfrauen zu Interlaken zu erlangen, und im nämlichen Jahre hatte er zu Neuenburg einer Friedensconferenz mit einer burgundischen Gesandtschaft beizuwohnen. Schon 1475 reiste er zum zweiten Male nach Rom, um von Sixtus IV. eine Ablaßbulle zu Gunsten des kostbaren Münsterbaues zu erwirken; die Sendung hatte zwar nicht den gewünschten Erfolg, brachte jedoch dem Träger derselben die Würde eines Doctors auch des canonischen Rechts. Nach dem Siege bei Murten begleitete er die Abgeordneten Berns nach Freiburg zum Friedensschlusse mit Savoyen. Der Wunsch Berns, das Bisthum Genf mit einem seiner Schützlinge besetzt zu sehen, führte ihn 1483 noch einmal nach Rom. Im J. 1496 auf sein Verlangen der Obliegenheiten des Stadtschreibers enthoben, blieb er im Rathe und im diplomatischen Dienste der Stadt; 1497 hatte er mit Straßburg einen Bundesvertrag abzuschließen, und im folgenden Jahre mußte er eine Mission übernehmen zu Kaiser Maximilian auf den Reichstag zu Freiburg im Breisgau, um den drohenden Krieg der Eidgenossen mit dem Reiche abzuwenden; und als dieser Krieg 1499 dennoch zum Ausbruch gekommen, war es wieder Doctor Thüring, der zu Basel zur Abfassung der Friedensartikel mitzuwirken hatte. Wiederum rief ihn 1507 die Tagsatzung nach Schaffhausen, und von dort eine Einladung des Kaisers an den Reichstag nach Constanz. Seine Kenntniß des Rechts wurde nicht minder in Anspruch genommen, als Bern den langen und schwierigen Proceß einleitete gegen die Dominikaner, die den unter der Bezeichnung des Jetzerhandels berüchtigten Klosterskandal aufgeführt hatten. Noch 1508 und 1511 finden wir ihn im Auftrage Berns in Rheinfelden und in Solothurn, um in Grenzstreitigkeiten zu unterhandeln, noch 1516 und 1517 war er Vertreter der Stadt auf eidgenössischen Tagen. Im J. 1512 aus dem Rathe entlassen, zog er eine Zeit lang nach Brugg, wo er nach dem Tode seiner ersten Gattin im höchsten Alter noch eine zweite Ehe schloß und Kinder erzeugt haben soll. Einer seiner Söhne zeichnete sich als eifriger Anhänger der reformirten [90] Lehre aus; eine seiner Töchter wird als die Mutter des Malers Nicolaus Manuel genannt. Mehr als 90 Jahre alt starb er 1519. F. war einer der ersten Stadtschreiber, welche in Bern ein schriftliches und verhältnißmäßig sorgfältiges Protocoll der Rathssitzungen abfaßten und die abgesendeten Missiven sammelten. 75 Bände des Rathsmanuals sind größtentheils von seiner Hand geschrieben, ebenso 7 deutsche und 4 lateinische Missivenbücher. Nicht weniger als 81 Mal vertrat er Bern auf Tagsatzungen. Sein bleibendstes Verdienst erwarb er sich durch die „Beschreibung des Twingherrenstreits“ von 1470. Einer äußerlichen, geringfügigen, bürgerlichen Streitigkeit wußte er durch treffliche Schilderungen der auftretenden Personen und der Vorgänge, vorzüglich durch die äußerst lebendige Wiedergabe der im Rathe gehaltenen Reden und Gegenreden, ein außerordentliches Interesse und großen Reiz zu verleihen, so daß Haller in seiner Bibliothek der Schweizergeschichte diese Schrift „das beste Stück nennt, so man über eine helvetische Begebenheit lesen kann“. (Gedruckt im Helvetischen Museum von 1735, neu herausgegeben von Emanuel v. Rodt, Bern 1837. Eine neue kritische Bearbeitung von der Schweiz. Geschichtsforschenden Gesellschaft veranstaltet, ist in Kurzem vollendet.)