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Artikel „Kern“ von August Wintterlin in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 15 (1882), S. 633–635, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Kern&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 14:56 Uhr UTC)
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Kern: Die fränkische Bildhauerfamilie K. hat im 16.–17. Jahrhundert vier Generationen hindurch eine Reihe von tüchtigen Künstlern geliefert. Wir geben im Folgenden eine Zusammenstellung derselben, soweit dies nach dem gegenwärtigen Stande der Forschung mit einiger Sicherheit geschehen kann.

I. Erste Generation. Der Stammvater Michael K. (I.) lebte, als „Maurer und Bildhauer“, wie ein alter Stammbaum des Hauses sagt, zu Forchtenberg, einem ehemals hohenlohenschen, jetzt württembergischen Städtchen am Kocher und starb daselbst 74 Jahre alt am 2. März 1603. Ein Werk von ihm ist bis jetzt noch nicht nachgewiesen.

II. Zweite Generation. Michael K. (II.), des vorigen Sohn, ist geboren zu Forchtenberg im J. 1555, † daselbst den 13. Nov. 1634. Von ihm dürften herrühren: 1) das Wandgrabmal seiner Eltern aus Sandstein und Alabaster auf dem Friedhofe seiner Vaterstadt; 2) eine schöne Brücke bei dem Kloster Schönthal an der Jaxt, an welcher des Meisters vollbartiges und lockigs Brustbild angebracht ist mit der Unterschrift: Michael K., Burger zu Forchtenberg, werckmeister diser Brucken, 1609; 3) das im J. 1614 an ihn mit der Bedingung der Vollendung im J. 1616 vergebene Alabasterfreigrabmal des Grafen Ludwig von Löwenstein und seiner Gemahlin Anna geb. Gräfin von Stollberg in der Pfarrkirche zu Wertheim; 4) die (undatirte) Kanzel in der Kirche zu Forchtenberg aus Sandstein und Alabaster mit den Reliefs der vier Evangelisten, als ein Werk aus der Familie K. gekennzeichnet durch einen Meisterschild mit dem Monogramm M. K. und einem Steinmetzzeichen. Der Zeit nach könnten allerdings Nr. 2 und 3 und als undatirt auch Nr. 4 auch seinem Sohne Michael K. (III.) angehören, wie denn Nr. 2 demselben wirklich von C. Becker (vgl. Deutsches Kunstblatt, Jahrg. 6 (1855), S. 164 ff.) zugetheilt ist; sie sind aber doch aus Gründen des Stiles und zum Theil auch wegen der gleichzeitigen Beschäftigung des Sohnes in Würzburg mit größerer Wahrscheinlichkeit als Werke des Vaters anzusehen.

III. Dritte Generation. 1) Michael K. (III.), Sohn des vorigen, geb. den 23. August 1580 zu Forchtenberg, † daselbst den 31. August 1649, überragte den Vater als Künstler weit und ist überhaupt den besten deutschen Bildhauern der Barockzeit beizuzählen. Er wurde 1606 in die Bildhauer- und Malerzunft zu Würzburg aufgenommen und fand bei den baulustigen und kunstfreundlichen Bischöfen dieser Stadt eine seines Talentes würdige Beschäftigung. Wir kennen von ihm folgende Werke in Würzburg, zu welchen aber gewiß in fränkischen Schlössern und Kirchen noch weitere aufzufinden wären: 1) den Alabasteraltar in der Hauskapelle des Bischofshofes; 2) die vier sitzenden Evangelisten, [634] die stehenden Kirchenväter und fünf Passionsscenen an der 1610 vollendeten Kanzel des Domes; 3) das Wandgrabmal des Bischofs Julius Echter von Mespelbrunn († 1617) im Dom; 4) das des Obersten Bauer von Eiseneck († 1621) im Domkreuzgang und 5) das des Bischofs Joh. Gottfried von Aschhausen im Dom (vgl. Niedermayer, Kunstg. d. St. Wirzburg und Becker a. a. O.).

2) Leonhard K., ein Bruder des vorigen, geb. den 22. Nov. 1588 zu Forchtenberg, † im J. 1663 zu Schwäbisch Hall. Er hielt sich (vgl. über ihn und seine nachfolgenden Söhne: Sandrart, Teutsche Acad., Thl. II, S. 343) lange in Italien auf und bildete sich sowol in der Bildhauerei, als auch in der Baukunst aus. In Stein, Holz und Elfenbein arbeitend, erwarb er sich große Berühmtheit. Um 1617 finden wir ihn in Heidelberg bei dem Churfürsten; später in Nürnberg. Im J. 1648 wurde er (vgl. Füßli, A. K. L., 2. Aufl., Thl. II, S. 619) mit 500 Rthlr. Gehalt als kurf. brandenburgischer Hofbildhauer angenommen. Daher finden sich Elfenbeinschnitzereien von seiner Hand in der jetzt mit dem Deutschen Gewerbemuseum vereinigten Berliner Kunstkammer, worunter namentlich eine „ungemein kunstreich componirte“ Gruppe von 8¾ Zoll Höhe, Adam und Eva vorstellend, gerühmt wird (vgl. Kugler, Beschreibung der in der königl. Kunstkammer zu Berlin vorhandenen Kunstsammlung, S. 252 und Monogr.-Tafel). Von seinen Steinsculpturen, welche sehr zahlreich und „fast durch ganz Teutschland“ verbreitet gewesen sein sollen, können wir bis jetzt nur nachweisen: 1) an den drei dorischen Säulenportalen des Rathhauses zu Nürnberg je zwei liegende Sandsteinfiguren, gefertigt ca. 1618, die Gerechtigkeit, die Wahrheit und vier Monarchieen unter den Bildern von Ninus, Cyrus, Alexander und Cäsar (vgl. Rettberg, Nürnb. Kunstleben, S. 172); in der St. Michaeliskirche zu Schwäbisch Hall ein Steinrelief mit der Auferstehung der Todten nach Ezechiel, eingelassen in das Holzepitaph des Stättemeisters Stellwag. Da dieser erst 1721 starb, muß der Stein früher eine andere Bestimmung gehabt haben. Wann Meister K. von Berlin oder Nürnberg nach Schwäbisch Hall, wo er (nach Füßli) Mitglied des äußeren Rathes wurde, übersiedelte, ist nicht bekannt.

3) Peter K., ein dritter Sohn von Michael K. (II.), geb. den 26. Sept. 1594 zu Forchtenberg, soll nach einer Bemerkung im dortigen Kirchenbuche Bildhauer in Koblenz gewesen sein; wir können aber bis jetzt keine Arbeit desselben nachweisen.

4) Ein Hans K., welcher nach S. 181 des angeführten Werkes von Rettberg, „die in Stuck halberhobene Darstellung des 1446 gehaltenen Gesellenstechens an der Decke des oberen Rathhausganges in Nürnberg im J. 1621“ fertigte, könnte der im J. 1588 geborene Sohn des zweiten Sohnes von Michael K. (I.), Andreas (geb. 1564), sein oder der 1579 geborene Enkel eines Hans K., Bruders von Michael K. (I.), wenn er überhaupt, was noch zu beweisen wäre, dieser Familie K. angehört.

IV. Vierte Generation. 1) Achilles K., geb. den 6. Nov. 1607, † den 20. Jan. 1691 zu Forchtenberg, ein Sohn von Michael K. (III.), verfertigte im J. 1659 das große Alabasterfreigrabmal des österreichischen Generalfeldmarschalls Grafen Melchior von Hatzfeld in der Bergkirche zu Lauderbach OA. Mergentheim und vermuthlich auch zwei Wappen an dem 1681–83 gebauten Marstallsthore des Schlosses zu Oehringen, beides Werke, welche auch ihn einer gründlicheren Wiedererweckung durch die kunstgeschichtliche Forschung würdig erscheinen lassen.

2) Constantin K., ein Sohn von Leonhard K., geb. den 5. Febr. 1618, widmete sich der Malerei und erweckte die größten Hoffnungen. Er machte eine Studienreise nach Italien, kam aber bald krank zurück. Durch einen unglücklichen [635] Fall zu Würzburg erlitt seine Gesundheit noch einen weiteren Stoß, so daß er in der Blüthe seines Lebens hinsiechte.

3) Johann Jacob K., dessen Geburtsjahr uns unbekannt ist, war ein jüngerer Bruder des vorigen. Er lernte bei seinem Vater Leonhard K. die Bildhauerei und bildete sich in Italien weiter aus. Nach Nürnberg im J. 1656 zurückgekommen, heirathete er 1658 Maria, die zweite Tochter des Glasschneiders Georg Schwanhard d. Ae., welche selbst eine geschickte Glasschneiderin war. Als er aber im ersten Jahre seine Frau durch eine unglückliche Entbindung verlor, litt es ihn nicht mehr in Nürnberg. Er ging zuerst nach Holland und machte in Amsterdam viele Arbeiten für das neue Rathhaus. Von dort kam er nach England und bekam in London vom König und von anderen vornehmen Liebhabern schöne Aufträge. Eben im Begriffe wieder auf das Festland zurückzukehren, verfiel er im J. 1668 in eine Krankheit, welche ihn ungefähr im 36. Lebensjahre jählings wegraffte. Er wurde zu London begraben und erhielt dort ein Denkmal.