Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Kalliwoda, Johann Wenzel“ von Moritz Fürstenau in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 15 (1882), S. 39–40, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Kalliwoda,_Johann_Wenzel&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 22:15 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Kallenbach, Helwig
Band 15 (1882), S. 39–40 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Johann Wenzel Kalliwoda in der Wikipedia
Johann Wenzel Kalliwoda in Wikidata
GND-Nummer 116032529
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|15|39|40|Kalliwoda, Johann Wenzel|Moritz Fürstenau|ADB:Kalliwoda, Johann Wenzel}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=116032529}}    

Kalliwoda: Johann Wenzel K., geb. am 21. Febr. 1801 in Prag, besuchte vom 10. bis 16. Lebensjahre das dortige Conservatorium für Musik und machte insbesondere auf der Violine unter Leitung des trefflichen Friedr. Wilh. Pixis sehr rasche Fortschritte. Nach Absolvirung des sechsjährigen Unterrichtes trat K., versehen mit den besten Zeugnissen auch in der Composition, 1817 als Violinist in das Theaterorchester Prags. Im J. 1822 gab er diese Stellung auf und unternahm eine Kunstreise nach München, wo ihn der kunstsinnige Karl Egon, Fürst von Fürstenberg hörte und sofort an Konradin Kreutzer’s Stelle als Capellmeister in Donaueschingen engagirte. Dort leitete er mit Erfolg und Geschick die Hofcapelle, hatte als Solist und Componist reiche Gelegenheit, sein Talent zu entfalten und ertheilte den fürstlichen Kindern Musikunterricht. Vielfache Kunstreisen machten ihn auch nach auswärts bekannt und beliebt. Nachdem die Stürme des J. 1848 den Fürsten zu zeitweiliger Aufhebung seiner Capelle veranlaßt hatten, brachte K. einige Jahre privatisirend in Karlsruhe zu, bis er 1859 wiederum zur Uebernahme seines Postens nach Donaueschingen berufen wurde. Dort organisirte er die fürstliche Capelle von Neuem und blieb an der Spitze derselben bis zu seiner wegen eines Herzleidens erbetenen Pensionirung am 7. Juni 1866. Er zog nun mit seiner Familie nach Karlsruhe, wo sein Sohn Wilhelm als Hofcapellmeister angestellt war, starb dort aber bereits am 3. Decbr. 1866. Mit ihm schied ein reich begabter Künstler aus dem Leben, der sich durch seine Leistungen die allgemeinste Anerkennung, durch Liebenswürdigkeit des Geistes und heitere Geselligkeit allseitige Beliebtheit erworben hatte. Als Violinvirtuos zeichnete er sich durch bedeutende Fertigkeit, wohlthuende Reinheit des Spiels und edlen Ton aus. – Als Componist entfaltete K. seit 1825 eine außerordentliche Thätigkeit; er hat über 250 Werke [40] veröffentlicht. Sie bestehen in vielen Solo- und Concertstücken für Violine mit und ohne Begleitung, desgleichen für Clavier mit und ohne Violine, Violinquartetten, Sonaten, Trio’s und Quartetten für Clavier und Streichinstrumente, 17 Ouvertüren und 6 Symphonien, zahlreichen Liedern für eine Singstimme, Quartetten für Männer- und gemischte Chöre, 1 Messe, 2 Opern: „Blanda“ und „Prinzessin Christine“, letztere nur in Bruchstücken veröffentlicht. – Ein ziemlich genaues Verzeichniß seiner Werke giebt Wurzbach im Biographischen Lexikon des Kaiserthums Oesterreich, 10. Theil, S. 397 ff. Viele dieser Sachen waren zu ihrer Zeit sehr beliebt, insbesondere die Ouvertüren und Symphonien, welche noch hier und da auf dem Repertoir der Civil- und Militärmusikchöre erscheinen; im Uebrigen ist der so productive und beliebte Componist gänzlich der Vergessenheit anheimgefallen. Schumann nennt K. den „heiteren harmonischen Menschen“. Dieser Ausspruch trifft den Nagel auf den Kopf. K. schuf leicht und rasch, freilich auch ohne tiefere selbständige Gestaltung. Er gehörte zur großen Zahl jener Epigonen der klassischen Zeit, welche lustig und unbekümmert musicirten, bis mit Mendelssohn und Schumann eine neue ernstere Zeit anbrach, welche über sie zur Tagesordnung überging. Am schwächsten erscheint K. in seinen oft potpourriartigen Violincompositionen, am stärksten in seinen klassischen Mustern nachgebildeten Ouvertüren und Symphonien. Unter letzteren ragt besonders die erste in F-moll hervor. Von seinen Vocalcompositionen hat sich der treffliche Männerchor „Das deutsche Lied“ erhalten.

Badische Biographien I., Heidelberg 1875. S. 441 ff.