Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Jung, Andreas“ von Hermann Baumgarten in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 14 (1881), S. 693–694, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Jung,_Andreas&oldid=- (Version vom 13. Dezember 2024, 10:11 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Junckers, Goessen
Nächster>>>
Jung, Johann
Band 14 (1881), S. 693–694 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Kein Wikipedia-Artikel
(Stand Januar 2019, suchen)
André Jung in Wikidata
GND-Nummer 117233528
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|14|693|694|Jung, Andreas|Hermann Baumgarten|ADB:Jung, Andreas}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=117233528}}    

Jung: Andreas J., Historiker, Theolog und Bibliothekar, wurde am 20. Juni 1793 in Straßburg geboren; sein Vater gehörte der ansehnlichen Schifferzunft an; seine Familie kann in Straßburg bis ins 16. Jahrhundert zurück verfolgt werden. Auf dem protestantischen Gymnasium seiner Vaterstadt vorgebildet besuchte er seit 1809 die protestantische Akademie daselbst, mit theologischen und historischen Studien beschäftigt. 1816 begab er sich nach Göttingen, wo er bei Eichhorn und Heeren, namentlich aber bei Planck seine geschichtlichen Kenntnisse vervollständigte und von dem letzteren einen tiefwirkenden Antrieb zu kirchengeschichtlichen Arbeiten empfing. 1817 nach Straßburg zurückgekehrt konnte er mehrere Jahre ganz seinen wissenschaftlichen Studien leben. 1821 betheiligte er sich an der Begründung von „Timotheus, Zeitschrift zur Beförderung der Religion und Humanität“, in welcher er verschiedene kirchengeschichtliche Artikel besonders über Reiser, den Vorläufer der Reformation in Straßburg, und über Bucer veröffentlichte. Am Ende desselben Jahres wurde er zum Pädagogen des Studienstiftes St. Wilhelm ernannt, für dessen Zöglinge er 1823 Vorlesungen über Encyklopädie der Theologie zu halten begann. Seit 1826 dem protestantischen Seminar als Hülfsprofessor beigegeben übte er als Gelehrter und Pädagog eine segensreiche Thätigkeit. Daneben gingen seine kirchengeschichtlichen Untersuchungen unausgesetzt fort, welche sich mehr und mehr auf die Reformationsgeschichte Straßburgs concentrirten. Dieselbe lag noch in tiefem Dunkel, als J. 1830 mit seinen „Beiträgen zu der Geschichte der Reformation“ hervortrat, welche zum ersten Male aus den seit Jahrhunderten für diesen Gegenstand fast unbenützt gebliebenen Archiven und Bibliotheken der Stadt ein reiches Licht über Straßburgs größte Zeit verbreiteten. Das erste Bändchen beschäftigte sich vornehmlich mit dem Speierer Reichstage von 1529; J. erwarb [694] sich ein großes Verdienst durch die Mittheilung der Correspondenz, welche während dieses Reichstages die Boten Straßburgs, Jakob Sturm und Mathis Pfarrer, mit dem Rath der Stadt führten. Im zweiten Bande gab J. eine Geschichte der Straßburger Reformation aus den Quellen, die indessen nur bis 1524 reichte. Die Vollendung des wichtigen Werkes sowie die Ausführung verschiedener anderer litterarischen Pläne, unter denen eine Geschichte des Straßburger Humanismus und eine Biographie Bucer’s genannt zu werden verdienen, wurde durch die immer ausgedehntere praktische Thätigkeit Jung’s verhindert. Denn seit 1830 hatte er als ordentlicher Professor Vorlesungen über Dogmengeschichte, seit 1838 über Kirchengeschichte am Seminar zu halten; ganz besonders beschäftigte ihn aber seit 1826 die Neuordnung der großen Bibliothek der Stadt, deren ersten Grund einst Jakob Sturm gelegt, und der damit im selben Gebäude vereinigten Bibliothek des Seminars. Mit einer geradezu bewundernswerthen Thätigkeit schuf er zunächst für diese kostbaren Sammlungen eine passende Einrichtung desjenigen Theils der neuen Kirche, in welchem sie aufbewahrt wurden, dann einen systematischen Katalog der etwa 200 000 Bände (2 Foliobände für die Incunabeln, 94 Foliobände für die späteren Drucke) und endlich ein genaues Verzeichniß der Handschriften in 5 Foliobänden, letzteres ganz von seiner Hand geschrieben. Lange Jahre widmete er seine ganze von den Vorlesungen nicht in Anspruch genommene Zeit dieser gewaltigen Arbeit mit einer höchst preiswürdigen Hingebung. Besonders sein Handschriftenkatalog wird von denen, welche so glücklich waren, ihn benutzen zu können, als eine meisterhafte Leistung gepriesen. Wenn man hinzu nimmt, daß J. den römischen Alterthümern des Landes die lebhafteste Theilnahme widmete und darüber verschiedene kundige Aufsätze schrieb, daß er an der Vertheidigung der großen protestantischen Stiftungen der Stadt gegen die bedrohlichen Angriffe, welche sie in den vierziger und namentlich in den fünfziger Jahren von katholischer Seite erfuhren, in hervorragender Weise sich betheiligte, daß er als Vertreter des Seminars im Oberconsistorium an der Leitung der evangelischen Kirche des Elsasses mitwirkte, daß er bei zahlreichen gemeinnützigen Unternehmungen, seien sie der Wohlthätigkeit oder der Bildung gewidmet, seine Kraft zur Verfügung stellte, daß er als Bibliothekar Jedermann mit aufopfernder Liebenswürdigkeit entgegenkam, daß er ein stilles, aber gesegnetes Familienleben führte, so gewinnt man das Bild eines Mannes, welcher uns die besten Zeiten Straßburgs in seiner Person vergegenwärtigt, eines vortrefflichen Gelehrten, eines warmen Protestanten und eines ausgezeichneten Bürgers. – 1860 drohte seiner Lieblingsschöpfung eine ernste Gefahr durch einen Brand, welcher das an die Bibliothek stoßende protestantische Gymnasium zerstörte. Auf den ersten Schlag der Feuerglocke eilte J. in die Bibliothek, leitete die Löscharbeiten, stand viele Stunden an dem bedrohtesten Punkte im Wasser und wich nicht von seinem Posten, bis die Gefahr vollständig beseitigt war. Aber mit dieser Rettung hatte der 67jährige Mann seiner bis dahin rüstigen Gesundheit einen Stoß versetzt, dessen Folgen er am 12. Octbr. 1863 erlag. Mit den Worten: „Ich bin glücklich“ verschied er. Als ihm sein College Schmidt die Gedächtnißrede hielt, meinte er, in der Bibliothek habe sich J. ein Denkmal errichtet, das die Zeit nicht zerstören werde. Nur mit Wehmuth kann man heute diese Worte lesen, wo die unschätzbare Sammlung, welche J. erst in vollem Maße der Welt erschlossen hatte, bis auf das letzte Blatt vernichtet ist. Hätte im August 1870 ein J. an ihrer Spitze gestanden, so würde wol wenigstens alles Unersetzliche gerettet worden sein.

Vgl. Ch. Schmidt, Discours pour rendre les derniers honneurs académiques à M. André Jung. Straßb. 1864.