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Artikel „Reiser, Friedrich“ von Ludwig Keller in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 28 (1889), S. 121–122, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Reiser,_Friedrich&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 06:07 Uhr UTC)
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Reiser: Friedrich R., hat unter den sog. Waldensern während der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts als Wanderprediger und Bischof gelebt und gewirkt. R. war um das Jahr 1402 geboren und zwar, wie es scheint, zu Deutach bei Schwäbisch-Wörth, wo sein Vater, Konrad Reiser, lange Zeit gelebt hat. Seit seinem 16. Lebensjahr befand sich Friedrich R. in Nürnberg, wo er im Hause des Hans v. Plauen seine weitere Ausbildung empfing, um später als wandernder Prediger innerhalb seiner Gemeinschaft zu wirken. In Nürnberg lernte er verschiedene Wortführer seiner Partei, vor Allem den bekannten Anhänger John Wiclif’s, Peter Payne, kennen, mit dem er von da an in dauernder Beziehung blieb. Im J. 1420 wurde Friedrich R. mittelst der Handauflegung in den Dienst der Gemeinde aufgenommen und zwar war dieselbe durch den Bischof Marmeth, welcher aus Freiburg i. U. nach Nürnberg gekommen war, vollzogen worden. Darauf begleitete er den letztgenannten in die Schweiz und scheint sich hier bis zum Ende der zwanziger Jahre, wo in diesen Gegenden eine schwere Verfolgung wider die „Waldenser“ ausbrach, aufgehalten zu haben. Er wandte sich zunächst nach Nürnberg; aber auch hier fand er keine Sicherheit, sein alter Patron, Hans v. Plauen, war seinen Feinden in die Hände gefallen und in die Gefangenschaft (wie es hieß nach Böhmen) geschleppt worden. R. machte sich auf, um ihn zu suchen und gerieth bei seinen Fahrten nach Prag, wo er, nachdem seine Bemühungen für Plauen vergeblich gewesen waren, sich einige Jahre seßhaft machte, um sich an der dortigen Hochschule dem Studium der Wissenschaften zu widmen. Nach Vollendung seiner Ausbildung ward er am 14. September 1433 durch den Bischof der sogenannten Taboriten Nic. v. Sand in Prag zum Bischof geweiht und zwar war Peter Payne es gewesen, welcher den Bischof Nicolaus zur Vollziehung der heiligen Handlung bestimmt hatte. Im J. 1434 verließ R. Böhmen und begab sich zunächst nach Basel, wo viele [122] Brüder und Gesinnungsgenossen wohnten. Gleichzeitig mit R., welcher in böhmischen Quellen als Friedrich der Deutsche bezeichnet wird, ward „Johann der Wälsche“ vom Bischof Nicolaus geweiht und letzterer begleitete R. dann nach Deutschland. Unter den Bewegungen, welche durch das damals tagende Baseler Concil hervorgerufen wurden, entwickelten auch die Brüder, die von den Außenstehenden als Waldenser, Taboriten, Begharden (Pickarden) u. s. w. bezeichnet zu werden pflegten, eine lebhafte Thätigkeit und so wird berichtet, daß im J. 1435 zu Straßburg eine Versammlung der apostolischen Wanderprediger oder Bischöfe stattfand, an welcher außer R. und einem gewissen Johann vom Rheine auch der Bischof Stephan aus Oesterreich theilnahm, offenbar derselbe, welche im J. 1468 den Matthias von Kunwald zum Bischof derjenigen „Brüder“ geweiht hat, die später unter dem Namen der böhmischen Brüder bekannt geworden sind. Andere Versammlungen wurden im J. 1447 zu Heroldsberg bei Nürnberg und bald danach zu Tabor gehalten. Hier wurde die Zahl der Bischöfe für die deutschen Gemeinden auf vier festgesetzt und R. erhielt den Auftrag nach Straßburg zu gehen, um von hier aus in Oberdeutschland die Pflichten eines Bischofs zu üben. R. ging wirklich dorthin, wurde aber, nachdem er einige Jahre hier gewirkt hatte, den Inquisitoren verrathen, vor Gericht gestellt, gefoltert und zuletzt verbrannt. Das geschah im J. 1458. – Die Vermuthung, daß R. der Verfasser der sogen. Reformation Kaiser Sigismund’s sei, hat sich nicht bestätigt.

Vgl. A. Jung, Friedrich Reiser, eine Ketzergeschichte aus dem 15. Jahrhundert, in der Zeitschr. Timotheus, Bd. II (1822), S. 37 ff., S. 69 ff., S. 137 ff., S. 234 ff. – J. Goll, Quellen und Untersuchungen zur Geschichte der böhmischen Brüder, Prag 1878, S. 104 ff. – W. Böhm, Friedr. Reiser’s Reformation Kaiser Sigismund’s, Leipzig 1867. – Keller, Die Reformation und die älteren Reformparteien, Leipzig 1885, S. 261 ff.