ADB:Homberger, Jeremias (2. Artikel)
*): Jeremias H., Hauptpastor an der ständischen Stiftskirche in Graz, geboren im J. 1529 zu Fritzlar in Hessen, studirte Theologie an der Universität zu Marburg, war von 1563 bis 1568 Rector der Lateinschule zu Frankfurt a. Main, widersetzte sich dort den Reformirten und mußte die Stadt verlassen; dann lehrte er an Schulen in der Pfalz, später zu Lauingen in Schwaben; von dort zog er aus, um eine neue Stellung zu suchen, begab sich nach Wien, wo er von den evangelischen Ständen der Steiermark den Ruf erhielt, an die von ihnen gegründete und 1574 eröffnete Stiftskirche und Stiftsschule in Graz als Hauptpastor zu treten.
HombergerSchon in Frankfurt hatte er in deutscher Sprache ein Buch geschrieben, in dem er als Anhänger der Lehre des Flacius sich über die Erbsünde aussprach. Da die Stände der Steiermark streng lutherisch waren, fürchtete er, sie würden daran Anstand nehmen und am 4. October 1574 veröffentlichte er daher einen Brief, in dem er erklärte, daß Flacius schon seit langer Zeit von ihm selbst benachrichtigt worden sei, daß er seine Meinung über die Erbsünde nicht mehr theile.
In Graz erhielt er den Wirkungskreis eines Superintendenten, trat an die Spitze des von den Ständen errichteten Kirchenministeriums, wurde Mitglied [459] der Behörde der Schulinspectoren, Hauptpastor an der Stiftskirche und Lehrer der Theologie an der Stiftsschule. Er war durchaus ehrenhaft, treuherzig und eifrig, aber auch sehr heftig und jähzornig, was ihn in manche Unannehmlichkeiten, die leicht hätten vermieden werden können, verwickelte. So gerieth er sogar mit denjenigen, die ihn berufen hatten und die er als seine Oberbehörde zu betrachten hatte, mit den Verordneten der Stände, in Conflict, da er von weltlichen Personen Befehle in Kirchenangelegenheiten anzunehmen verweigerte und nach völliger Unabhängigkeit von den Verordneten strebte. Dennoch schuf er sich in Steiermark nach und nach eine angesehene Stellung und seine Stimme wurde in Religionsangelegenheiten die einflußreichste im Lande, denn von ihm stammen zum größten Theile die Zusammenstellung der wichtigsten Glaubenssätze, die Kirchenagende und endlich die Vorschriften über das Kirchenministerium, welche dazu dienen sollten, Gleichförmigkeit in der Religionsübung der drei Lande Steiermark, Kärnten und Krain aufrechtzuerhalten.
Sowie Erzherzog Karl in Innerösterreich energisch gegen den Protestantismus aufzutreten begann, beeinflußt durch den Papst, durch seine Gemahlin, die bairische Maria, durch den Herzog Wilhelm von Baiern und durch den Kaiser befand sich H. bald in der vordersten Reihe der Vertheidiger der neuen Lehre und der Widersacher des Erzherzogs und an Streitfällen fehlte es nicht.
Auf dem Landtage zu Bruck an der Mur 1578 hatten die Stände beschlossen, eine eigene Druckerei in Graz zu errichten und bestimmt, daß ohne Wissen und Einsicht des Hauptpastors nichts in Druck gelegt werden solle. Als 1579 die Jesuiten den Katalog der Unterrichtsgegenstände, welche in ihrem Collegium gelehrt wurden, dem ständischen Buchdrucker zum Drucke übergaben, fragte dieser bei H. an, ob ihm dieser Druck gestattet sei; H. verbot denselben. Nun wandten sich die Jesuiten an die Regierung, welche den Buchdrucker gefänglich einziehen ließ. Die Stände erwirkten allerdings dessen Freilassung, doch mußte er seine Druckerei einstellen.
Einen weiteren, schweren Conflict mit der Regierung erregte H. durch seine Predigten. Am 3. Juni 1580 hielt er eine Predigt, in der er sich gegen das Fronleichnamsfest und gegen dessen Veranstalter und Theilnehmer in derben Worten aussprach und wiederholte diese am 5. und 7. Juni. Erzherzog Karl befahl infolge dessen den Verordneten und dem Landeshauptmann, H. zu verhören und darüber Bericht zu erstatten. Dies geschah, und nach einem zwischen den Ständen und der Regierung erfolgten lebhaften Schriftwechsel verbot diese dem H. jedes weitere Predigen. Trotzdem gönnte sich H. keine Muße. Er verfasste das Werk: „Germina grani sinapi nuper sati“ (gedruckt 1591, zu Frankfurt am Main), ein religiöses Gedicht: „Vehiculum sacrum peregrinationis“ (erschienen 1582 zu Heidelberg) und ein deutsches Gedicht: „Ein schön Lied von der Rechtfertigung des armen Menschens für Gott“ (gedruckt Grätz o. J.).
Eine wichtige Sendung wurde ihm 1581 zu Theil. In Krain hatte Georg Dalmatin die Bibel in die slovenische Sprache übersetzt und wünschte, sein Werk in sprachlicher und theologischer Beziehung durch Sachverständige prüfen zu lassen. Als die geeignetste Persönlichkeit für diese Arbeit wurde H. erkannt; die steierischen Verordneten gestatteten ihm daher die Reise nach Laibach, wo er bis Ende October 1581 verweilte und über Dalmatin’s Uebersetzung sein Urtheil dahin abgab, daß sie eine gute sei. Nachdem 1577 in Deutschland die Concordienformel zu Stande gekommen war, welche die zahlreichen kirchlichen und dogmatischen Streitfragen innerhalb der evangelischen Welt beseitigen und alle Anhänger der lutherischen Doctrin gegenüber den Anhängern [460] anderer Lehrmeinungen vereinigen sollte, wurde H. die Aufgabe zu Theil, die Stände von Steiermark, Kärnten und Krain und alle diesen unterstehenden Prediger zur Annahme und Unterfertigung derselben zu bewegen. Nach längeren Verhandlungen und nicht ohne Schwierigkeit, besonders in Kärnten, gelang ihm auch dieses Werk. – In ihrem Glauben bedrängt durch Erzherzog Karl beschlossen die Stände der drei innerösterreichischen Lande, eine Gesandtschaft an den Reichstag nach Augsburg (1582) zu entsenden, um durch die Ueberreichung der Unterschriften für die Concordienformel und eines von H. verfaßten Berichtes über die traurige Lage der Evangelischen in Innerösterreich, die Reichsstände geneigt zu machen, bei dem Erzherzog zu intercediren und dahin zu wirken, daß wie der Adel auch die Städte und Märkte Innerösterreichs des Reichsfriedens theilhaftig würden. Bei dieser Gesandtschaft befand sich auch H. – Dennoch stockte seine schriftstellerische Thätigkeit nicht. Er verfaßte um diese Zeit eine „Christliche Agenda, auffs einfältigste zu tauffen und andere Kirchensachen zu verrichten, so von denen gebraucht werden mag, welche an Ortte kommen, da die Kirch vorhin keine Agenden haben, wie ich Jeremias Homberger zuweilen hab thun müssen“ (o. J. u. O., jedenfalls 1582 in Graz gedruckt), ein „Examen theologicum“ (Heidelberg 1583) und eine noch nicht gedruckte, handschriftlich im Landesarchiv zu Graz befindliche „Oratio“. In dieser legt er dar, daß die Evangelischen in Innerösterreich getreue Anhänger der Augsburgischen Confession seien und gibt eine anschauliche und wahrheitsgetreue Schilderung des religiösen Zustandes von Steiermark, Kärnten und Krain (die letztere abgedruckt bei F. M. Mayer, s. u.).
Mit Patent vom 25. September 1583 befahl Erzherzog Karl, sich von nun an des neuen, gregorianischen Kalenders zu bedienen. Da in allen drei Landen diese Angelegenheit als eine Religionssache angesehen wurde, erhoben sich die evangelischen Prediger dagegen und erklärten sich gegen diese verderbliche, vom Papste ausgehende Neuerung. Am heftigsten trat auch in dieser Sache H. in Graz auf. Die Regierung setzte aber zuerst in Krain und und Kärnten, dann auch in Steiermark ihre Anordnung durch.
Obwol H. von dem Erzherzog das Predigen untersagt war, hielt er dennoch am 4. August 1585 vom Altar der Stiftskirche eine Anrede an seine Glaubensgenossen, welche, wie dem Erzherzoge berichtet wurde, die Aufforderung enthielt, in Religionssachen dem Landesfürsten nicht zu gehorchen. Die Folge dieses Vorganges war der Befehl des Erzherzogs Karl an die Verordneten, H. aus seinen Ländern zu entfernen; binnen dreier Tage müsse er Graz, binnen zwei Wochen Innerösterreich verlassen. Die Verordneten nahmen sich Homberger’s eifrigst an und protestirten gegen den Befehl des Erzherzogs, doch vergeblich, denn nach längerem Schriftenwechsel zwischen den Ständen und der Regierung mußte H. am 11. November 1585 Graz und die Steiermark verlassen. Er begab sich nach Regensburg, genoß eine Jahrespension von den steirischen Ständen im Betrage von 200 Gulden und unterhielt mit seinen Glaubensgenossen in Graz einen lebhaften Briefwechsel. Nach dem Tode des Erzherzogs Karl (1590) begab er sich noch einmal nach Graz, hoffend hier wieder angestellt zu werden; doch seine Wünsche verwirklichten sich nicht.
Noch immer war er ununterbrochen schriftstellerisch thätig. Er schrieb zwei Büchlein: „Viola Martis“ und das „Violbüchlein“, welche von der würdigen Vorbereitung zum Abendmahl handelten (erschienen wahrscheinlich vor 1587 zu Graz, in 2. Auflage 1587 zu Regensburg); den Ständen der Steiermark sendete er ein zum Drucke bestimmtes Werk „Trostbuch“, welches diese aber „wegen des darin enthaltenen Eifers“ nicht drucken zu lassen wagten. [461] In Frankfurt a. M. erschienen 1588 zwei Werke: „Wolgemuth oder geistliche Beschauung des zweyfältigen Bildes Christi“ und „Senffkörnlein unsers Herrn Jesu Christi, d. i. Kurtzer Unterricht von allen Hauptstücken der christlichen Lehre“; die zweite Auflage des „Examen theologicum“ erschien 1589 in Graz, und ebenda 1590 „Sprüch Salomonis“; 1591 bei Johannes Spieß zu Frankfurt a. M.: „Germina grani sinapis nuper sati“, nicht eine Uebersetzung des „Senffkörnleins“, sondern ein Lernbuch in Fragen und Antworten; sodann: „Mucro stimuli Christi. Ein ausführliche Erklerung und fleißige Betrachtung des hochwichtigen Artikels unsers christlichen Glaubens von der Justifikation und Rechtfertigung des armen Sünders für Gott“ (Jena 1592).
Die letzten Tage seines Lebens verbrachte H. zu Znaim in Mähren, wo er am 5. October 1595 starb.
- Dr. Franz Martin Mayer, Jeremias Homberger. Ein Beitrag z. Gesch. Innerösterreichs im 16. Jahrh. (Arch f. öst. Gesch., 74. Bd., S. 203–259).
[458] *) Zur Ergänzung des kl. Artikels Bd. XIII, S. 40.