ADB:Hohenlohe, Sigmund Graf zu

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Artikel „Hohenlohe, Sigismund von“ von Gustav Bossert in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 12 (1880), S. 694–695, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hohenlohe,_Sigmund_Graf_zu&oldid=- (Version vom 22. November 2024, 18:00 Uhr UTC)
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Hohenlohe: Sigismund v. H., das sechste unter den 17 Kindern des Grafen Kraft v. H., eines tüchtigen Regenten, und seiner Gemahlin Helene von Württemberg, war am 9. August 1485 geboren. Er empfing eine sorgfältige Erziehung durch Dr. Thomas v. Thierstein, späteren Domherrn zu Mainz. Mit 10 Jahren wurde er auf französische Schulen geschickt; er studirte zu Paris und später mit seinen beiden jüngeren Brüdern Ludwig und Georg zu Pavia und 1500 zu Bologna (vgl. Württemb. Vierteljahrshefte für Landesgeschichte I, 154). In Bologna genoß er den Unterricht des Humanisten Beroaldus, welcher ihm später seine Ausgabe von Gellius’ Noctes Atticae widmete, und befreundete sich mit Sebastian v. Rotenhan, dem nachher einflußreichen Staatsmann. 1503 in den geistlichen Stand getreten, wurde H. 1506 Domherr in Straßburg und bekam dazu ein Canonicat in Augsburg. Um das J. 1518 zum Domdechanten erhoben, wirkte er für die Sache der Reformation in Straßburg. Seinem Einfluß verdankte erst Mathias Zell, dann Hedio seine Berufung an das Münster in Straßburg, wie er denn auch beide in ihrer evangelischen Wirksamkeit unterstützte. Mit Ernst ließ er sich die Reformation des Domcapitels, dessen Vorstand er war, angelegen sein. Das Capitel bestand aus lauter vornehmen Mitgliedern, welche reiche Pfründen besaßen. Waren auch etliche wohlgesinnte, ernste Männer im Capitel, so war doch die Aufgabe keine leichte. Schon 1522 hatte H. an die Capitularen eine Mahnung zu christlichem Leben ergehen lassen und wiederholte sie 1523 und 1524. Im J. 1525 ließ er statt der Fastenmahnung das sogenannte Kreuzbüchlein drucken, so genannt nach dem Titelbild, welches ein von drei Händen gehaltenes Kreuz, drüber die Welt und drunter die Bibel zeigt und so klar seine evangelische Anschauung über das Heilsprincip des Christenthums und die Heilsmittel kundgab. Seine Absicht spricht er selbst aus: „Ich sage und Gott weiß, daß ich wahr sage, sofern mir immer möglich, wollte ich gerne helfen und rathen, daß unser Stift in Allem dem göttlichen Wort gemäß auf das Beste reformirt würde und ein wahrer Gottesdienst aufgerichtet.“ Er hielt dem Capitel die Gebrechen des geistlichen Standes, die Habsucht, das ärgerliche Leben, die Veräußerlichung des Gottesdienstes in den Ceremonien, Wallfahrten und Fasten vor. Die Messe, welche zu einem Gelderwerb mißbraucht werde, sollte wieder zur Abendmahlsfeier der Gemeinde, der Cölibat aufgehoben werden. Als einzige Richtschnur christlichen Glaubens und Lebens erkennt er Gottes Wort an, welches den Menschen allein vollkommen und zu allem Guten geschickt mache, was weder des Papstes Decretalen noch des Stiftes Statuten vermögen. Wie in diesem Büchlein, so bewies er sich auch in seinem Leben als treuer Anhänger der Reformation. Er verkehrte mit Zell, Butzer, Capito und Hedio, ohne sich um den Bann zu kümmern, der auf ihnen lag, und lud sie oft zu Gast. Nicht umsonst nannte ihn Franz Lambert, der ihm 1525 seinen Commentar zu Joel widmete, den treuesten Beförderer des Reiches Gottes. Ebenso widmete ihm Hiob Gast das von ihm übersetzte Büchlein De administranda pie re publica von Brenz 1526. Im J. 1525 nach der Schlacht von Pavia war H. auch mit der [695] hochbegabten, evangelisch gesinnten Margaretha v. Valois und ihrer Mutter, der Königin Wittwe von Frankreich, in brieflichen Verkehr getreten. Luther’s Schriften ließ er durch französische Verbannte übersetzen und schickte sie an Margaretha. 1527 Ende März bat Gerbel Luther in Hohenlohe’s Namen, Luther möchte Margaretha selbst zu evangelischer Wirksamkeit ermuntern. Inzwischen regte sich innerhalb des Domcapitels ernstlicher Widerstand gegen den Domdechanten. Schon 1524 hatten zwei Mitglieder erklärt, sie erkennen H. nicht mehr an. Ende desselben Jahres gab das Capitel einen Protest ab. Mühsam gelang es dem vermittelnden Bischof, Wilhelm von Hohenstein, den Domdechanten zu schützen. Allein das Capitel wandte sich nach Rom. Von dort wurde er 1527 seiner Würde entsetzt. H. sah sich genöthigt, sich in der Stadt Straßburg Schirm zu begeben, und ließ sich nun von Franz I. von Frankreich, der die Beziehungen des Grafen zu seiner Schwester wohl zu benützen verstand, gewinnen, um ihm 3000 Kriegsknechte anzuwerben, welche er ihm zuführte. H. wurde von Franz in St. Germain en Laye freundlich aufgenommen, aber nach dem unglücklichen Feldzug vergaß König Franz beim Frieden von Cambrai für H., der vom Reichskammergericht in die Acht erklärt worden war, Amnestie zu erwirken. Erst am 6. Mai 1530 gelang es H. von Karl V. Befreiung aus der Acht zu erwirken. Nach den bitteren Erfahrungen, die er im Domcapitel, wie mit französischer Treue gemacht, zog er sich jetzt in die Stille zurück und lebte in Straßburg, seiner evangelischen Richtung getreu. Beweis dafür ist ein Brief von Butzer an Sturm vom 11. Mai 1532, wornach der evangelisch gesinnte Graf Georg von Württemberg in seinem Hause zu Straßburg krank lag. Er starb am 8. August 1534 und liegt in Straßburg (nach Rathgeber in Augsburg) begraben. Hiob Gast, später Pfarrer in Cadolzburg, den H. gastlich 1526 bei sich aufgenommen hatte, – Gast war von Künzelsau in der Herrschaft Hohenlohe – schildert den Grafen als eine stattliche, imponirende Erscheinung, aber ohne Stolz. Seine geistige Bildung ging tiefer und weiter, als sonst bei den adeligen Mitgliedern der Domcapitel. Sein angenehmes Wesen, seine feinen Umgangsformen, seine Leutseligkeit gewannen ihm die Herzen. Allgemein anerkannt war seine Redlichkeit und Sittenreinheit. Seine theologische Richtung war die mystische, welche ihn zu Luther mehr hinzog als zu den Schweizern.

Wibel, Lebensgeschichte des Grafen Sigismund von Hohenlohe sammt dem Kreuzbüchlein, Frankfurt und Leipzig 1748. Wibel’s hohenlohische Kirchen- u. Reform.-Geschichte, 4 Bde., I. 285–295, II. 417, 423, III. 254, 295, IV. 162. Fischer, Geschichte des Hauses Hohenlohe, I. 125. Rathgeber, Straßburg im 16. Jahrh., S. 30, 88 ff.