ADB:Heselloher, Hans (2. Artikel)

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Artikel „Heselloher, Hans“ von August Hartmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 50 (1905), S. 276–278, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Heselloher,_Hans_(2._Artikel)&oldid=- (Version vom 29. März 2024, 10:10 Uhr UTC)
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Heselloher: Hans H.[WS 1], Dichter des 15. Jahrhunderts. Ueber seine äußeren Lebensumstände geben uns theils Wiguleus Hundt’s Stammenbuch, theils Urkunden einigen Aufschluß. Vermuthlich war er zu Wolfratshausen (Oberbaiern) geboren. Sein Vater Niklas H. ist dort 1410–1421 als Landrichter, 1423 als herzoglicher Zöllner zu München, 1430–1436 als Landrichter und Pfleger zu Pähl und Stadtrichter zu Weilheim beurkundet; er starb 1453, wie noch ein Grabstein im Friedhof des Dorfes Pähl anzeigt. Dessen Söhne „Andre und Hans der Hesselocher zu Päl“ tauschten im gleichen Jahre 1453 zwei Höfe und ein Lehen zu Rösselsberg ein. Aus dem Namen dieses letzteren Gutes, das im Thal unter dem südlich vom Ammersee sich erhebenden mächtigen Bergschloß Pähl liegt, erklärt sich das Heselloher’sche Wappenbild: ein doppelter Pferdekopf, als Schachfigur („Rössel“) gestaltet. Im J. 1460 verliehen Herzog Johann und Sigmund von Bayern den „Gebrüdern Anndre und Hans H. die pfleg Päl ir lebenlanng, irer getreuen diennst halb, die sy Irem anherrn, vatern und Inen gelaistet“. Wegen dieses „gefreiten Sitzes“ wurden sie „in die Landtafel beschriben“ (Recht zur Mitwirkung am Landtag). In Urkunden der Jahre 1453–1472 begegnet Hans H. (wie früher sein Vater) als Pfleger (Verwalter des landesherrlichen Besitzes) zu Pähl, 1466–1483 als Land- und Stadtrichter zu Weilheim.

Seine Lieder geben meist heitere Schilderungen des Bauernlebens, ähnlich wie jene Neidhart’s von Reuenthal. Durch des Letzteren Eigenart offenbar beeinflußt, erscheint H. doch nicht als bloßer Nachahmer, sondern als selbstständiger Fortsetzer. Den späten Vertretern mittelhochdeutscher Dichtung, Oswald von Wolkenstein und Hugo von Montfort reiht er als jüngster sich an und bildet so einen der allerletzten Ausläufer höfischen Minnesangs, dessen strenge metrische Form und Sprache er freilich nicht mehr bewahrt. Nach Wiguleus Hundt hat er „viel schöner deutscher lächerlicher und artlicher (= komischer und ernster) Lieder gedichtet“. Doch sind uns nur inbezug auf sechs oder sieben dieser Lieder zuverlässige Nachrichten überliefert. Von vier derselben besitzen wir einen ganz oder beinahe vollständigen Text.

Das erste („Wes sol ich beginnen? Die fröd wil mir zerrinnen“) stellt sich mit dem aus den Minnesängern und insbesondere aus Neidhart gewohnten Natureingang (Strophe 1 und 2) zunächst als Winter- oder Herbstlied dar, ist dann (Str. 3–15) die spöttische Beschreibung eines verliebten und eitlen jungen Bauern, woran sich aber eine derbe humoristische Selbstkritik des Dichters (Str. 16–17) und zuletzt (Str. 18) ein freundlicherer Zuruf an die Geliebte des vorher durchgehechelten Bauern (die „schöne Ell“) anschließt. Das zweite Lied: „Tantzen het ich mich vermessen (verabredet), Da man den Hesseloher sprang“ führt uns in den beiden ersten Versen auf ein damals schon als Tanzweise verbreitetes Lied unseres Dichters hin. Er erzählt dann, wie er zwei junge Damen adeligen Standes („Hofejungfrauen“) zum Tanze auffordernd von ihnen abgewiesen wurde, was er nun durch neckende Verse rächt. Doch auch hier schließt er mit einer versöhnlichen Wendung: „Die schult die wär wol halbe mein … Das leg sie mir aus zum besten!“ Das dritte Lied: „Mir ist gesagt von einem gatten (= gättling, mhd. getelinc Geselle, Bursche) Wie er an dem tantz künn watten“ schildert wieder einen ländlichen Stutzer (Ueberschrift: „Eßellocher von dem pawrenknecht zu Strawing“). [277] Das beste dieser interessanten Lieder ist das vierte („Von üppiglichen dingen So will ichs heben an“), welches in erzählender Form ein aus der Wirklichkeit gegriffenes sehr einfaches Stückchen Dorfgeschichte, die bei einem Tanze entstandene Schlägerei, auf höchst lebendige und dramatische Weise vor Augen führt. So streng hier die Thorheiten übermüthiger Bauern gerügt werden, so läßt sich doch eine belehrende Absicht für das Volk und damit ein gewisses Wohlwollen gegen dasselbe nicht verkennen. Das fünfte Gedicht ist ein Minnelied, von dem aber nur der Anfang vorliegt: „Es taget von dem Holnstein“ … „das ist einer Jungfrau dieß Namens zu Ehren von ihrem Freyer Hensel Heseloher gemacht“. Das sechste Stück bringt wieder die Selbstironie des Verfassers: „Item auch ein Lied von Ime selbs, anfachent, Hännsl Heseloher wie lanng wilt leppisch sein, etc.“ In einer jetzt verschollenen Handschrift des 15. Jahrhunderts, 1815 durch J. C. v. Fichard herausgegeben, findet sich ein Gedicht: „Ich weiß ein dörppel, heißt der Glantz; Er springt gar höfflich an dem dantz etc.“ Der Urheber ist nicht genannt, aber das Versmaß stimmt vollständig mit dem obigen ersten Lied überein; Inhalt, Ton und Sprache machen es sehr wahrscheinlich, daß auch dieses Gedicht von H. verfaßt ist.

Ein Druck vom Anfang des 16. Jahrhunderts, das Volksbuch „Neidhart Fuchs“ enthält neben wenigen echten viele angebliche Neidhart-Lieder. Eines der letzteren: „Der mei ist wider in daz land“ wird ebenfalls Neidhart zugeschrieben („Hie nach sagt Neidhart von dem hoffertigosten törpel, den er ie gesehen hat“), bildet aber in Wirklichkeit eine Umarbeitung von Heselloher’s „Mir ist gesagt von einem gatten“ (oben Nr. 3). Besonders große Verbreitung fand das Lied „Von üppiglichen Dingen“ (oben Nr. 4). Hierauf deutet schon der Umstand, daß acht von Späteren stammende Gedichte dessen Versmaß oder Melodie und einen gleichen oder ähnlichen Anfang haben. Von Heselloher’s Lied selbst sind noch aus dem 16. Jahrhundert vier Drucke vorhanden. Die älteste Handschrift, welche Lieder von ihm enthält, ist aus dem Jahre 1454. Daß uns der wol größere Theil seiner Dichtung, namentlich die „artlichen“ (ernsten) Lieder verloren gegangen, bedauern wir umsomehr, wenn wir das Lob vernehmen, welches ihm ein Zeitgenosse, der bairische Dichter und Maler Ulrich Füterer spendet. Letzterer sagt im Epilog zum „Abentewr vom herr Lohergrim“, H. übertreffe ihn so weit, daß er „aus scham kunsthalb erröte“ … „fürwar sein ticht an künsten ist nicht klaine“.

In seiner Jugend zog H. als fahrender Sänger umher, wie er selbst scherzhaft andeutet („Wo ich in dem land umbsapp, So hat man mein genug“ Lied 2) – zunächst im heimischen Baiern („im land“), kam aber auch in größere Ferne, wenn das obige Lied (7) wirklich von ihm stammt, worin er auf den hochgewölbten Rittersaal des Stuttgarter Grafenschlosses anspielt. Er sang wol meist in Burgen des Adels, dessen Widerstand gegen das stolze Emporstreben der Bauernschaft seine Dichtung ebenso, wie die Herrn Neidhart’s, spiegelt. Wir sehen ihn aber auch gleich diesem an Bauernreigen seiner Heimath theilnehmen: „Ich wand (wähnte), es war die selbig Ell, Da ich vor offt mit tantzet han Auff dem kirchtag ze Pel“ (Lied 2).

Wie bemerkt, erscheint H. urkundlich zuletzt 1483 als Landrichter in Weilheim; 1486 ist seiner als verstorben gedacht. Er wurde nebst seinem Bruder Andreas in der von Beiden gestifteten Allerheiligencapelle des Klosters Andechs bestattet. Nahe dem Schlosse Rösselsberg (s. o.) steht auf der Wiese eine hohe Steinsäule von hübschen gothischen Formen. Der obere Theil bildet eine sogenannte Todtenleuchte; er zeigt in einer Nische der Vorderseite die plastische Darstellung von Jesus am Kreuze mit Johannes und Maria, auf [278] der Rückseite das Heselloher’scher Wappen, auf einer der Seitenwände die Jahrzahl 1483. Nachdem Hans Heselloher’s Tod in den Zeitraum von 1483 bis 1486 fallen muß und die Figur des Apostels Johannes an den Vornamen unseres Dichters erinnert, so wird diese Betsäule wol seinem Andenken gewidmet sein.

Hans Heselloher’s Lieder. Von August Hartmann (Texte und Abhandlung mit Uebersicht der bis dahin erschienenen Litteratur) in „Festschrift Konrad Hofmann zum 70sten Geburtstag 14. November 1889 gewidmet von seinen Schülern“ (= Romanische Forschungen hsg. v. K. Vollmöller, Bd. 5) S. 449–518. Auch als Sep.-Abdr. Erlangen 1890, Verlag von Fr. Junge. – Johannes Bolte, Der Bauer im deutschen Liede, S. 46–53 (aus Acta Germanica I, 3) Berlin 1890. – F. W. Hoffmann, Gotische Betsäule bei Schloß Rösselsberg (mit Abbildung) in „Altbayerische Monatsschrift“ l, 158–161. München 1899.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Über diese Person existiert in Band 12 ein weiterer Artikel.