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Artikel „Henzi, Samuel“ von Johann Jakob Bäbler in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 12 (1880), S. 12–14, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Henzi,_Samuel&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 19:50 Uhr UTC)
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Henzi: Samuel H., der Sohn des Johannes H., Pfarrers zu Bümpliz bei Bern und der Katharina Herzog, wurde am 19. August 1701 getauft. Der Vater brachte den vierzehnjährigen Knaben in die Bureaux der Salzkammer. Obgleich die geschäftlichen Arbeiten die Kraft des jungen Copisten reichlich in Anspruch nahmen, versäumte er keine Gelegenheit, seine Kenntnisse in den Sprachen, in den schönen Wissenschaften, im Gebiete des Handels zu erweitern und brachte es durch eisernen Fleiß und gewissenhafteste Ausnutzung der Zeit so weit, daß er den gelehrten Leuten an die Seite gestellt werden konnte. Er redete und schrieb mit einer so großen Leichtigkeit Griechisch, daß zwei Bischöfe aus Griechenland, welche mit ihm sprachen, versicherten, auf ihren Reisen keinen seinesgleichen gefunden zu haben. Ebenso war er des Deutschen und Französischen vollkommen mächtig. In seiner Bibliothek sammelten sich nach und nach hundert Bände an, welche Auszüge enthielten, die er sich während des Lesens aufgezeichnet, Beobachtungen, die er im öffentlichen Leben gemacht, rasch auf eine Schreibtafel geworfen und zu Hause ausgearbeitet hatte. Bis zum Jahre 1741 fehlen genauere Nachrichten, außer daß er mit dem Banquier Zäslin in Basel in Verbindung gestanden habe. Selbst über litterarische Kreise fehlen alle Anhaltspunkte, obschon Albrecht Haller von 1729–36 in Bern lebte und als Bibliotheksvorstand mit dem strebsamen Manne in Berührung kommen mußte. Im J. 1741 kaufte sich H. eine Hauptmannsstelle in modensischem Dienste, verlor diese aber schon wieder im J. 1743, da der Herzog von Modena in Folge der politischen Bedrängnisse genöthigt war, die Engagements aufzuheben. Somit hatte Henzi sein Geld verloren und den ihm vertragsmäßig zugesagten Halbsold eingebüßt. Als im J. 1745 der Herzog in sein Land zurückkehrte, richtete H. eine poetische Epistel an die Herzogin und ihren Vater, Ludwig XV. von Frankreich mit einer zarten Erinnerung an jene Verpflichtungen; allein umsonst. H. kehrte 1743 nach Bern zurück und übernahm die Erziehung und Bildung der Julie von Bondeli (s. Bd. III. S. 120); ihm verdankte sie ihre rege Theilnahme an allem Wissenswerthen, das Verständniß des Alterthums und einen freiern geschichtlichen Blick. Ebenso führte er seinen Freund, den Mathematiker Samuel König in die homerische Poesie ein. Der Einfluß Gottsched’s war bis nach Bern gedrungen und äußerte sich in einer Zeitschrift, „der Brachmann“, sowie in wöchentlichen Zusammenkünften, in welcher sich die Glieder der deutschen Gesellschaft umsonst abmühten neben moralischem Klatsch auch die Sprache zu reinigen. Gegen diese Ligue bildete sich sofort eine Fronde, welche, H. und König an der Spitze, in Epigrammen und Satiren loszog. „Der Salmis“, ein Gedicht von 88 Versen ist von H. verfaßt und von König commentirt. Es verstand sich von selbst, daß nun Bodmer in Zürich Fühlung mit den Frondeurs suchte. Er schickte am 10. Decbr. 1743 an H. seine „Critischen Betrachtungen“ und begann damit eine Correspondenz, die erst mit Henzi’s Tode endigte. Ein politisches Ereigniß sollte diesen localen Kampf unterbrechen und auf den weiten Boden der Leipzig-Zürcherischen Händel übertragen. H. und König hatten sich einer Vorstellung an den Großen Rath angeschloßen, in welcher um Abstellung der ärgsten Mißbräuche im Regiment, zumal um Zulassung aller Bürger zu den Aemtern gebeten wurde. Die Regierung verbannte die Unterzeichner der Eingabe am 24. April 1744. König ging nach Holland, H. wandte sich nach Neuenburg. Hier wurde er Redacteur des „Mercure Suisse“, eines Provinzialreichsanzeigers, Mitarbeiter am „Journal helvétique“ und begann die „Amusemens de Misodème“ in zwanglosen Heften herauszugeben. Es erschienen 5 Hefte, alle im J. 1745. Sie waren gegen Gottsched und dessen Anhang gerichtet, besonders gegen Daniel Stoppe und dessen Parnaß im Sättler, gegen Daniel Triller und dessen Fabeln und gegen Christoph Schwarz und dessen Uebersetzung der [13] vergilianischen Aeneis. Der gleiche Gegenstand sollte auch in einem epischen Gedichte „Sur la dépravation du goût en Allemagne“ in 6 Gesängen und in einem „Complot der deutschen Poeten“ behandelt werden. Aber weder das eine noch das andere scheint gedruckt worden zu sein. Gleichzeitig besang H. die Siege Friedrichs des Großen in Oden, fand gnädige Aufnahme am Berliner Hofe und erwarb sich die Freundschaft Samuel Gotthold Lange’s. Ebenso sprachen die französischen Critiker mit Anerkennung von Henzi’s Poesien. Die Kriege an der italienisch-französischen Grenze, die Belagerung von Genua, die Ereignisse in Holland füllten einen Theil der „Messagerie du Pinde“, welche in den Jahren 1747 und 1748 auch zu Neuenburg in drei umfangreichen Heften erschien. Außerdem finden sich darin eine Menge Contes, Fables, Epigrammes nichtpolitischer Art. Den zweiten Theil jedes Heftes bildet die Travestie je eines Gesanges der Ilias, eine Nachahmung Scarron’s, der den Virgil travestirt hatte. Im Journal helvétique liegen zerstreut allerlei poetische Critiken, Neckereien, Epigramme. Der Aufenthalt in Neuenburg linderte die schmerzlich empfundene Verbannung. Der Gouverneur zog H. in seine Nähe und führte ihn in die vornehme Gesellschaft ein. Doch verließ ihn das Heimweh nie und es war ihm eine große Freude, als der große Rath zu Bern am 1. Mai 1748 ihn begnadigte. Er siedelte in seine Vaterstadt über, übernahm sofort die Stelle eines Unterbibliothekars und warf sich mit voller Lust in poetische und gelehrte Studien hinein. Zumal sollten die vielen altfranzösischen Handschriften durchforscht werden. Gleichzeitig machte sich H. an eine dramatische Arbeit: „L’Helvetie délivrée“, die aber entweder nicht vollendet, oder doch wenigstens nicht bekannt wurde. Erst im J. 1762 erschien die Tragödie im Drucke unter dem Titel: „Grisler ou l’ambition punie“, höchst wahrscheinlich zu politischen Zwecken umgeändert. Als aber wieder aussichtreiche Hoffnungen auf die Wiederaufrichtung des Regiments in Modena auftauchten, trat H. von seiner Stelle zurück und bewarb sich nicht einmal um das eben in Erledigung gekommene Bibliothekariat, das außerdem nicht einmal so viel Einkommen gewährte, als er schon hatte. Allein die Erwartungen wurden getäuscht und H. sah sich nach einer andern Thätigkeit um. Er wollte beim französischen Gesandten in Solothurn Interprète oder Sousinterprète werden, und wollte zu diesem Zwecke eine Reise nach Paris machen. Er ließ sich am 22. Januar 1749 von der französischen Canzlei in Solothurn einen Paß nach Paris ausstellen, und verabredete sich mit einem Herrn Fischer von Gümlingen zur gemeinsamen Abreise. Diese aber verzögerte sich von Monat zu Monat und H. fiel nun jenen unruhigen Geistern in die Hände, welche zum Theil von unreinen Gründen geleitet einen Umsturz des Regiments betrieben. H. hatte die redlichsten Absichten, den Versuch von 1744 zu erneuern und der gesunkenen Bürgerschaft aufzuhelfen durch gleichmäßige Vertheilung der Aemter. Er ließ sich herbei, Entwürfe auszuarbeiten, welche auf die ursprünglichen Einrichtungen zurückgingen, die seither vorgenommenen Aenderungen beleuchteten und so eine Grundlage zu einer neuen Eingabe sein sollten. Diese sollte außerdem im Großen Rathe von einem patriotisch-gesinnten Mitgliede dieser Behörde empfohlen werden. In einer ersten Versammlung im Sulgenbach bei Bern las H. denjenigen Theil vor, der die ältesten Einrichtungen behandelte. Unterdessen aber wurde sein correct angelegter Plan von so wildem, verworrenen, aufgeregten Geschwätz der Verschworen übertönt, daß es ihm unheimlich wurde und er die Pariser Reise zu beschleunigen suchte. Er glaubte schon sicher auf den Tag der Abreise zählen zu können – da zerriß die verhängnißvolle Entdeckung (2. Juli 1749) alle Hoffnung und überlieferte ihn den Gerichten. H. war ahnungslos am 4. Juli nach Burgdorf geritten. Als er auf dem Rückwege sich schon bis auf eine halbe Stunde der [14] Stadt Bern genähert hatte, wurde er aufgegriffen und nach einem vergeblichen Fluchtversuche gefangen gesetzt und nun in harter Weise fünfmal verhört. Obschon die Richter nichts herausbrachten, was ihm auch nur im entferntesten jenen rachedurstigen Mitverschworenen hätte gleichstellen können, wurde er doch mit Fueter und Wernier am 16. Juli zum Tode verurtheilt und Tags darauf enthauptet. Er hinterließ eine Frau, geborene Malacrida und zwei Söhne aus erster Ehe. Der eine Rudolf, geboren 1731 zu Bern, kam nach des Vaters Tode nach Holland, wo er Erzieher am Hofe des Statthalters wurde. Er starb 1803. Der andere scheint nach Paris ausgewandert zu sein. Ein Großsohn desselben, Gerichtsschreiber zu Bern, Ludwig, baute sich in der Nähe von Suhr bei Aarau ein Landhaus, welches aber im J. 1839 in andere Hände überging. Dessen Sohn Fritz wurde bis zu seinem Tode von der Zunft zu Obergerwern in Bern verpflegt. Der Baron von Henzi, welcher im Jahre 1849 bei Ofen fiel, scheint ein Nachkomme des Rudolf zu sein.

Henzi-Bodmerscher Briefwechsel im Besitze der Stadtbibliothek in Zürich.– Prozeßacten in Abschrift nebst mehreren anderen Documenten im Besitze des Herrn Fürsprech Moser in Biel. – Correspondenzen der Vossischen Zeitung mitgetheilt in Lessing, Hempel XI, 2. Abtheilung. – X. Kohler in den Actes de la société jurassienne d’émulation, Porrentruy 1871. – Tillier, Gesch. des eidg. Freistaates, Bern V, – sowie Monnard und die übrigen Geschichtschreiber der Schweiz, deren Angaben aber theilweise durchaus unrichtig sind.