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Artikel „Heinrich XIII., Herzog von Baiern“ von Sigmund Ritter von Riezler in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 11 (1880), S. 466–470, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Heinrich_XIII.&oldid=- (Version vom 6. Dezember 2024, 01:51 Uhr UTC)
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Heinrich XIII., Herzog von Baiern (I. von Niederbaiern) wird vom Sunburger als Fürst ohne Falsch und Wanken besungen, als Spiegel aller Tugenden, von unvergleichlicher Milde, schlicht wie ein Lineal, leuchtend wie der Morgenstern vor den kleinen Sternen. Weiteres kann dieses schwülstige Lob nicht beweisen, als daß der Herzog, der Sitte seines Hauses getreu, ein Gönner des ritterlichen Minnesanges war, und eben davon zeugt auch ein Lied des Tannhäusers. Seine häuslichen Tugenden, sieht man ab von der Unverträglichkeit gegenüber dem Bruder, werden nicht bestritten. Ein um so unerfreulicheres Bild aber bietet seine unstäte Politik, die mit ruheloser Eifersucht auf Vergrößerung [467] bedacht, immer wieder in kleinliche Streitigkeiten sich verliert. Als der zweite Sohn Herzog Otto’s II. und der welfischen Rheinpfalzgräfin Agnes am 19. November 1235 geboren, ward er schon 1247 mit Elisabeth, der Tochter König Bela’s von Ungarn verlobt. Bald eröffneten sich ihm in Steiermark unerwartete Aussichten. Nach dem Tode des letzten Babenbergers und der Niederlage, welche Meinhard von Görz durch Philipp von Salzburg erfuhr, plante die gibellinische Partei der steirischen Ritterschaft H. die Herrschaft ihres Landes zuzuwenden. Da er noch unmündig war, wandten sich die Steirer an den Vater seiner Braut; dieser aber benützte ihr Entgegenkommen nur für sich selbst und bemächtigte sich des Landes, aus dem er dann freilich bald von Ottokar verdrängt ward. Als im September 1253 Herzog Otto mit seinen beiden Söhnen, die unterwegs zu Oetting den Ritterschlag empfingen, durch Oesterreich zu Bela durchzudringen versuchte, verschloß ihm der Widerstand der oberösterreichischen Ritterschaft die Wege. H. trennte sich darauf vom Vater und gelangte mit Hilfe Meinhards von Görz und Ezzelins von Treviso vom Südwesten her nach Ungarn; seine Absichten auf Steiermark aber ließen sich nicht verwirklichen und da mittlerweile sein Vater gestorben war, kehrte er 1254 nach der Heimath zurück, um gemeinsam mit dem älteren Bruder Ludwig die Regierung Baierns und der Pfalz zu übernehmen. Als Pfalzgrafen beanspruchten beide auch reichsrichterliche Rechte. Noch während Heinrichs Abwesenheit hatte der Bruder mit Erfolg die ersten Schritte zur Aussöhnung mit den kirchlichen Gewalten des Landes gemacht; nun ließ sich auch das gemeinsame Regiment – daß es zu diesem gekommen, dankte man besonders dem Rathe des Bischofs Heinrich von Bamberg – in seinen Anfängen vortrefflich an. Durch einen überaus unklugen Schritt aber legten die Brüder selbst die Axt an die bedeutsame Machtstellung ihres Hauses. Um Ostern 1255 theilten sie, ohne Rücksicht auf einen entgegenstehenden Grundsatz des Reichsrechtes, ihre Lande. H. erhielt Niederbaiern, das als der größere und fruchtbarere Theil des altbairischen Landes seinen Verzicht auf die Pfalz ausgleichen sollte. Seine Stellung aber war insofern mißlicher, als die Bischöfe seines Landestheils ebensowohl zu der neugeschaffenen böhmisch-österreichischen Monarchie Ottokars gehörten und in ihren mannigfachen Reibungen mit der herzoglichen Gewalt an diesem eifrigen Gönner der Kirche einen Bundesgenossen fanden. Vergebens war H. durch Verträge, die er 1255 mit den Bischöfen von Passau und Regensburg schloß, auf dem von seinem Bruder betretenen Wege des friedlichen Ausgleichs fortgeschritten. Der Passauer Bischof Otto von Lonsdorf, trat am 23. April 1257 mit Ottokar zu einem Schutz- und Trutzbündnisse gegen die bairischen Herzoge zusammen und im August brach der Böhme in Niederbaiern ein, rasch bis Altfrauenhofen südlich von Heinrich’s Residenz Landshut vorrückend. H. aber hatte die kurze Frist, die ihm zu Rüstungen gegönnt war, trefflich benützt und da ihm auch sein Bruder Hilfe brachte, trat Ottokar einen beschleunigten Rückzug an, der durch den Einsturz der Mühldorfer Brücke, durch den Untergang vieler böhmischer Ritter denkwürdig geworden ist. Ein Theil des böhmischen Heeres ward in Mühldorf von den Herzogen belagert und scheint nur durch das Versprechen der Abtretung von Grenzstrichen, die Ottokar später genehmigte, freien Abzug erwirkt zu haben. Der Frieden mit Passau kam erst im Dezember 1262 zu Stande, wobei jede Partei etwas von ihren Ansprüchen opferte. Auch jetzt aber konnte der für die Entwicklung des bairischen Rechtes wichtige Landfrieden von Straubing, über den sich H. 1255 mit den niederbairischen Großen geeinigt, noch nicht volle Früchte tragen. Denn schon hatte die Eintracht der herzoglichen Brüder selbst ihr Ende erreicht. Von seiner ungarischen Frau fast Jahr für Jahr mit einem Kinde beschenkt – vier Söhne und sechs Töchter sind der [468] Ehe entsprossen – sah H. nicht ohne Sorgen in die Zukunft seiner Nachkommenschaft; er bereute nun seinen Verzicht auf die Pfalz, trat seinem Bruder mit mancherlei Forderungen entgegen und erwarb sich so den traurigen Nachruhm, zu jener furchtbaren Kette wittelsbachischen Familienhaders, welche fast dritthalb Jahrhunderte lang Baiern wunddrücken sollte, den ersten Ring geschmiedet zu haben. 1262 und 1265 mußten Schiedsgerichte zur Vermittlung der brüderlichen Streitigkeiten eintreten. Deren Erklärungen änderten jedoch nichts an der ersten Landestheilung. Auch im Salzburger Kirchenstreite standen die Brüder getrennt, Ludwig auf Philipps Seite, während H., der sich als Vogt des Erzstiftes betrachtete, dessen Nebenbuhler Ulrich, der nicht zum Besitze gelangen konnte, Unterstützung und Aufnahme an seinem Hofe gewährte. Zu Ulrichs Gunsten, aber auch auf den eigenen Vortheil bedacht, trat H. selbst auf den Kampfplatz, als die Curie dem Böhmenkönige die Entscheidung des Handels überlassen hatte. Er eroberte acht Burgen des Erzstiftes, machte noch vor Ablauf des Winters 1262 einen Angriff auf Salzburg, bekam aber nur den am rechten Salzachufer gelegenen Stadttheil in seine Gewalt, den er nach vollzogener Plünderung in Brand stecken ließ. Eine zweite Belagerung Salzburgs im folgenden Jahre mußte er aufgeben, da Ottokar zum Entsatze heranrückte. Erst nachdem Philipp durch einen Aufstand vertrieben war, hielt H. mit seinem Schützling Ulrich, wol in der ersten Hälfte 1264, Einzug in die Stadt. Ulrich aber sah sich bald zum Verzicht genöthigt, worauf der Papst einen Verwandten Ottokars, den Herzog Wladislaus von Schlesien, zum Erzbischof ernannte und den Böhmenkönig anwies, H. zur Herausgabe der eingezogenen Salzburger Güter zu zwingen. So kam es, nachdem schon im Spätherbst 1265 Böhmen und Oesterreicher wiederholt räuberische Einfälle in Niederbaiern gemacht, das Jahr darauf zu einem neuen größeren Waffengang mit Ottokar. Beide Gegner führten einen Angriffstoß, der Böhmenkrieg[1] nahm Regenstauf und Nittenau und zog, mit einer Partei der Bürgerschaft im Einverständniß, in Regensburg ein, während H. Neufelden an der oberen Mühl und andere Burgen dieser Gegend zerstörte und am 30. Oktober in Passau einrückte. Auf das Drängen des päpstlichen Legaten, wie es scheint, ward 1267 Waffenstillstand geschlossen. Gleich seinem Bruder hatte H. 1257 für die Königswahl Richards gewirkt; gleich diesem aber ward auch er durch seine Verflechtung mit den staufischen Interessen bald von der Partei des Engländers abgezogen. Als Oheim Konradins war auch H. mit dessen Vormundschaft und Erziehung betraut und der Neffe hat auch ihm dafür dankbares Lob gespendet. Doch tritt H. in diesem Verhältnisse von Anfang an gegenüber dem älteren Bruder zurück. Als Konradin den Waffengang um sein sicilisches Erbe antrat, waren die Wittelsbacher getheilter Ansicht. Ludwig unterstützte, H. widerrieth das Unternehmen. Papst Clemens war also schlecht unterrichtet, als er am 18. Novbr. 1267 über beide Herzoge als Helfer Konradins die Excommunication aussprach; später, nachdem er wol erfahren, daß H. an dem Zuge gar nicht betheiligt war, wiederholte er den Bann nur mehr gegen Ludwig. Schwäbische Räthe des Staufers waren es vornehmlich gewesen, welche auf Eintracht der beiden Brüder hinarbeiteten. Nun aber ward durch die reiche konradinische Erbschaft trotz aller für diesen Fall bereits getroffener Vereinbarungen ein neuer Zankapfel zwischen die Brüder geworfen. Nach langwierigen Unterhandlungen unterwarfen sie sich doch am 28. September 1269 wieder dem schiedsgerichtlichen Ausspruche einiger Verwandten und Vasallen, wonach das nordgauische Erbe getheilt, der ganze übrige, weit größere Rest Ludwig zugesprochen ward. Der Entscheid war billig, da Ludwig für die staufische Sache unvergleichlich größere Opfer gebracht hatte; gleichwol wurmte es H., daß ihn sein Bruder an Landgewinn mehr und mehr überflügelte. Noch einmal erhob [469] er dann seine Hoffnung auf Vergrößerung im Osten. Als 1271 zwischen Böhmen und Ungarn Krieg ausbrach, ließ er eine Heeresabtheilung in Oberösterreich einrücken, nach dem die Wittelsbacher seit langem mit begehrlichen Augen blickten. Im Preßburger Frieden aber von den Ungarn im Stiche gelassen, sah er sich gezwungen die Beute wieder fahren zu lassen. Da entschloß er sich mit seiner bisherigen Politik völlig zu brechen und statt des ungarischen ein böhmisches Bündniß einzugehen. Schon seine vortreffliche Gemahlin, die ihm am 24. Oct. 1271 durch den Tod entrissen worden war, hatte durch Vermittlung ihrer Nichte, der Königin Kunigunde von Böhmen, Freundschaft der beiden Männer herbeizuführen gesucht. An diese Vermittlerin wandte sich nun mit bestem Erfolge auch H. 1273 kam es auf Grund gegenseitiger Zugeständnisse über einige streitige Grenzgebiete zu einem Bündnisse Heinrichs mit Ottokar. Dieses aber sowie die Königswahl Rudolfs, die Ludwigs Einfluß verstärkte, schärfte die Zwietracht der wittelsbachischen Brüder, und die Feindseligkeiten zwischen ihren Rittern und Unterthanen nahmen fortan kaum mehr ein Ende. H. hielt sich von Rudolfs Hofe fern, traf dagegen im October 1274 in Pisek mit Ottokar zusammen, wol um gemeinsames Handeln in den bevorstehenden Verwicklungen zu verabreden. Gleichwol bemerkt man seit Anfang des Jahres 1276 eine Annäherung an die habsburgische Partei, zu welcher ein Vergleich mit Erzbischof Friedrich von Salzburg die Einleitung bildet. Nach langem Streit kamen am 15. Mai 1276 auch die herzoglichen Brüder in Regensburg zusammen und vierzehn Tage darauf schlossen sie unter Vermittlung des Bischofs Leo von Regensburg und des Burggrafen Friedrich von Nürnberg einen Frieden, der freilich nur die territorialen Fragen, nicht auch den Streit über das Kurrecht schlichtete. König Rudolf aber, der sich des Bischofs Leo als Unterhändler bediente, bot als Preis für den Rücktritt von der böhmischen Allianz eine Verlobung zwischen Heinrichs Sohne Otto und seiner Tochter Katharina und als Brautschatz der letzteren die Verpfändung von Oberösterreich an Herzog H. Freudig schlug dieser ein und im September kam er in Regensburg mit dem Könige zusammen. Da Oberösterreich Ottokar erst entrissen werden mußte, bedeutete der Vertrag Heinrich’s Theilnahme am Kriege gegen Böhmen. In der That ward das Land von H. erobert und in pfandweise Verwaltung genommen. Bald aber zeigte sich, daß Rudolf nicht die Absicht habe ihn dauernd in dessen Besitz zu belassen, und sowie H. dies bemerkte, zog er sich von dem habsburgischen Bündnisse in seine frühere Parteistellung zurück, ließ auch die Vermählung seines Sohnes nicht vollziehen. Ottokar, der ganze Wagenladungen voll Silber nach Landshut gesandt haben soll, gewann vom Herzoge die Erlaubniß zu Werbungen in Baiern und gegen 3000 Mark das Versprechen einer bairischen Hilfsschaar von 500 Mann; auch verschloß der Herzog den schwäbischen Streitkräften, die Rudolf zu Hilfe ziehen wollten, seine Lande. Die Schlacht bei Dürnkrut, der Untergang seines Verbündeten brachte daher H. in eine schlimme Lage. Die nächste Folge war eine Wiederannäherung an den Bruder, durch den er auch mit Rudolf versöhnt zu werden hoffte. Der Vertrag von Vilshofen vom 23. October 1278 sollte alle Streitigkeiten zwischen den Brüdern wegen ihrer Besitzungen wie fürstlichen Rechte auf 22 Jahre beilegen; doch wie so oft vorher bestand der Frieden nur auf dem Pergamente. Als Rudolf im Frühjahr 1280 Anstalten traf, Oberösterreich mit gewaffneter Hand H. zu entreißen, stand Ludwig auf Seite des Königs. Diesen Gegnern nicht gewachsen, mußte H. um Verzeihung nachsuchen, die ihm gegen die Auslieferung von Oberösterreich zu Theil ward. Jetzt erst kam die Ehe Otto’s, der als Unterhändler für den Vater den König aufgesucht hatte, zu Stande. Auch ihre Streitigkeiten unter einander legten die Brüder nun dem Habsburger vor. Beide befanden sich im Juni 1281 in Gesellschaft [470] des Königs in Regensburg, wo ein bairischer Landfrieden aufgerichtet wurde. Immerhin schloß H. in diesen Tagen auch ein Bündniß mit Erzbischof Siegfried von Köln, der sich Rudolf noch nicht genähert hatte. Auch sein Gelüsten nach Landerwerbung im Osten hatte er noch nicht völlig unterdrückt. Unerträglich schien ihm der Gedanke, daß in den alten Ländern bairischen Stammes zuerst Ottokar, nun der Habsburger mächtige Reiche begründen sollten, ohne daß Baiern nur einen Fußbreit Landes zurückgewänne. Die neue Spannung gegen Habsburg verrieth die Aufnahme, die H. dem aufrührerischen Bürgermeister Paltram von Wien in seinem Lande gewährte. Im August 1283 schlug er wegen Mauthausens und anderer der Herzogin Katharine als Brautschatz verpfändeten Burgen in Oberösterreich gegen Rudolf’s Sohn Albrecht los, dem der Vater Oesterreich übergeben hatte. Mit Habsburg aber machten Herzog Ludwig und Erzbischof Friedrich von Salzburg gemeinsame Sache. Ein Schiedsgericht stellte den Frieden her, indem es Albrecht zur Bezahlung der Pfandsumme von 3000 Mark, H. zur Auslieferung der Burgen verurtheilte. Der Streit mit Salzburg dagegen zog sich auch unter Friedrichs Nachfolger Rudolf hin. Anfangs October 1285 eroberte H. das salzburgische Mühldorf, der Erzbischof aber schleuderte den Bann gegen den Herzog, appellirte auch an den König, der dann auf dem Reichstage zu Augsburg 1286 den Frieden anbahnte. Seitdem ward Heinrichs Stellung im Osten dadurch gesichert, daß Salzburg und Oesterreich nun selbst in Krieg mit einander geriethen. Zwischen den wittelsbachischen Brüdern aber und ihrem landsässigen Adel war auch nach dem Vilshofener Vertrage über Fragen von untergeordneter Bedeutung immer von neuem Zank und Streit ausgebrochen; eine Menge von Gefangenen schmachteten in den beiderseitigen Burgverließen. Erst der Tod Heinrichs, der am 3. Februar 1290 zu Burghausen erfolgte, endete den Zwiespalt. Auf dem Sterbebette vergaß der Herzog nicht, zwei Kleriker mit Vergütung alles Schadens zu beauftragen, der durch ihn oder seine Leute etwa der Kirche zugefügt worden wäre.

Böhmer, Wittelsbachische Regesten, 75 f. Lorenz, Deutsche Geschichte im 13. und 14. Jahrhundert. Riezler, Geschichte Baierns, II. S. 100–159.

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 468. Z. 26 v. u. l.: Böhmenkönig. [Bd. 29, S. 775]