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Artikel „Heckenstaller, Urban“ von Johann August Ritter von Eisenhart in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 11 (1880), S. 206–207, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Heckenstaller,_Urban&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 15:39 Uhr UTC)
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Heckenstaller: Urban H., Mitbegründer der sogenannten Isargesellschaft in München. Im März 1702 stifteten zu München 20 Männer, meist Beamte und Geistliche, die „Nutz und Lust erweckende Gesellschaft der vertrauten Nachbarn am Isarstrome“, welche den Zweck verfolgte, neben Verherrlichung des baierischen Kurhauses, die „im Vaterlande eingeschobenen verführerischen Bücher zu verbannen“, und durch ihre Arbeiten Lust zur Wissenschaft zu erwecken und Nacheiferung hervorzurufen. Die aus diesem Grunde veröffentlichten „vertrauliche politische und historische Discourse über allerhand zeit-läuffige Begebenheiten und dadurch veranlassende Materien“ (von welchen aber nur 5 Bändchen nebst einem Beibande 1702–4 erschienen), behandeln mit einem Anfluge von Humor, jedoch im geschmacklosen Stile jener Zeit in Form von Wechselgesprächen politische, staatsrechtliche, auch religiöse Streit- und Zeitfragen. Sie haben immerhin das Verdienst, in einer Periode, in welcher Baiern unter österreichischer Occupation schwer litt, das Vaterlandsgefühl wach gehalten und den Druck der Fremdherrschaft mit Freimuth bekämpft zu haben. Deshalb unterlagen auch Mitglieder des Vereins politischen Verfolgungen und das vierte Bändchen jener Discourse der Confiscation. 1703 veröffentlichte ein Mitglied als „Leo von Pienzenau“ einen aus sechs Theilen bestehenden Beiband unter dem Titel: „Für das Vatterland deß Bayrischen Löwens getrewe Gefährtin zu der Isargesellschaft“, welcher Beiband indeß von dem Vorwurfe allzu schwülstiger Schreibart und derber einseitiger Polemik nicht freigesprochen werden kann. Die Ungunst jener Zeitverhältnisse macht es sehr begreiflich, daß die Gesellschaftsmitglieder nur unter erdichteten Namen und Wohnorten an die Oeffentlichkeit zu treten wagten, und so kömmt es, daß die wirklichen Namen bloß von dreien derselben, dem Hofbibliothekar Johann Kändler, dem späteren kurpfälzischen Rath Johann Georg Lüttich und Urban H. auf die Nachwelt übergegangen sind. Letzterer bekleidete bei dem geheimen Rathe zu München die Stelle eines Secretärs und wurde als solcher der Gesandtschaft beigegeben, welche sich im Januar 1694 nach Warschau an den Hof Johann Sobiesky’s begab, um im Namen des Kurfürsten Max Emanuel um die Hand der polnischen Königstochter Therese Kunigunde zu werben, deren feierliche Verlobung am 7. Februar stattfand. Als im December 1705 die Bauern des baierischen Hochlandes wider die österreichische Verwaltung die Waffen ergriffen, kam H. in den kaum grundlosen Verdacht der Theilnahme, entzog sich jedoch verkleidet den bereits eingeleiteten Nachstellungen [207] durch schleunige Flucht in das Franciscanerkloster in Freising. Dort trug er der größeren Sicherheit halber das Ordenskleid und wurde zum Scheine in der Küche als „Frater Urbel“ verwendet. In klösterlicher Zurückgezogenheit schrieb er das „Leben der seligen Stifterin des Ordens U. L. Frau Heimsuchung, Franziska v. Chantal“ und übersetzte u. a. Gobinet’s, Doctors der Sorbonne Unterweisung der Jugend in die christliche Gottseligkeit aus dem Französischen ins Deutsche (1714, 4°). Als Max Emanuel nach Beendigung des verhängnißvollen Krieges im Januar 1715 wieder in seinen Landen einzog, kehrte auch H. aus seinem unfreiwilligen Asyle zu seiner Familie zurück[1], schritt später zu einer zweiten Ehe und verstarb zwischen 1739 und 40 als Secretär des geheimen Rathes. Nach dem Tode der Stifter erlosch die Gesellschaft.

Huber, Progr. des Ludw.-Gymn. in München, 1867–68. Abhandl. d. baier. Akademie der Wissenschaften II. (Jahrg. 1764) S. 6 ff. Baader, Das gelehrte Bayern I. 481.

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 207. Z. 9 v. o.: Als Kurfürst Max Emanuel seine für den geistlichen Stand bestimmten Söhne, Herzog Philipp Moriz (geb. am 3. Aug. 1698 in Brüssel, † am 12. März 1719 in Rom) und Clemens August (geb. am 17. Aug. 1700 in Brüssel, † am 6. Febr. 1761 zu Ehrenbreitstein als Fürstbischof von Köln) zu ihrer theologischen Ausbildung nach Rom sandte, befand sich H. als deutscher Secretär im Gefolge. Während seines römischen Aufenthaltes vom 6. Februar 1716 bis 31. März 1719 verfaßte er in Tagebuchform werthvolle Aufzeichnungen über die Lebensweise und die Beschäftigung beider Prinzen, welche Aufzeichnungen nun im geh. Staatsarchive zu München hinterlegt sind.
    Abhandl. der kgl. baier. Akad. der Wissenschaften III. Cl., 14. Band 3. Abthl. (München 1879). [Bd. 12, S. 796]