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Artikel „Hayd, Heinrich“ von A. Koch. in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 50 (1905), S. 84–87, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hayd,_Heinrich&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 09:28 Uhr UTC)
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Hayd: Heinrich H., katholischer Priester, Dr. theol. und Professor der Philosophie und Aesthetik am kgl. Lyceum zu Freising bei München, wurde geboren am 11. Januar 1829 zu München als einziger Sohn wohlhabender Schreinerseheleute. Von 1839 bis 1846 studirte er die Humaniora am sogenannten alten Gymnasium seiner Vaterstadt, welches er mit „Auszeichnung“ verließ. Im Herbst 1846 bezog er die dortige Universität, um sich in einem [85] dreijährigen Studium unter den Lehrern Fr. Baader, Jos. Görres, Schubert, Lasaulx, Fallmerayer, Beckers und besonders Martin Deutinger der Philosophie zu widmen, wozu H. nach den erlangten Zeugnissen „ganz vorzüglich befähigt“ war. Die bekannten politischen Wirren der 48er Jahre (magnae politicae molitiones nach Hayd’s Aufzeichnung) fielen in die Mitte dieses Lebensabschnittes, hatten aber für den stets in Studium versenkten, zurückgezogenen Jüngling keinerlei Folgen. 1849 bis 1851 studirte H. an derselben Hochschule unter den Lehrern Haneberg, Permaneder, Reithmayr, Fuchs, Stadlbaur (Döllinger war als Professor von August 1847 bis 1850 suspendirt) mit gleichem Eifer katholische Theologie, deren theoretische Seite er dann durch ein einjähriges Praktikum im Priesterseminare zu Freising ergänzte und vollendete. Am 29. Juni 1852 wurde H. ebenda vom apostolischen Nuntius zum Priester geweiht. Erzbischof von München war damals der dem 1846 verstorbenen Anselm v. Gebsattel succedirende Graf Karl August v. Reisach.

Mit ebenso reichen als gründlichen Kenntnissen ausgerüstet, trat H. 1852 bis 1855 in die praktische Seelsorge, welche er auf den Posten Vachendorf bei Traunstein, Pang bei Rosenheim und Abens betrieb und zwar mit dem gleichen Eifer, wie vordem seine theoretischen Vorbereitungsstudien. Inzwischen war Hayd’s Vater gestorben. Da meldete sich der Sohn nach München, wo er die Stelle eines Caplans an der Dreifaltigkeitskirche erhielt, welcher Stelle er fünf Jahre vorstand und bei der er seine philosophisch-theologischen Studien derart förderte, daß er am 4. August 1860 unter dem Decan M. Stadlbaur und mit der dissertatio inaug.: „De doctrina Petri Abaelardi“ und der Augustinischen quaestio inaug.: „De Christo incarnando etiam Adamo non peccante“ zum Doctor der Theologie promovirt wurde. 1860 erhielt H. die Stelle eines Ceremoniars an der Stiftskirche St. Cajetan zu München, womit derselbe 1863 noch die eines Assistenten am kgl. Münzcabinet verband, um endlich nach drei Jahren plötzlich an das irdische Ziel seiner Wünsche zu gelangen. Mit Ernennung des Philosophieprofessors am kgl. Lyceum zu Freising, des Herrn Dr. Joachim Sighart zum Domcapitular in München, war diese Stelle vacant und mit Allerh. Rescript vom 1. December 1866 dem Stiftsceremoniar H. Hayd in München übertragen. Volle 25 Jahre, worunter wol die Hälfte Jahre des schmerzlichsten Leidens waren, versah der neue Professor sein Amt mit beispielloser Hingabe, bis er, zuletzt einem unheilbaren Siechthume verfallen, am 23. April 1892 in Freising starb, wo er inmitten zahlreicher Amtsgenossen die Ruhe seiner Asche gefunden hat.

H. war eine durchaus speculative und kritische Natur, welche in den theologischen Fragen, s. Zt. unter Deutinger’s Führung hauptsächlich discutirt, reichliche Nahrung gefunden hat. Diese von Schelling ausgehenden Einflüsse (insbesondere von dessen Philosophie der Offenbarung) wurden namentlich zu Anfang der 60er Jahre durch Wilhelm Rosenkrantz in seiner „Wissenschaft des Wissens“ ebenso scharfsinnig als gründlich und systematisch verarbeitet. H. stellte sich sofort in den Dienst dieses umgestalteten Schellingianismus (schrieb auch für die A. D. B. XXIX, 209 eine Biographie W. Rosenkrantz’) und richtete alle seine Vorlesungen nach dem System Rosenkrantz’ ein, womit derselbe einige seiner Hörer für ihr ganzes Leben begeistert hat, wogegen er an den meisten Schwerverständigen gegenüber philosophischen Entwicklungen eine oft schmerzlich empfundene Schranke seiner Lehrthätigkeit gefunden hat. Nicht minder stieß H. auch auf kirchlicher Seite wegen seines idealistischen Standpunktes, welcher ihm meist als bloß rationalistischer angekreidet worden ist, auf vielfachen Widerstand, obgleich H. seine Studien in Mitte der Scholastik gemacht und darin gründlicher, als manche seiner Gegner sich umgesehen hat. [86] Insbesondere dürften H. an Kenntniß über Duns Scotus überhaupt Wenige gleichkommen, wie sein schriftlicher Nachlaß darthun kann. Auch war H. philologisch tüchtig geschult, wie seine Uebersetzungen aus dem Griechischen und Lateinischen beweisen; auch sind Hayd’s poetische Versuche bei der Uebersetzung der Psalmen und des Buches Job aller Anerkennung werth, wie er überhaupt als Schriftsteller stets einen klaren und schönen Stil verrieth. Persönlich war H. eine durchaus edle, reine, ideale Gestalt, wie er seinen Edelsinn denn auch durch Hingabe seines gesammten Vermögens an Zwecke der Wohlthätigkeit; (70 000 Mark schon zu Lebzeiten) gezeigt hat. Das Waisenhaus der Stadt Freising, deren Ehrenbürger H. geworden, ist seine Stiftung.

Seine Schriften sind folgende: „Das Buch Job im gereimten Versmaße“, München 1859; „Abälard und seine Lehre im Verhältniß zur Kirche und ihrem Dogma“, Regensburg 1863 (Hayd’s ausgearbeitete und erweiterte Doctorschrift). Im selben Jahre erschien – im Selbstverlag – die zierliche Uebersetzung: „Das Buch der Psalmen“, ebenfalls gereimt. Theils noch aus der Münchener Zeit, jedoch der Mehrzahl nach aus seiner akademischen Lehrzeit in Freising, somit von 1866–72, stammen sehr viele kritische Besprechungen philosophischer und theologischer Werke in dem von Reusch herausgegebenen Bonner Theologischen Litteraturblatt. Etwas früher schon erschien ein Artikel über Natur und Uebernatur in der österreichischen Vierteljahrschrift f. kath. Theologie Bd. IV, S. 19–48. 1871 und 1872 schrieb H. als Programme der Freisinger Studienanstalten über „Die Principien alles Seienden bei Aristoteles und den Scholastikern“, eine gründliche und bündige Arbeit. 1875 erschien in der Tübinger theol. Quartalschrift S. 628: „Verhältniß der Principienlehre zur positiv kirchlichen Theologie“ (eine Auseinandersetzung über die Rosenkrantz’sche Principienlehre, spec. der Theologie). Eine Reihe von Jahren, 1872–1880, befaßte sich H. mit Uebersetzungen für die bei Kösel in Kempten erscheinende Sammlung: „Bibliothek der Kirchenväter“, die als gut brauchbar anerkannt sind: „Irenaeus, Adversus haereses“, 2 Bde.; „Gregor von Nyssa, ausgewählte Schriften“, 2 Bde. 1877 und 1878 (auf ausdrücklichen Wunsch des Bischofs Daniel v. Haneberg in Speyer) „Des hl. Augustinus Tractatus in Joannem“ (124 Serm.) in 2 Bdn.; 1879 des „Cyrillus von Alexandria ausgew. Schriften, besonders über die heilige und wesensgleiche Dreieinigkeit“ (libr. VII), 1 Bd. 1880 „Des Johannes Damascenus Glaubenslehre“, 1 Bd. Sich wieder rein philosophischen Nebenarbeiten zuwendend, schrieb H. abermals 1887 als Freisinger Studienprogramm: „Der freie Wille als tiefste Wurzel der menschlichen Persönlichkeit“ (54 S.) und 1888 als Fortsetzung dieser Speculation: „Wesen und Ursprung der menschlichen Seele“ (66 S.) Beide Schriften bekunden die gründlichste Denkweise, klare, schöne Darstellung und bündigste Beweisführungen. 1890 gab H. in das philosophische Jahrbuch der Görres-Gesellschaft (in der Fuldaer Actiendruckerei erscheinend) Bd. III, S. 1–32 und 353–390 eine größere Abhandlung „Ueber Vereinbarkeit oder Unvereinbarkeit der wissenschaftlichen Forschung mit einem dogmatisch bestimmten, kirchlichen Glaubensbekenntniß“, worin manche von herkömmlichen Auffassungen verschiedene Gedanken niedergelegt sind. Im gleichen Jahre publicirte H. in der jetzt von R. Falckenberg-Erlangen herausgegebenen „Zeitschrift f. Philosophie und philosophische Kritik“, Bd. 97, S. 264–294 eine kurze, aber klare und sorgfältige Darlegung von Dr. Wilhelm Rosenkrantz’ Wissenschaft des Wissens (München 1866). – In das Bonner Theologische Literaturblatt lieferte H. bis 1872 vierzehn größere Besprechungen, worunter die über Deutinger, Stand der gegenw. Philosophie; W. Rosenkrantz, Wissenschaft d. Wissens; Deutinger, Das [87] Reich Gottes; Pichler, Theologie des Leibnitz; Schneider, Unsterblichkeitslehre unter den Culturvölkern[WS 1], besonders hervorragen.

Ueber H. gab Lycealrector Dr. Daller in Freising einen kurzen Nekrolog in das bereits erwähnte philos. Jahrbuch d. Görres-Gesellschaft, Jahrg. 1892, Bd. V, S. 495.

Hayd’s handschriftlicher Nachlaß, welcher dem Berichterstatter testamentarisch zufiel, ist sehr reichlich und läßt auf unermüdliches und unablässiges Schaffen und Arbeiten schließen. Es ist, als ob H. alle seine Conceptionen ohne Ausnahme zu Papier hätte bringen wollen. Tagebücher, Gelegenheitsgedichte, historische Aufzeichnungen, ca. 250 druckfertige Predigten, Auszüge, theils wörtliche, theils sinngetreue namentlich aus dem Grenzgebiete von speculativer Philosophie und positiver Theologie, fertig geschriebene Collegienhefte aller von ihm pflichtgemäß und frei vertretenen (wie Religions- und Rechtsphilosophie) Disciplinen in Menge. Ausdrücklich erwähnen wir die Arbeiten Hayd’s aus Duns Scotus, weil diese jedem Scotus-Forscher ungemein sachdienlich sein können. In 10 engbeschriebenen und von ihm selbst gebundenen Quartbüchern liegen vor: „Controversiae theologiae inter Thomam et Scotum. Venetiis 1599 u. J. de Rada“, 2 Bde.; „Montefortino: Summa Scotistica“, 2 Bde.; „D. Scoti Quaestiones disputatae“, 1 Bd.; „Des D. Scotus Sentenzen incl. der Quodlibetalia“, 5 Bde. Wir erachten es als eine litterarische Pflicht, diese Sammelarbeiten über Duns Scotus s. Zt. einer öffentlichen Stelle zu freier Benutzung anzuvertrauen, da wir überzeugt sind, daß damit das schwierige Studium des dunklen, scharfsinnigen Scholastikers wesentlich erleichtert und zweckmäßig gefördert werden könne.

A. Koch.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Cultuvölkern