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Artikel „Hausmann, Friedrich Karl“ von Karl Siebert in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 55 (1910), S. 773–776, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hausmann,_Friedrich_Karl&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 18:18 Uhr UTC)
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Hausmann *): Friedrich Karl H., Maler, wurde am 23. September 1825 in Hanau geboren als der Sohn eines geschickten Graveurs. Mit zwölf Jahren besuchte er die Hanauer Zeichenakademie, deren Leitung kurz vorher [774] der aus Rom berufene Maler Theodor Pelissier aus Hanau (s. A. D. B. XLVII, 527) als Nachfolger Konrad Westermayr’s übernommen hatte. Seinen ersten Zeichenunterricht erhielt er bei Karl Wilhelm Both und dann bei Pelissier selbst, der später seinen talentvollsten Schülern auch im Malen eine gediegene technische und theoretische Ausbildung ertheilte. Aus dieser Zeit stammt noch eines seiner frühesten Oelbilder, das Porträt seines gleichalterigen Freundes und Mitschülers Georg Cornicelius, der andererseits H. porträtirt hat. Bis zum 23. Jahre verblieb er in Hanau, um sich dann, dem Zuge der Maler jener Zeit folgend, nach Antwerpen zu begeben. Am 2. September 1848 trat er mit Cornicelius die Reise an, und beide fanden Aufnahme in der Antwerpener Kunstakademie. Die Unterrichtsmethode von Director Wappers und Professor Dyckmans sagte ihnen jedoch wenig zu, so daß sie sich bald selbständig machten. Durch Copiren von Rubens’schen Bildern bemühte sich H. in die Geheimnisse des Colorits dieses Meisters einzudringen. Sein erstes großes Bild. „Gretchens Mutter übergibt das von Faust geschenkte Kästchen dem Beichtiger“ (Kunsthalle zu Hamburg) ist noch in der sentimentalen Auffassung eines Ary Scheffer befangen und verräth in der Farbengebung noch nichts Bemerkenswerthes. Auf einem Abstecher nach Holland lernte er in Amsterdam Rembrandt’s „Nachtwache“ und im Haag dessen „Anatomie“ kennen, deren Schönheiten er in kleinen Copien festzuhalten suchte. Einen ganz besonderen Eindruck machte auf ihn der Anblick des Meeres bei Scheveningen, wo er ihm bisher unbekannte Licht- und Luftprobleme beobachtete, die er in Skizzenbücher und auf Leinwand zu bannen sich befleißigte. Aus Antwerpen datiren seine freundschaftlichen Beziehungen zu Anselm Feuerbach, die er im J. 1851, als er nach Paris übergesiedelt war, fortsetzte. Mit Henneberg, W. Lindenschmit und den Brüdern Spangenberg bezog er in Paris ein Atelier, das früher einmal P. Delaroche inne hatte. Als erstes Product seiner geänderten Geschmacksrichtung, welche die Farbengluth eines Delacroix mit der Lebendigkeit eines Daumier zu vereinigen suchte, entstanden seine Pariser Gamins“ (Kunsthalle zu Hamburg). Auch eine Reihe von Landschaftsstudien, die an Constable und die Schule von Fontainebleau anklingen, malte er jetzt. Als die Frucht eines Ausfluges nach der Bretagne sind seine „Galeerensträflinge am Bagno zu Brest“ (1853) anzusehen, die sich durch ihre malerische Kraft und die ungewöhnliche Kühnheit der Farbengebung auszeichnen. Im J. 1854 begab sich H. nach Italien, wo er in Tivoli und Olevano licht- und luftdurchfluthete Landschaftsstudien schuf. Seine „Wallfahrt in der Campagna“ (Nationalgalerie in Berlin), die in Rom entstand, ist vorzugsweise ein Landschaftsbild von schwermuthsvoller Stimmung, doch von groß gesehenen Formen. Seine Vorliebe für die Farbenpracht und den Pomp der katholischen Kirche kommt in der „Ostermesse in der sixtinischen Capelle“ trefflich zum Ausdruck.

Im J. 1855 siedelte H. nach Frankfurt a. Main über und benutzte frühere Skizzen und Studien zur Composition neuer Gemälde. Da er mit Familiensorgen zu kämpfen hatte, zeichnete und malte er dabei für die lithographische Anstalt von Dondorf Diplome, Adressen, Wandkalender, Illustrationen von Märchen u. s. w. Ein Motiv, dessen Entwürfe nach Paris und Rom zurückreichen, erhielt 1861 seine endgültige Vollendung, es war sein Colossalbild „Galilei vor dem Concil“ (Kunsthalle zu Hamburg), auf das er die größten Hoffnungen gesetzt hatte und das sich weit über die Schöpfungen ähnlicher Art erhebt, obgleich es an die Wucht der Farbenskizze in der Nationalgalerie nicht heranreicht. Ein Verkauf dieses Bildes, der ihm einen Künstlernamen und eine gesicherte Existenz verschaffen sollte, stand bevor, wurde aber [775] noch in letzter Stunde hintertrieben. Hierdurch fühlte er sich entmuthigt und glaubte sich nicht zu Höherem berufen. Als durch den Tod seines Lehrers Pelissier die Akademieinspectorstelle in Hanau frei wurde, war er gern bereit, dessen Nachfolger zu werden. Im J. 1864 trat er sein neues Amt an und wurde 1870 zum Director ernannt. Im J. 1885 erhielt er den Professortitel. In seiner Hanauer Zeit hat er nur noch wenig gemalt, seine Bilder wurden conventioneller und hatten von der früheren coloristischen Kraft viel eingebüßt. Hervorzuheben wäre sein „Aschenbrödel“ aus dem Jahre 1868, das er gleichzeitig mit dem von Cornicelius in idealer Concurrenz in der Akademie ausgestellt hatte, sowie noch Deckengemälde im Schloß Philippsruhe bei Hanau, die Scenen aus der hessischen Geschichte behandeln (1880). Am 10. März 1886 starb er unerwartet rasch.

Obgleich Hauptwerke von H. sich schon seit vielen Jahren in der Kunsthalle zu Hamburg und in der Nationalgalerie befanden und 1887 in dieser eine Collectivausstellung seiner Werke veranstaltet wurde, war sein Name nur Wenigen bekannt, und erst auf der deutschen Jahrhundert-Ausstellung von 1906 leuchtete er aus dem Dunkel der Vergessenheit auf, wobei der Künstler fast über Gebühr verherrlicht wurde, da seine Malweise vor 50 Jahren mit manchen Kunstbestrebungen der jüngsten Vergangenheit übereinstimmte. Seit dieser Zeit bildete sich die viel verbreitete Legende, in der Uebernahme der Stelle eines Directors der Hanauer Zeichenakademie den Beginn eines Martyriums zu erblicken, und man ging so weit, die letzte Hälfte seines Lebens zu einer Künstlertragödie zu stempeln. Bei einer näheren Prüfung der thatsächlichen Verhältnisse gelangt man zu einer ziemlich abweichenden Ansicht. H. stand beim Antritt seines Postens im 39. Jahr und hatte als freischaffender Künstler bis dahin wenig Lorbeeren und noch weniger Schätze erworben. Er war keine himmelstürmende Natur und hätte bei einer consequenten Durchführung seiner coloristischen Probleme noch größere Enttäuschungen erlebt als bisher, er würde einfach nicht verstanden worden sein. Schon gewichtige Stimmen hatten sich gegen ihn erhoben, von denen die des Malers und Kunstreferenten H. Becker, der ihm sonst wohlwollte, erwähnt sein möge: „Die Farbe ist meistens höchst kräftig und wirkungsvoll, man merkt aber gar zu sehr die Absicht des Künstlers, der Effect machen will und weiter nichts. In einigen Bildern tritt zu diesem gesuchten und gesteigerten Colorit noch eine manieristische Behandlung hinzu, die eine Nachahmung übelverstandener französischer Muster ist.“ Durch sein neues Amt war er der täglichen Sorgen des Lebens, die auf ihm und seiner Familie lasteten, enthoben. Auch kam er nach Hanau nicht als Neuling, sondern war mit den Verhältnissen des ihm unterstellten Institutes vertraut wie kaum ein anderer Künstler. Während seiner elfjährigen Schülerzeit an der Akademie, die in erster Linie eine Fachschule für Goldarbeiter ist, hatte er reichliche Gelegenheit, sich auf diesem Gebiet umzusehen, und durch den Graveurberuf seines Vatets blieben ihm die meisten Zweige der Gold- und Silberbranche nicht fremd. Darum leistete auch H. in seiner neuen Stellung Außerordentliches. Er bildete im Laufe der Jahre eine große Zahl tüchtiger Schüler heran, wobei ihm sein vornehmer decorativer Sinn und ein plastisches Feingefühl zu statten kamen. Daß sich die Hanauer Kunstindustrie noch heute auf einer gewissen künstlerischen Höhe hält und nicht völlig einer öden Massenproduction anheimgefallen ist, dürfen wir im wesentlichen als eine Folge seiner ersprießlichen Thätigkeit ansehen. Er hatte sich in seinen Lehrberuf so rasch hineingearbeitet, daß er schon drei Jahre später, als ihn seine Regierung auf die zweite Pariser Weltausstellung entsandte, in seinem Berichte über die dort gewonnenen Eindrücke Ansichten über den eigentlichen Zweck der Zeichenschulen [776] äußerte, die in fast allen Punkten noch heute eine Beherzigung verdienen. Neu und unbequem waren ihm jedoch die Verwaltungsgeschäfte, für die er als echter Künstler kein großes Talent mitbrachte, und die ihm noch mehr Sorgen machten, als von Jahr zu Jahr die Schreibereien sich häuften. Außerdem verbitterten ihm manche Stunden seines Daseins offene und versteckte Fehden mit einigen Mitgliedern des Lehrercollegiums, so vor allem mit dem ihm in Rede und Schrift weit überlegenen Ornamentisten F. Fischbach, der selbst achtzehn Jahre nach dem Tode Hausmann’s in einer Broschüre noch einmal den Streit in unschöner Weise aufgerührt hat. Aber trotz alledem liegt kein Grund vor, von einer Künstlertragödie zu sprechen, H. theilte eben das Loos von so vielen anderen Künstlern vor ihm und auch nach ihm, denen es nicht vergönnt war, ihre Ideale zu verwirklichen und auf den sonnigen Pfaden eines Raffael oder Rubens oder van Dyck zu wandeln. Von seinen zahlreichen kunstgewerblichen Entwürfen verdient der zur Bismarckcassette, die am 1. April 1876 als Geschenk der Hanauer Fabrikanten dem ersten Reichskanzler überreicht wurde, eine besondere Erwähnung. Ebenso ist auch die Zeichnung eines Ehrenbechers, der 1878 für den Reichstagsabgeordneten Dr. Weigel gestiftet wurde, hervorzuheben. In seinen Mußestunden betrieb H. mit großem Erfolg historische Studien, vom Standpunkte der heimischen cultur- und kunstgeschichtlichen Entwicklung aus gesehen. 1871 war er dem Hanauer Geschichtsverein beigetreten und regte als Conservator systematische Ausgrabungen an, die eine reiche Ausbeute lieferten. Man hatte 1873 bei dem Dorfe Mittelbuchen einen fränkischen Begräbnißplatz entdeckt, wodurch eine neue Culturperiode erschlossen wurde, die wichtige Fundstücke, eiserne Waffen, Schmucksachen u. s. w. ergab. Durch seinen rastlosen Eifer, der auch seine gelehrten Mitarbeiter mitriß, wurden im Laufe der Jahre eine Anzahl altgermanischer Gräber sowie neue römische Niederlassungen entdeckt. Die stattliche Reihe von Keramiken im Hanauer Geschichtsvereins-Museum, von den einfachen germanischen Urnen bis zu den kunstvollen römischen Terrasigillata-Gefäßen, verdankt zu einem großen Theil ihre Auffindung und ganz besonders ihre Zusammensetzung der kunstgeübten Hand von F. K. Hausmann.

W. Kaulen, Freud und Leid im Leben deutscher Künstler. Frankfurt a. Main 1878, S. 369–373. – A. Seubert, Allgem. Künstlerlexikon. 2. Aufl., Frankfurt 1882, Bd. II, S. 181 u. 182. – H. Becker, Deutsche Maler. Leipzig 1888, S. 213–215 u. 305. – R. Suchier, Festschrift des Hanauer Geschichtsvereins zu seiner 50jährigen Jubelfeier. Hanau 1894, S. 3. – Müller-Singer, Allgem. Künstlerlexikon. 3. Auflage, Frankfurt a. Main 1896, Bd. II, 140. – J. Allgeyer, Anselm Feuerbach. 2. Aufl. Berlin u. Stuttgart 1904. Bd. I, 170 u. f. – F. Fischbach, Bureaukratische Unbilden. Ein Beitrag zur Chronik von Hanau. Wiesbaden 1904. – F. Dülberg, Die deutsche Jahrhundert-Ausstellung zu Berlin. Leipzig 1906, S. 40. – Emil Schaeffer, Friedrich Karl Hausmann, Ein deutsches Künstlerschicksal. Berlin 1907. – K. Siebert, Monatshefte f. kunstwissenschaftliche Literatur, herausgegeben von E. Jaffé und K. Sachs. Berlin 1906, 2. Jahrg., Heft 10, S. 181 u. 182. – Frankfurter Zeitung vom 3. October 1906, Abendblatt (Nr. 273), Berliner Kunstbrief. – H. Weizsäcker, Kunst und Künstler in Frankfurt a. M. im 19. Jahrhundert. Bd. I, Frankfurt a. M. o. J. [1907], S. 85.

[773] *) Zu Bd. L, S. 84.