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Artikel „Gentilis, Scipio“ von Roderich von Stintzing in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 8 (1878), S. 576–577, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Gentilis,_Scipio&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 07:13 Uhr UTC)
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Gentilis: Scipio G., Jurist, geb. 1563 zu Castello San-Genesio in der Mark Ancona, jüngster Sohn des Artytes Matthaeus G., folgte, kaum dem Knabenalter entwachsen, seinem Vater und seinem ältesten Bruder Albericus, als diese ihr Vaterland verließen, um unbehindert dem evangelischen Bekenntniß leben zu können. In Krain fand der Vater für längere Zeit eine gesicherte Stellung. Albericus G., der bereits 1572 in Perugia zum Doctor juris promovirt war und ein richterliches Amt bekleidet hatte, zog nach England, wo er als Professor zu Oxford seinen Ruhm auf dem Gebiete des öffentlichen Rechts erwarb. Scipio G. machte seine Studien in Tübingen und Wittenberg, wo ihn 1586 sein Bruder aus England besuchte. Als der Vater nach England übersiedelte, bezog G. die Universität Leyden, um unter J. Lipsius seine philologischen und unter H. Donellus seine juristischen Studien fortzusetzen. Da aber Donellus 1587 seiner Professur entsetzt wurde, ging G. nach Heidelberg, wo damals Hipp. a Collibus und Julius Pacius a Beriga die Rechte lehrten. G. versuchte sich hier, wie es scheint, mit Erfolg als Docent und es eröffnete sich ihm die Aussicht auf eine Anstellung als Professor der Institutionen. Ihre Vereitelung scheint G. der Intrigue des Pacius zugeschrieben zu haben. Angebliche Drohungen, die G. ausgestoßen und beleidigende Aeußerungen, welche in einem an H. a Collibus gerichteten Gedicht (Heidelberg 1589. 4°) gegen Pacius enthalten sein sollten, veranlaßten diesen, G. beim akademischen Senat anzuklagen. Das Gedicht ward confiscirt und G. mußte versprechen, während schwebenden Processes die Stadt nicht zu verlassen. Demungeachtet ging G., indem er zur Fortsetzung des Processes einen Procurator bestellte, seinem vorher gefaßten Plan gemäß nach Basel. Er fand hier Franz Hotomanus, der schon durch Mißgeschick und Krankheit gebeugt, sich noch in seinem letzten Lebensjahre an dem Talente des jungen Gelehrten erfreute und ihm die glänzendste Zukunft verhieß. Am 16. April 1589 ward G. unter Basilius Amerbach’s Decanat zum Doctor juris promovirt. Er kehrte noch einmal auf kurze Zeit nach Heidelberg zurück, blieb dann den Winter in Basel, unternahm mehrere Reisen in Geschäften des englischen Gesandten und kam im Frühjahr 1590 als Begleiter eines Grafen von Orttenburg nach Nürnberg und Altorf. Hier fand er seinen alten Lehrer Donellus wieder, zu dem er in die vertrauteste Beziehung trat. Er übernahm interimistisch die vacant gewordene Vorlesung der Institutionen und die Scholarchen waren auf Donellus’ Empfehlung geneigt, ihm die durch Giphanius Abgang erledigte Professur der Pandecten zu übertragen, als warnende und beschwerende Schreiben vom Heidelberger Senat und von Pacius einliefen. Der Proceß nämlich hatte unter dem eifrigen Betreiben des letzteren trotz der Beschwerdeschriften, welche G. an den Kurfürsten gerichtet, und gütlicher Versuche in contumacium seinen Fortgang genommen und zu einer Entscheidung der Marburger Juristenfacultät geführt, welche über G. die Relegation aussprach, ein Erfolg, den Pacius schleunigst nach Nürnberg meldete. G. appellirte dagegen an den Kurfürsten, der die Acten einsenden und in der Canzlei begraben ließ. Die Scholarchen aber fanden, nachdem sie sich genauer über den Hergang informirt hatten, kein Bedenken, G., dessen Vorlesungen sich des größten Beifalls erfreuten, definitiv anzustellen. Ihm wurde die Professur der Institutionen, dann der Pandekten und nachdem Donellus’ Nachfolger, P. Wesenbeck 1598 Altorf wieder verlassen hatte, die erste Professur in der juristischen Facultät, sowie das Amt eines Consulenten des Nürnberger Raths übertragen. Er blieb in diesen Stellungen bis zu seinem Tode. Unter den zahlreichen Berufungen, die er ablehnte, ist bemerkenswerth das Bemühen Papst Clemens V., ihn, unter Zusicherung vollständiger Religionsfreiheit, für Bologna zu gewinnen. G., welcher mehrmals das Rectorat der Universität bekleidete, übte durch die [577] geistvolle Frische seiner Persönlichkeit in ungewöhnlichem Grade Anziehungskraft und Einfluß auf die Studenten aus. Dagegen fehlte es auch in Altorf nicht an Conflicten mit Collegen, wie dem Philosophen und Mediciner Taurellus; und wiederholt[WS 1] enthalten die Acten den Vorwurf, daß G. ein leichtfertiges Leben führe und sich in der Trunkenheit grobe Excesse zu Schulden kommen lasse. Indeß war die Zeit gewohnt, solche Dinge sehr nachsichtig zu beurtheilen; Gentilis’ Ansehen beim Rathe in Nürnberg und auf der Universität erlitt keine Minderung. Erst in seinem 49. Lebensjahre verheirathete er sich mit Magdalena, des reichen Cäsar Calandrini aus Lucca, der als Kaufherr in Nürnberg lebte, gelehrter Tochter. Zwei Kinder gingen aus dieser Ehe hervor, die schon nach 4 Jahren sein Tod löste. G. starb am 7. Aug. 1616. Die Leichenrede, welche ihm sein College M. Piccart hielt, ist die, nicht ganz correcte, Grundlage der späteren Biographien. Er ward an der Seite seines großen Lehrers und Freundes Hugo Donellus bestattet. Das innige Verhältniß, in welchem er mit diesem († 4. Mai 1591) noch ein Jahr lang gelebt hatte, enthielt für ihn die Aufforderung, dessen hinterlassene Schriften herauszugeben. Mit der Edition des fast vollendeten dritten Bandes der „Commentarii juris civ.“, hatte ihn der Verstorbene selbst beauftragt; die beiden folgenden Bände stellte er aus Donellus’ Vorarbeiten mit Einsicht und Geschick (1595–97) zusammen; Donellus Opuscula posthuma, ein kleiner Octavband, erschienen „ex bibliotheca Sc. Gentilis“, 1604. In seinen Vorreden und Ergänzungen bekundet er das volle Verständniß der systematischen Gedanken Donell’s; er selbst aber, ebenso sehr Philologe als Jurist, hat die Jurisprudenz vorzugsweise in der philologisch-antiquarischen Richtung angebaut, wie namentlich seine am meisten verbreiteten Werke „Parergorum ad Pandectas libri II.“ und „Originum liber singularis“, 1588. 1664. 8°., (Otto, Thesaurus, Ed. 2. Vol. 4. p. 1269 s.) zeigen. Reiches Wissen, feines Urtheil und geschmackvolle Darstellung sind ihm eigen. Eine Sammlung seiner zahlreichen philologischen, juristischen, theologischen und poetischen Schriften, zu welcher Senkenberg, Meermann und Zeidler Beiträge lieferten, erschien Neapol. 1763–69, 8 Bde. 4°. Sie ist indeß nicht vollständig, wie die Verzeichnisse bei Zeidler, Will und Jugler ergeben.

Vgl. Piccarti laudat. funebris Sc. Gentilis. Altorf 1617. 4°. Witten, Memoriae Juriscons. S. 25, Zeidler, Vitae Jctor. Altorfin. I. 105, III. 148. Jugler VI. 146. Will-Nopitsch, Nürnberg. Gelehrten-Lex. I. 522. V. 398. Stintzing, H. Donellus S. 40, 44 f. 63. 69.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: wiederhalt