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Artikel „Fritsch, Ahasver“ von Bernhard Anemüller in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 8 (1878), S. 108–109, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Fritsch,_Ahasver&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 05:08 Uhr UTC)
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Fritsch: Ahasverus F., geb. den 16. Dec. 1629 zu Mücheln im Amte Freiburg in Sachsen, im jetzigen Regierungsbezirke Merseburg, wo sein Vater Bürgermeister war; gest. den 24. Aug. 1701 als Kanzler in Rudolstadt. Seine frühe Jugend fällt in die Zeit des dreißigjährigen Krieges, dessen Schrecken er mit seinen Eltern und Geschwistern in reichlichem Maße erfahren mußte. Seine Vaterstadt ward verheert, der Besitz seiner Eltern wurde ein Raub der Flammen, die Familie mußte flüchtig werden und irrte in unaufhörlicher Abwechslung von Noth, Mangel und Elend von einem Orte zum andern. Mitten in diesen entsetzlichen Bedrängnissen starb der Vater, „der redliche Fritsch“ genannt, acht Kinder hinterlassend in rath- und hülfloser Lage. Endlich wurde es der Mutter doch möglich, den strebsamen Sohn in Halle unterzubringen. Dort besuchte er das Gymnasium, mußte sich aber seinen Unterhalt selbst auf traurige Art durch Unterricht und Abschreiben verschaffen, bis er 1650 in Jena, vielfach unterstützt, namentlich von dem berühmten Rechtsgelehrten Struve, sich dem Studium der Jurisprudenz widmen konnte. Er erlangte die juristische Doctorwürde und kehrte wieder nach Halle zurück, um hier durch Collegienlesen und Schriftstellerei, wie als Führer und Lehrer junger, bemittelter Männer seine Subsistenz mühevoll zu sichern. Doch begab er sich 1653 wieder nach Jena, um hier juristische Vorlesungen zu halten. Erst 1657 trat eine für sein Leben günstige Wendung ein dadurch, daß er zum Lehrer des jungen Grafen Albert Anton von Schwarzburg-Rudolstadt berufen wurde. Durch seine Erfahrungen, seinen gediegenen Charakter und durch sein unermüdetes, wissenschaftliches Streben gewann er sich bald das Vertrauen der gräflichen Familie und des damaligen Kanzlers Lenz, so daß er 1661 zum Hof- und Justizrath bestellt wurde. 1669 wurde er kaiserlicher Hof- und Pfalzgraf, 1679 Kanzleidirector und Consistorialpräsident, endlich 1681 Kanzler, welche Stelle er bis zu seinem Tode bekleidete. Mehrfache an ihn ergangene Berufungen auf Universitäten hat er ausgeschlagen. In Rudolstadt selbst aber hielt er im Gymnasium, um welches er sich große Verdienste erwarb, Vorlesungen über Justinian’s Institutionen und über Rechtsgeschichte, welche auch von denen fleißig und gern besucht wurden, welche die Akademie bereits verlassen hatten. Mit den berühmtesten Staatsmännern und Theologen seiner Zeit stand er in regem, gelehrten Briefwechsel. In engere Beziehung aber trat er durch seine geistliche Thätigkeit namentlich mit den berühmten, ihm geistesverwandten schwarzburgischen Liederdichterinnnen Aemilie Juliane und mit deren Freundin und Pflegeschwester Ludämilie Elisabeth. Sie theilten sich gegenseitig ihre Lieder mit und F. erhielt oft Aemilien’s Dichtungen zur Durchsicht. [109] Nach der praktischen Seite hin zeigte er seine Thätigkeit in dieser Richtung nicht nur selbst als Liederdichter, sondern auch durch Stiftung der „geistlichen fruchtbringenden Jesusgesellschaft“ zur Förderung des christlichen Lebens und geistlichen Wohles seiner Mitchristen 1676, von welcher 12 Regeln durch den Druck bekannt gemacht wurden. Zu ihr gehörten außer dem Stifter die erwähnten beiden Liederdichterinnen, wie der Fürst Ludwig Friedrich I., viele Geistliche und Beamte. Auch in dieser Gesellschaft hatte man besondere Namen und Wahlsprüche angenommen. Doch bestand sie nicht lange, was wol neben anderen Ursachen auch in Spener’s Bedenken (vgl. Spener’s theolog. Bedenken 3. Thl. S. 194) seinen Grund gehabt haben mag. Sein zeitweiliger Aufenthalt auf dem von ihm erkauften kleinen Gute Mellingen war dem eifrigsten Studium der Bibel, Kirchengeschichte, der Kirchenväter und der Herausgabe seiner theologischen und erbaulichen Schriften gewidmet. Seine Thätigkeit war eine außerordentliche. F. war einer der fleißigsten und fruchtbarsten Schriftsteller seiner Zeit. Seine Schriften, an Zahl gegen 300, sind historischen (auch zur Erläuterung der Geschichte Schwarzburgs und der vaterländischen Rechte dienend), antiquarischen, juristischen, besonders auch publicistischen und germanistischen Inhalts, zu denen auch sehr viel geistliche, ascetische und paränetische hinzukommen. Auch seine juristischen Schriften athmen christlichen Geist, namentlich seine Tractate über die Sünden der Fürsten, der fürstlichen Räthe, der Gelehrten, Bürgermeister, Adeligen, Advocaten etc. Die Fritsch’schen Liedersammlungen enthalten sowol seine eigenen als auch fremde Lieder und daher, daß er bei den wenigsten Liedern Anderer die Namen andeutete, weil er sie entweder nicht angeben konnte oder nicht angeben wollte, kam es, daß über die Autorschaft mehrerer Lieder seiner Sammlungen sich sehr verschiedene Angaben finden. – Man besitzt verschiedene Verzeichnisse der von ihm herausgegebenen Schriften. Vgl. Kleine Schriften des verstorbenen F. Schwarzb. Kanzlers Ah. Fritsch von C. H. L. Spiller von Mitterberg. Coburg 1792. J. Chr. Hellbach in Hagemann und Günther’s Archiv für theoretische und practische Rechtsgelehrsamkeit. Bd. 4, S. 13 ff. Hesse, Verz. schwarzb. Gelehrten, 3. St. S. 7 ff. Zu den von Hesse a. a. O. verzeichneten Schriften Fritsch’s sind noch eine Reihe nachzutragen und den von dems. Verf. citirten Nachweisungen von Biographien sind hinzuzufügen: Rambach’s Anthologie christl. Gesänge. 1819, 3. Bd., S. 183 f. Fr. Delitzsch, S. XIV-XVIII der Vorrede zu den Christenthumsfragen etc., Dresden 1841. K. F. Göschel, Zerstreute Blätter aus den Hand- und Hülfsacten eines Juristen, 3. Thl. 2. Abth. (1842), S. 359 ff. H. E. F. Guericke, Handbuch der Kirchengeschichte (6. Aufl. 1846), Bd. 3, S. 445 Anm. 6. E. Koch’s Gesch. des Kirchenliedes etc., 1. Thl. S. 188 f. Döring in Ersch u. Gruber’s Encyclopädie Sect. 1, Thl. 50. W. Thilo in dem Vorwort z. „Stimme der Freundin“, geistl. Lieder Ludämilien Elisabeth’s, 1856, S. XXV ff. und (G. v. Bamberg) Schwarzburgisches Sion oder Schwarzburgs geistl. Liederdichter in biographischen Skizzen nebst einer Auswahl ihrer Lieder. Rudolstadt 1857. 8. S. 15 ff.