ADB:Delitzsch, Franz
Lutheraner, der mit Bekenntnißtreue ein warmes Herzenschristenthum verband, und führte ihn zum Studium der Theologie. 1835–42 lebte er als Privatgelehrter in Leipzig besonders philologischen und rabbinischen Studien und habilitirte sich 1842 an der dortigen Universität mit der Dissertation „De Habacuci prophetae vita atque aetate“. Er wurde schon 1844 außerordentlicher Professor und 1846 ordentlicher Professor für Altes Testament in Rostock, nachdem er sich 1845 mit Clara Silber aus Leipzig vermählt hatte. Von Rostock wurde er 1850 nach Erlangen berufen, wo er in persönlicher Berührung mit dem ihm geistesverwandten Hofmann gleichwohl seine theologische Eigenart unter Ablehnung der diesem Theologen eigenen Geschichtsauffassung und Dogmatik behauptete (s. den Briefwechsel von Hofmann und Delitzsch, 1891 herausgegeben von W. Volck. Die Eigenart seiner Behandlung des Alten Testaments, wie sie sich in der von 1850–67 reichenden Erlanger Zeit in einer Reihe von Publicationen kundthat, hatte ihre Stärke in der Sorgsamkeit der Einzelauslegung mit den Mitteln einer umfassenden philologischen und archäologischen Gelehrsamkeit, sowie in der religiösen Wärme, welche den Geist der biblischen Schriften dem Leser nahebrachte. Die durch das lutherische Bekenntniß gegebenen Denkformen, sowie die D. eigene Neigung für die Mystik beeinträchtigten wohl dabei zuweilen die Methode der Untersuchung und die rein historische Auffassung des im Bibeltexte Gegebenen. Geschichtliche Bedeutung muß ihm zugesprochen werden als einem der erfolgreichsten Gegner des Rationalismus auf alttestamentlichem Gebiet und Mitbegründer einer wissenschaftlich auf der Höhe der Zeit stehenden und zugleich der Kirche dienenden Bibelwissenschaft. Die mit der Berufung nach Leipzig im J. 1867 beginnende zweite Periode seiner akademischen Lehrthätigkeit zeigte ihn bis zum Schlusse in rastloser Fortarbeit an allen vom Alten Testament dem Theologen gebotenen Problemen. Seit 1880 veranlaßte ihn die unter der Führung Wellhausen’s auftretende Auffassung der alttestamentlichen Litterargeschichte zu bedeutsamen Abweichungen von der herkömmlichen Tradition, ohne ihn indes von seinen theologischen Grundanschauungen abzudrängen (s. „Der tiefe Graben zwischen alter und moderner Theologie“, 1888). Seiner bis zuletzt mit seltenem Erfolge gekrönten akademischen Lehrthätigkeit, sowie seinem schriftstellerischen Wirken setzte erst die am 4. März 1890 zum Tode führende schwere Krankheit ein Ziel. – Nicht unerwähnt darf bleiben seine schon in der Jugend begonnene Theilnahme am Werke der Judenmission, welche im J. 1871 zur Vereinigung der bis dahin vereinzelt thätigen lutherischen Missionsvereine [652] zu gemeinsamer Arbeit unter Leitung des „Lutherischen Centralvereins für die Mission unter Israel“ führte, dessen Seele D. war. Im übrigen galten seine Bestrebungen einer Erhöhung des geistigen Niveaus auf dem Gebiete der missionarischen Controverse. Ein von ihm 1886 in Leipzig begründetes Missionsseminar ist als „Institutum Delitzschianum“ ein dauerndes Denkmal seiner Bestrebungen auf diesem Gebiete. – Die von ihm empfundene Pflicht des Erweises, daß das Christenthum mit ungerechter und wahrheitswidriger Beurtheilung des Judenthums nichts gemein habe, machte ihn von 1881 ab zu dem bedeutendsten Gegner antisemitischer Pseudogelehrten, welche ihrer Sache mit Anwendung vergifteter Waffen zu dienen meinten. – Von 1873 ab war er betheiligt an der Commission zur Revidirung der lutherischen Bibelübersetzung, wozu ihn das sächsische Kirchenregiment delegirt hatte. Er vertheidigte das fertige Werk in „Die revidirte Lutherbibel. Appell an die lutherische Kirche“, 1884. – Die sächsische Staatsregierung ehrte ihn durch Verleihung der Würde eines Geheimen Kirchenraths und eines Domherrn des Hochstifts Meißen.
Delitzsch: Franz Julius D. Dieser bedeutendste unter den lutherischen alttestamentlichen Exegeten des 19. Jahrhunderts wurde am 23. Februar 1813 in Leipzig als Sohn einer armen (christlichen) Bürgerfamilie geboren. Unter rationalistischen Einflüssen wuchs er in Leipzig heran und entschied sich, als er 1831 die Universität bezog, für das Studium der Philosophie und Orientalia. Die Wendung, welche 1832 sein religiöses Leben nahm, machte ihn indes zum überzeugtenVon der großen Zahl seiner Schriften können hier nur die wichtigsten genannt werden. Der Schriftauslegung dienen: Kommentar zu Habakkuk, 1843; zum Hohenlied, 1851; zur Genesis, 1852 (neuausgearbeitete 5. Aufl. 1887); zum Hebräerbrief, 1857; zum Psalter, 1859/60 (4. Aufl. 1884); zu Hiob, 1864 (2. Aufl. 1876); zu Jesaja, 1866 (4. Aufl. 1889); zum Spruchbuch, 1873; zum Hohenlied und Prediger, 1875; zu den Messianischen Weissagungen, 1890. Theologische Studien verschiedener Art sind niedergelegt in den Schriften: „Die biblisch-prophetische Theologie“, 1845; „Symbolae ad Psalmos illustrandos isagogicae“, 1846; „System der biblischen Psychologie“, 1855; „Handschriftliche Funde“, 1861/2; „Studien zur Entstehungsgeschichte der Polyglottenbibel des Cardinal Ximenes“, 1871; „Komplutensische Varianten zum Alttestamentl. Texte“, 1878; „Fortgesetzte Studien zur Entstehungsgeschichte der Komplutensischen Polyglotte“, 1886, in den Einleitungen zu S. Baer’s Ausgabe des hebräischen Textes des A. T. seit 1869, in Aufsätzen der von Guericke und ihm 1862–78 redigirten Zeitschrift für die gesammte luth. Theologie und Kirche. Der rabbinischen Wissenschaft gehören an: „Zur Geschichte der jüdischen Poesie“, 1836; „Anekdota zur Geschichte der mittelalterl. Scholastik unter Juden und Moslemen“, 1841. Die Judenmission unterstützen: „Jesus und Hillel“ (3. Aufl. 1879); die hebräische Uebersetzung des Neuen Testaments, 1877 (12. Aufl. 1901), mit Vorstudie über den Römerbrief, 1870; „Der Messias als Versöhner“, 1885; „Ernste Fragen an die Gebildeten jüdischer Religion“, 2. Aufl. 1890; und die Herausgabe der Zeitschrift „Saat auf Hoffnung“, 1863–79. Belletristischer Art sind: „Jüdisches Handwerkerleben zur Zeit Jesu“, 1868 (3. Aufl. 1879); „Ein Tag in Kapernaum“, 1871; „Durch Krankheit zur Genesung“, 1873. Die Erbauung fördern: „Philemon oder von der christlichen Freundschaft, 1841 (3. Aufl. 1878); „Schatzkästlein“, 1842; „Das Sakrament des wahren Leibes und Blutes Christi“, 1844 (7. Aufl. 1886). Gegen die Antisemiten wenden sich: „Rohling’s Talmudjude“ (7. Aufl. 1881); „Was D. Aug. Rohling beschworen hat“, 1883; „Schachmatt den Blutlügnern Rohling und Justus“, 1883; „Neueste Traumgesichte des antisemitischen Propheten“, 1883.