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Artikel „Frisch, Christian“ von Siegmund Günther in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 49 (1904), S. 149–150, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Frisch,_Christian&oldid=- (Version vom 27. November 2024, 05:10 Uhr UTC)
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Frisch: Christian F., Astronom, geboren am 5. November 1807 zu Stuttgart, † ebenda am 29. März 1882. Wie so viele seiner jungen Landsleute – Strauß und Vischer waren gleichzeitig mit ihm „Stiftler“ –, trat der junge F. nach Absolvirung der Gymnasialstudien als Theologe in das Stift zu Tübingen ein, freilich von Anfang an mit der Absicht, sich später dem Lehrfache zu widmen. Um diesen Zweck zu erreichen, besuchte er nach bestandener Prüfung für das geistliche Amt die Universität Erlangen, um sich unter J. W. A. Pfaff und Kastner in den exakten Wissenschaften weiterzubilden. Im J. 1833 wurde er Lehrer der Mathematik an der Stuttgarter Realanstalt, deren Rector er von 1862 an bis zu seinem Tode gewesen ist. Verheirathet war er niemals, lebte vielmehr, so lange es möglich war, bei seinen Eltern. Für die öffentlichen Fragen bekundete er von jeher einen empfänglichen Sinn, wie er denn auch frühe schon zu den Beförderern des Turnwesens gehörte. Der Wahlkreis Freudenstadt sandte ihn 1848 in die Frankfurter Nationalversammlung, 1850 auch in den württembergischen Landtag, und als das Reich wiedererstanden war, erinnerten sich seiner die alten Wähler im Schwarzwald. Im deutschen Reichstage saß er von 1871 bis 1877 als Mitglied der nationalliberalen Partei. Hervorzutreten liebte er allerdings nicht, und nur selten ergriff er das Wort. Seine Hauptrede galt 1873 den vom Reiche unterstützten Bestrebungen zur Begründung wissenschaftlicher Stationen, denen die Beobachtung des Venusdurchganges obliegen sollte. Er erklärte, daß für „das Vaterland eines Coppernicus und Kepler“ eine Ehrenpflicht vorliege, mit öffentlichen Mitteln einzugreifen, und hatte die Freude, seinen Wunsch durch übereinstimmende Beschlüsse der gesetzgebenden Factoren verwirklicht zu sehen.

Der Name Kepler, den F. bei dieser Veranlassung aussprach, bildete auch den Lebensinhalt des rastlos thätigen, auch als Lehrer und Erzieher hoch angesehenen Mannes. Er ging schon in jungen Jahren mit dem Plane um, durch eine kritische Herausgabe aller von dem großen Schwaben hinterlassenen Schriften diesem ein Ehrendenkmal zu setzen, und als Sechziger sah er sich am Ziele, indem er der gelehrten Welt in acht stattlichen Bänden (Frankfurt a. M.-Erlangen 1858–1871) die „Opera omnia Kepleri“ vorlegen konnte. Beihülfe ist ihm bei der Riesenarbeit, welche diese Veröffentlichung erheischte, nur spärlich zu theil geworden, und hätte er sich nicht selbst im Besitze ausreichender Mittel befunden, die er mit größter Bereitwilligkeit seiner Aufgabe zum Opfer brachte, so würde er schwerlich den Abschluß erlebt haben. Bedurfte es doch kostspieliger buchhändlerischer Erwerbungen und zahlreicher Reisen, um das da und dort verstreute, überaus umfangreiche Material zusammenzubringen. In der That gelang ihm dies vortrefflich, und nur Weniges ist in den letzten dreißig Jahren zu seiner Ausgabe als neu aufgefunden hinzugekommen. Der Schlußband enthält auch die mühsam gewonnenen [150] Actenstücke über den Hexenproceß von Kepler’s Mutter und, aus der Feder des Herausgebers selbst, einen dankenswerthen Abriß der Geschichte der Astronomie, lateinisch geschrieben, wie alles, was von F. herrührt. Man ginge nämlich sehr irre mit der Annahme, er habe sich auf die bloße Editionsthätigkeit beschränkt. Wer Kepler’s Arbeiten studieren will, stößt ohne einen fachkundigen Führer auf gar viele Hindernisse, und über diese hilft der mit Hingabe und Einsicht geschriebene Commentar stets hinweg. Wer ihn zur Hand nimmt, bemerkt mit Staunen, wie tief sich dessen Autor in die Litteratur des XVI. und XVII. Jahrhunderts und auch in die Gedankenkreise des Alterthums hineingearbeitet hatte. Daß F. sich auch lebhaft für die Errichtung eines Denkmales für Kepler interessirte, versteht sich von selbst. Dasselbe wurde am 24. Juni 1870 auf dem Marktplatze der ehemaligen Reichsstadt Weil errichtet, natürlich unter activer Mitwirkung des Mannes, der unter den Lebenden den genialen Sohn Weils „der Stadt“ am besten kannte und verstand.

Vierteljahrsschrift der Astronomischen Gesellschaft, 17. Jahrgang, S. 1 ff. – Poggendorff, biographisch-litterarisches Handwörterbuch zur Geschichte der exakten Wissenschaften, 3. Band, Sp. 478.