ADB:Friedrich Christian II.
[WS 1] und der Herzogin Charlotte Amalie Wilhelmine, einer Tochter des Herzogs Friedrich Karl, mit welchem 1761 die plönische Linie des schleswig-holsteinischen Fürstenhauses erlosch. Außer einer älteren Schwester, der Prinzessin Luise, hatte F. Ch. zwei jüngere Brüder, die Prinzen Emil und Christian August, von denen der letztere 1810 als Kronprinz von Schweden starb. Schon in seinem fünften Lebensjahre, im October 1770, verlor F. Ch. seine Mutter. Die Erziehung der Prinzen ward dem Hofprediger Jessen anvertraut, einem ausgezeichneten Manne von umfassender Bildung und von mildem humanem Charakter, der es verstand, den Sinn seiner Zöglinge schon früh für alles Große und Schöne zu erwärmen und sie für ideale Ziele zu begeistern. F. Ch. hat diesem Lehrer seiner Kindheit stets eine anhängliche Liebe bewahrt. Für bestimmte Unterrichtsgegenstände trat demselben später der Legationsrath Schiffmann als der eigentliche wissenschaftliche Lehrer zur Seite. So verlebte der Prinz seine Kindheit in ländlicher Stille auf den Besitzungen seines Vaters [25] auf Alsen und im Sundewitt, in der idyllisch anmuthigen Umgebung von Augustenburg und Gravenstein. Schon 1778 ward die künftige Vermählung des damals erst 13jährigen Erbprinzen F. Ch. mit der Prinzessin Luise Auguste, der einzigen Tochter des Königs Christian VII. von Dänemark, die damals erst 7 Jahre alt war, verabredet. Es unterliegt keinem Zweifel, daß Staatsmänner, wie Andreas Petrus Bernstorff und der ältere Schimmelmann, welche diese Vermählung vorzugsweise beförderten, schon damals die möglichen Eventualitäten der Erbfolge im Auge hatten. Der Mannsstamm des Königs Friedrich III. bestand damals nur aus drei Mitgliedern, nämlich dem geistesschwachen König Christian[WS 2] VII., der von seiner Gemahlin geschieden war, dem Kronprinzen Friedrich, einem zehnjährigen schwächlichen Kinde, und dem Stiefbruder des Königs, dem geistig und körperlich wenig entwickelten Erbprinzen Friedrich, dessen Ehe nach vierjähriger Dauer noch unbeerbt war. Also lag die Möglichkeit schon damals nahe, daß die ältere königliche Linie im Mannsstamm aussterbe. Weitsichtige Staatsmänner suchten den Verwickelungen, die dann eintreten könnten, dadurch vorzubeugen, daß sie die Erbtochter Dänemarks, die Prinzessin Luise Auguste, mit dem ältesten Agnaten des schleswig-holsteinischen Fürstenhauses verlobten. Indeß wie sehr auch diese Verabredung für das künftige Leben des Erbprinzen von Augustenburg entscheidend war, äußerlich ward dadurch in seinen Verhältnissen zunächst keine Veränderung hervorgebracht. Vielmehr blieb F. Ch. während der nächsten Jahre noch in dem einfachen Familienkreis zu Augustenburg. Schon seine natürliche Anlage war auf wissenschaftliche Ausbildung gerichtet. Bei seinem strengen Pflichtgefühl mußte die ihm jetzt eröffnete Aussicht ihn nur umsomehr anspornen, sich mit verdoppeltem Eifer auf seinen künftigen Beruf vorzubereiten. So erstreckte sich der Kreis seiner Studien schon ziemlich weit über den gewöhnlichen Umfang der Gymnasialbildung hinaus, als er im Frühjahr 1783 zugleich mit seinen beiden jüngeren Brüdern und begleitet von Schiffmann die Universität Leipzig bezog. Hier fühlte F. Ch. sich besonders durch philosophische Studien angezogen, den größten Einfluß auf seine geistige Entwickelung gewann der Professor Ernst Platner, welcher, unter dem noch fortdauernden Einfluß der Leibnitzisch-Wolfischen Philosophie stehend, zugleich die philosophischen Schriften der Engländer und der Franzosen auf sich einwirken ließ, und der durch blühende und gefällige Darstellung dem populären Eklekticismus, welchem er huldigte, zahlreiche Anhänger gewann. Platner wußte seine Schüler durch einen geistreichen und anregenden Vortrag zu fesseln; sein Einfluß auf F. Ch. war so groß und nachhaltig, daß es diesem trotz ernsthafter Anstrengungen später schwer ward, den durch Kant bezeichneten großen Fortschritten zu folgen. Erst in späteren Jahren, als er mit Reinhold bekannt wurde, gelang es diesem, ihm das Verständniß für die neue Lehre zu eröffnen. Außer der Philosophie wurden in Leipzig auch Staatswissenschaften, Jurisprudenz, Geschichte, Physik und andere Wissenschaften getrieben. Persönlich scheint F. Ch., außer mit Platner, nur mit Weiße, dem bekannten Kinderfreund, in nähere Beziehung getreten zu sein. Sein schon früh gewecktes Interesse für Pädagogik mag wol diese Annäherung veranlaßt haben. – Von Leipzig aus wurden auch Besuche am Dresdener, und später am Berliner Hofe gemacht, wo man den künftigen Schwiegersohn des Königs von Dänemark mit Auszeichnung empfing. Im Herbst 1784 kehrte F. Ch. nach Augustenburg zurück, wo er den Winter benutzte, um die in Leipzig begonnenen Studien fortzusetzen und sich auf den Eintritt in das Kopenhagener Leben vorzubereiten. Im Mai 1785 reiste er nach Kopenhagen ab, zunächst um die ihm bestimmte Braut, die selber von dieser Abmachung noch nichts wußte, kennen zu lernen. Aber nicht einer diplomatischen Combination, sondern der freien Neigung der Prinzessin wünschte F. Ch. ihre [26] Hand zu verdanken. In Dänemark regierte damals statt des geisteskranken Königs der siebzehnjährige Kronprinz Friedrich. Der leitende Staatsmann aber war Graf Andreas Petrus Bernstorff, der das vollste Vertrauen des Kronprinzen genoß und auf der Höhe seines Einflusses stand. Am Hofe ward F. Ch. mit allen Auszeichnungen eines königlichen Prinzen aufgenommen und hatte im täglichen Verkehr die beste Gelegenheit, mit der Prinzessin Luise Auguste und mit dem Kronprinzen, seinem künftigen Schwager, bekannt zu werden. Der schönen lebenslustigen Prinzessin, die an dem Glanz des Hofes Gefallen fand, mochte der stille gelehrte F. Ch., welcher in ihr den Sinn für Wissenschaften zu wecken suchte, anfangs wol mehr als Mentor erscheinen. Aber seiner überlegenen Bildung gelang es, ihre Neigung zu gewinnen. Im October gab sie ihre Einwilligung und am 27. Mai 1786 fand die Vermählung in Kopenhagen statt. Unmittelbar nach seiner Vermählung ward F. Ch. in dem jugendlichen Alter von 21 Jahren zum Geheimen Staatsminister ernannt und erhielt Sitz und Stimme im Staatsrath, in welchem die wichtigsten Angelegenheiten der Monarchie berathen und endgültig entschieden wurden. Mit seiner Gemahlin wohnte er in dem großen Christiansburger Schloß, in welchem die sämmtlichen Mitglieder der königlichen Familie eine gemeinsame Hofhaltung führten. Im J. 1788 ward F. Ch. zum Patron der Universität Kopenhagen ernannt. Aber sein regsamer, von der edelsten Philanthropie erfüllter Geist wünschte Gelegenheit zu haben zu einer mehr unmittelbaren Theilnahme an dem Detail der Regierungsgeschäfte, und da seine Neigungen ihn vorzugsweise auf das wissenschaftliche Gebiet hinzogen, so erhielt er 1790 den Vorsitz in einer Commission, welche beauftragt wurde, einen Plan zur Reform der Universität und des gelehrten Schulwesens in Dänemark zu entwerfen. Durch diese Aufgabe kam F. Ch. mit den berühmtesten dänischen Gelehrten in Berührung, mit Männern wie Suhm, Baden, Moldenhawer, Hornemann und Anderen. Er gefiel sich in diesem Kreise und bildete gewissermaßen einen Mittelpunkt des wissenschaftlichen Lebens in Dänemark. Er begnügte sich nicht damit, die Arbeiten der Commission zu leiten, sondern er arbeitete selbst mit Fleiß und Einsicht an der Aufgabe, die der Commission gestellt war. Seine Gedanken über die Reform des höheren Schulwesens stellte er in einem Aufsatz zusammen, der in der dänischen Minerva von 1795 veröffentlicht ist. Auch eine Rede, die er in der Universität bei Gelegenheit einer akademischen Preisvertheilung hielt, ist im Drucke erschienen. Nachdem der Reformplan probeweise bei der Kopenhagener Kathedralschule eingeführt war, wohnte F. Ch. zuweilen persönlich den Lehrstunden bei, um den Erfolg der neuen Methode zu prüfen. Kurz er war mit vollem Ernste bei der Sache. – Indeß seine amtliche Stellung hatte doch etwas Schiefes. Das gesammte Unterrichtswesen stand unter der Kanzlei. Während er nun als Staatsminister über der Kanzlei stand, war er in allen Angelegenheiten des Unterrichts gewissermaßen der Kanzlei untergeordnet. Die natürliche Folge war, daß aus diesem schiefen Verhältniß häufig unangenehme Reibungen entstehen mußten, zumal wenn den bureaukratischen Köpfen die von F. Ch. vertretenen Ideen allzu demokratisch erschienen. Er hatte deshalb den Wunsch, das Unterrichtswesen ganz von der Kanzlei abzutrennen und zu einem selbständigen Ressort zu gestalten, oder die Commission zu einem von der Kanzlei unabhängigen Regierungsdepartement zu erweitern. Aber es währte lange, ehe er dieses Ziel erreichte. So lange Graf Moltke Präsident der Kanzlei war, wurden schießlich die Schwierigkeiten immer wieder ausgeglichen. Aber im J. 1804 trat Kaas an die Spitze der Kanzlei, ein wenig gebildeter Geschäftsmann, mit dem F. Ch. sich nicht vertragen konnte. Unter diesen Umständen setzte er es durch, daß unterm 19. Juli 1805 ein selbständiges Regierungscollegium für [27] das höhere Unterrichtswesen eingerichtet wurde. Den Vorsitz darin erhielt F. Ch.; die übrigen Mitglieder waren Malling, Moldenhawer und Engelstoft, von denen namentlich Moldenhawer von jeher der treueste Mitarbeiter des Herzogs auf dem Gebiete des Schulwesens gewesen war. Von da an war F. Ch. in gewissem Sinne Unterrichtsminister für Dänemark. – Auch mit manchen deutschen Gelehrten stand er in mehr oder minder lebhaftem Verkehr. Mit Heyne in Göttingen correspondirte er über seine pädagogischen Pläne und bemühte sich sehr, ihn nach Kopenhagen zu ziehen. Den Philosophen Reinhold besuchte er im Sommer 1791 in Jena und es entstand zu ihm ein sehr inniges und anmuthiges Verhältniß, welches auch dahin führte, daß Reinhold 1794 nach Kiel berufen wurde. Reinhold selbst hat in seinen Briefen an Baggesen mit lebendigen Zügen geschildert, mit welcher Freiheit und Ungezwungenheit der Fürst und der Gelehrte miteinander verkehrten. Unter seinen Collegen im Staatsministerium war der Finanzminister, der jüngere Graf Ernst Schimmelmann, derjenige, mit welchem F. Ch. am meisten sympathisirte. Nicht nur die übereinstimmende politische Anschauung verband die beiden Männer, sondern auch die gleiche Begeisterung für Kunst, Wissenschaft und Litteratur. Zu den oft und gern gesehenen Gästen in diesem Kreise gehörte auch der dänische Dichter Baggesen, welcher dem Prinzen F. Ch. es zu verdanken hatte, daß ihm die ersten Schritte auf seiner litterarischen Laufbahn wesentlich erleichtert wurden. Der talentvolle und enthusiastische, aber noch ganz unbekannte junge Mann zog die Aufmerksamkeit des Prinzen auf sich. Dieser suchte ihn auf jede Weise zu fördern, gewährte ihm auch wiederholt die Mittel, um größere Reisen namentlich nach Deutschland, Frankreich und der Schweiz zu unternehmen. Auf einer dieser Reisen wurde Baggesen im Sommer 1790 in Jena mit Schiller bekannt. Er fand unseren großen deutschen Dichter körperlich leidend und in bedrängten ökonomischen Verhältnissen. Nach Dänemark zurückgekehrt, predigte Baggesen überall mit Begeisterung den Cultus Schiller’s. Auch F. Ch. und Schimmelmann lernten den deutschen Dichter lieben und verehren. Ein Beweis der damals in diesen Kreisen herrschenden Stimmung ist das oft beschriebene schwärmerische Todtenfest, welches im Juni 1791 auf die falsche Nachricht vom Tode Schiller’s zu Hellebek von Schimmelmann und Baggesen veranstaltet wurde. Nun war Schiller allerdings nicht gestorben, aber er war schwer krank, erschöpft, von Sorgen gequält. Er bedurfte der Ruhe, die er sich doch wegen seiner pecuniären Lage nicht gönnen durfte. Es schien, daß Don Carlos sein letztes dramatisches Werk bleiben solle. Seine Wiederherstellung wurde nur erwartet, wenn er eine Zeit lang in sorgenfreierer Lage sich aller eigentlichen Arbeit enthalten konnte. So meldete Reinhold aus Jena. Als F. Ch. diese Nachricht erhielt, faßte er sogleich den Gedanken, wenigstens für einige Zeit Schiller gegen materielle Bedrängniß sicher zu stellen. Durch Baggesen wußte er auch Schimmelmann für seinen Plan zu gewinnen. So entstand jener von dem Erbprinzen verfaßte, von ihm und Schimmelmann gemeinschaftlich unterzeichnete, von Hochsinnigkeit und Zartgefühl erfüllte Brief vom 27. November 1791, in welchem sie dem kranken Dichter vorläufig auf drei Jahre ein jährliches Geschenk von 1000 Rthlr. (3600 Mark jetzige Reichsmünze) anboten. Das Schreiben war mit so feinem Tact abgefaßt, daß Schiller das Anerbieten annehmen konnte. Die Pension, ursprünglich für drei Jahre in Aussicht gestellt, ist in Wirklichkeit für fünf Jahre entrichtet. – Max Müller und Michelsen haben das Verdienst, neuerdings diese ganze Angelegenheit in helleres Licht gestellt und die Originalbriefe, so weit sie noch haben aufgefunden werden können, veröffentlicht zu haben. In Schiller’s Lebenslauf bezeichnet dieser Vorgang in der That einen bedeutenden Wendepunkt. Von da an beginnt seine Genesung, [28] sein wiederkehrender Lebensmuth, die neue Entfaltung seiner schöpferischen Kraft. Dem Prinzen F. Ch. bewies er seine Dankbarkeit zunächst dadurch, daß er an ihn die Briefe über die ästhetische Erziehung des Menschen richtete, deren ursprüngliche Fassung wir erst jetzt durch Michelsen kennen gelernt haben. Schiller schrieb dieselben 1793, die ersten noch in Jena, die Mehrzahl aber im Winter 1793 in Ludwigsburg, wohin er zu seiner Erholung gereist war. In Kopenhagen wurden dieselben mit Enthusiasmus aufgenommen. F. Ch. schreibt im December 1793: „Seine Briefe reisen in dem ganzen Kreise meiner einländischen Freunde herum; Alles verschlingt sie.“ Die Originale dieser Briefe aber sind bei dem großen Brande untergegangen, welcher am 26. Februar 1794 das Christiansburger Schloß und in diesem auch die Wohnung des Prinzen F. Ch. zerstörte. Letzterer wünschte natürlich die Briefe wieder zu besitzen und wandte sich deshalb an Schiller, welcher auch anfangs sich bereit erklärte, eine Abschrift zu besorgen. Aber bei einer erneuten Revision der Briefe genügten ihm dieselben nicht mehr, und es entstand nun eine vollständige Umarbeitung und systematische Erweiterung. Diese neue Redaction der ästhetischen Briefe erschien zuerst 1795 in den „Horen“ und ist in die Gesammtausgaben der Werke übergegangen. Die ursprünglichen Briefe schienen völlig verloren zu sein, bis neuerdings wenigstens die Mehrzahl derselben in zwei gleichlautenden Abschriften, die wahrscheinlich vor dem Kopenhagener Schloßbrand gemacht sind, aufgefunden wurde. Eine Vergleichung der beiden Redactionen ist ganz interessant. Die spätere ist dogmatischer, wissenschaftlicher, die frühere dagegen frischer, lebendiger. Der Empfänger der Briefe, F. Ch. selbst, scheint an der früheren Fassung größere Freude empfunden zu haben, und man merkt es ihm deutlich an, daß er einigermaßen enttäuscht war, als er die neue Redaction erhielt. Der erwähnte große Schloßbrand hatte für F. Ch. noch die weitere Folge, daß er nun mit seiner Gemahlin sich einen eigenen Hausstand gründen mußte. Bis dahin hatten alle Mitglieder der königlichen Familie in dem Christiansburger Schloß eine gemeinsame Wirthschaft geführt. Jetzt mußte eine andere Einrichtung getroffen werden. Zunächst fand F. Ch. im Palais des Grafen Schimmelmann ein Unterkommen. Dann aber kaufte er sich ein eigenes Palais, das er bald bezog, und so erlangte er erst nach achtjähriger Ehe das Glück eines eigenen Hausstandes. – In demselben Jahre erfolgte der Tod seines Vaters, des alten Herzogs Friedrich Christian, welcher nach längerer Kränklichkeit am 14. November 1794 auf Augustenburg starb. Der jüngere F. Ch. folgte nun seinem Vater als Herzog; er war jetzt der Chef seines Hauses und übernahm die Verwaltung der ausgedehnten Besitzungen auf Alsen und im Sundewitt. Die Verhältnisse brachten es mit sich, daß er von jetzt an regelmäßig einen Theil des Jahres auf Augustenburg zubringen mußte. In späteren Jahren, als die früher so guten Beziehungen zu seinem Schwager, dem Kronprinzen, späteren König Friedrich VI., sich mehr und mehr trübten, wurde der Kopenhagener Aufenthalt immer kürzer. Endlich verlegte der Herzog den Wohnsitz seiner Familie ganz nach seinen schleswig’schen Besitzungen und ging nur selber von Zeit zu Zeit zur Erledigung seiner amtlichen Geschäfte nach Kopenhagen. Die Trübung der Beziehungen zum Kronprinzen entstand und wuchs allmählich. Will man einen bestimmten Wendepunkt annehmen, so darf man vielleicht den Tod des Grafen Andreas Petrus Bernstorff im J. 1797 als solchen bezeichnen. Dieser große Staatsmann, an dem der Kronprinz mit vollem Vertrauen hing, hatte die allgemeinen Verhältnisse der Monarchie mit unbedingtem Uebergewicht geleitet. Er hatte auch alle nationaldänischen Uebergriffe in die deutschen Bestandtheile der Monarchie zurückzudrängen gewußt. Nach seinem Tode machte es sich mehr und mehr bemerkbar, daß der Kronprinz bei dem redlichsten Willen doch ein beschränkter Kopf [29] von äußerst mangelhafter Bildung war. Namentlich kamen jetzt die einseitig dänischen Tendenzen zu immer steigender Geltung, während F. Ch. als schleswig-holsteinischer Herzog sich die Vertretung der deutschen Interessen zur Aufgabe machte. Am entschiedensten trat dieser Widerspruch zu Tage, als im J. 1806 nach der Auflösung des deutschen Reiches die Frage entstand, in welches Verhältniß nun das bisher zum deutschen Reiche gehörige Herzogthum Holstein treten solle. Die natürliche Antwort war, daß nun Holstein ein selbständiges mit dem Königreich Dänemark durch Personalunion verbundenes Herzogthum wurde, wie Schleswig dies bereits war. Allein in der Umgebung des Kronprinzen, der damals sich in Kiel aufhielt, entstand die Neigung im Trüben zu fischen. Da Holstein keinen Anhalt mehr am Reich hatte und da der vermeintliche Vortheil Dänemarks die Incorporation Holsteins zu erfordern schien, so beschloß man Holstein in Dänemark zu incorporiren. Ende August erließ der Kronprinz nach Kopenhagen den Auftrag, das Erforderliche zu veranlassen, damit Holstein als ein „unzertrennliches“ Pertinenz oder als ein „integrirender Theil für immer“ mit dem Königreich Dänemark verbunden werde. Am 3. September ward diese Angelegenheit im Staatsrath verhandelt, dessen erstes Mitglied der Herzog F. Ch. war. Derselbe nahm sogleich das Wort, um sein Votum abzugeben, welches er zugleich schriftlich überreichte. Er erklärte sich aus Gründen des Rechts, der Politik und der Moral gegen die beabsichtigte Incorporation; er verlangte, daß die Rechte und Privilegien des Landes, sowie die Rechte der Agnaten aufrechterhalten und gewahrt werden. Nachdem er sein Votum abgegeben hatte, verließ der Herzog die Sitzung. Die Folge seines Widerspruchs war, daß in dem Patent vom 9. Sept. 1806 Holstein als ein „völlig ungetrennter Theil“ mit der übrigen Monarchie vereinigt wurde. An die Stelle des bezeichnenden „unzertrennlich“ war das hier ganz sinnlose Wort „ungetrennt“ getreten. Man war über die beabsichtigte Incorporation gestolpert. Daß der Herzog dies veranlaßt hatte, hat Friedrich VI. ihm nie vergeben; von da an ist er von Groll und Mißtrauen gegen ihn erfüllt geblieben. Zum vollständigen Bruch zwischen den beiden Schwägern kam es 1810 bei Gelegenheit der Thronfolgerwahl in Schweden. Hier hatte in Folge der Revolution, durch welche König Gustav IV. Adolf gestürzt wurde, im J. 1809 der bereits bejahrte und kinderlose Herzog von Südermannland als Karl XIII. den Thron bestiegen. Um die Thronfolge sicher zu stellen, mußte sogleich auch ein Nachfolger bestimmt werden, und die Wahl des schwedischen Reichstags war auf den jüngsten Bruder des Herzogs, den Prinzen Christian August gefallen, der bis dahin Statthalter von Norwegen gewesen war und nun unter dem Namen Karl August Kronprinz von Schweden wurde. Er gewann sich rasch die Liebe der Schweden, aber er starb eines plötzlichen Todes am 28. Mai 1810. Noch am Morgen seines Todestages hatte er den Herzog F. Ch. gesehen, der, um den geliebten Bruder zu begrüßen, auf einige Tage nach Schweden hinübergekommen war. Wenige Stunden, nachdem sie sich in Helsingborg getrennt hatten, starb der Kronprinz plötzlich, während er auf der Quidinger Heide ein Husarenregiment inspicirte; – ob natürlichen Todes oder in Folge einer Vergiftung, wird wol nie aufgeklärt werden. Die Lage Schwedens machte die sofortige Neuwahl eines Thronfolgers nothwendig, und es war natürlich, daß die Blicke sich zunächst auf den Bruder des verstorbenen allgemein verehrten Kronprinzen richteten. Karl XIII. selbst wünschte die Wahl auf den Herzog zu lenken und lud diesen schon am 2. Juni nach Stockholm ein, angeblich, um die Papiere des verstorbenen Bruders in Empfang zu nehmen. Der Herzog lehnte diese Einladung ab. Außer dem König war auch eine einflußreiche Partei, an deren Spitze der Graf Georg Adlersparre stand, für die Wahl des Herzogs thätig. Schon am 10. Juli trug Karl XIII. in formeller Weise [30] dem Herzog, der sich damals zu Augustenburg aufhielt, die Thronfolge an; er schrieb ihm, daß er beschlossen habe, seine Wahl dem Reichstag, der zum 23. Juli nach Oerebro einberufen war, vorzuschlagen, daß der Kaiser Napoleon dies gebilligt habe und daß man deshalb die Einwilligung des Herzogs hierzu wünsche. Unzweifelhaft war die Wahl, wenn der Herzog einwilligte, vollkommen gesichert. Dieser aber erinnerte sich, daß sein Schwager Friedrich VI. schon im vorigen Jahre nach der schwedischen Krone gestrebt hatte. In seiner Beschränktheit hielt der König von Dänemark es für möglich, daß die Wahl des schwedischen Reichstags auf ihn gelenkt werde, auch wenn er in Dänemark an der absoluten Gewalt des Königsgesetzes festhielt. Der Herzog wußte wol, daß dieses eine Illusion sei. Seine Ueberzeugung, aus der er kein Hehl machte, ging dahin, daß die Herstellung der skandinavischen Union dem schwedischen Volke nur dann annehmbar erscheinen werde, wenn alle drei Reiche, Schweden, Norwegen, Dänemark, eine gemeinschaftliche freie Constitution und Erbfolge erhalten; dies erfordere eine höchst schwierige Vorbereitung und ausführbar sei die Sache erst dann, wenn Rußland genöthigt sei, darein zu willigen. Allein obgleich der Herzog sich hierüber nicht täuschte, so wollte er doch dem König von Dänemark, falls dieser eine Aussicht zu haben glaubte, nicht im Wege stehen. Bevor er auf das schwedische Anerbieten antwortete, schrieb er an Friedrich VI. und erklärte sich bereit, die schwedische Krone abzulehnen, falls dies den Wünschen des Königs entspreche, oder falls der König glaube, daß dadurch eine Vereinigung der drei Reiche leichter herbeigeführt werden könne. Als dieses Anerbieten sieben Tage lang ohne Antwort blieb, entwarf der Herzog eine Antwort an Karl XIII., die eine bedingte Annahme enthielt. Als dieses Schreiben zur Absendung fertig war, traf endlich die Antwort Friedrichs VI. ein, worin dieser mittheilte, daß er selber sich um die schwedische Krone beworben habe, ohne jedoch vom Herzog ausdrücklich die Ablehnung zu verlangen. Aber dieser war jetzt über sein Verhalten nicht zweifelhaft. Er schrieb sofort am 23. Juli an Karl XIII., daß er mit Rücksicht auf die Thronbewerbung Friedrichs VI. die angebotene Krone ablehne. Er hatte also mit der größten Loyalität und Rücksicht gegen Friedrich VI. gehandelt. Dennoch blieb dieser von Mißtrauen gegen seinen Schwager erfüllt, zumal da im Reichstag zu Oerebro die Candidatur Friedrichs VI. wenig Anklang fand, während noch immer davon die Rede war, man könne trotz der Ablehnung den Herzog wählen. Als einziger ernsthafter Gegencandidat trat der französische Marschall Bernadotte mehr in den Vordergrund. Aber Friedrich VI. ließ sich nur von seinem beschränkten Haß gegen den Herzog leiten. Durch seine Agenten ließ er ihn in Schweden verleumden und als „Ludimagister“ verspotten. Als auch dies nicht zu Gunsten Dänemarks wirken wollte, ging Friedrich VI. so weit, den Herzog auf Alsen zum Gefangenen zu machen. Unter dem Vorwande, daß eine Partei in Schweden beschlossen habe, den Herzog nach Schweden wegzuführen, und daß er seinen Schwager hiergegen schützen müsse, schickte der König eine Ruderflottille nach Alsen und ließ die Insel förmlich blokiren. Die Ueberwachung des Herzogs übertrug er seinem Oberadjutanten Lützen. – Friedrich VI. erreichte seinen Zweck insofern, als er die Wahl des Herzogs verhinderte; aber dadurch hatte er die Wahl Bernadotte’s bewirkt, der ihm vier Jahre später Norwegen abnahm. Der Herzog war über die unwürdige Behandlung, die ihm widerfahren war, tief empört. Er verlangte im Herbst 1810 seine Entlassung aus allen seinen Aemtern. Friedrich VI. konnte es nicht über sich gewinnen, auch nur dies Abschiedsgesuch ohne kleinliche Chicanen zu genehmigen. – Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte der Herzog in stiller Zurückgezogenheit auf Augustenburg, hauptsächlich mit der Erziehung seiner Kinder beschäftigt. Er hinterließ eine Tochter, die nachherige Gemahlin des Königs Christian VIII. von Dänemark, und zwei Söhne, den späteren Herzog Christian August und den Prinzen Friedrich (Prinz von [31] Noer). – Die Muße dieser letzten Jahre verwendete der Herzog auch noch auf die Abfassung einer Denkschrift über die Erbfolgefrage, in welcher er das agnatische Erbrecht seines Hauses auf Schleswig-Holstein darlegte und daran verschiedene politische Betrachtungen knüpfte. Er sandte dieses Memoire an einige angesehene Männer in Kopenhagen, deren Ansichten er zu erfahren wünschte, namentlich an den Minister Mösting, ferner an Malling, Moldenhawer und Engelstoft. Die zum Theil veröffentlichten Antworten werfen kein günstiges Licht auf die politische Einsicht dieser Männer. – Nach längerer Kränklichkeit starb der Herzog bald darauf am 14. Juni 1814. In seinem Testamente legte er es seinen Söhnen ans Herz: „die Rechte und Ansprüche, welche ihre Abkunft ihnen gebe, mit männlicher Festigkeit, aber ohne Verletzung der Gerechtigkeit, der Ehre und Pflicht zu behaupten.“
Friedrich Christian, Herzog von Schleswig-Holstein aus der sonderburg-augustenburgischen Linie, geboren am 28. September 1765 zu Augustenburg, † ebendaselbst am 14. Juni 1814. Er war ein Sohn des älteren Herzogs Friedrich Christian- Droysen und Samwer, Actenmäßige Geschichte der dänischen Politik seit dem Jahre 1806, Hamburg 1850. – Wegener, Beiträge zur Geschichte Dänemarks im 19. Jahrhundert, Kopenhagen 1851. – Adlersparre, Handlingar rörande Sveriges historia, Stockholm 1830. – Max Müller, Schiller’s Briefwechsel mit dem Herzog F. Ch. von Schleswig-Holstein, Berlin 1875. – Briefe von Schiller an Herzog F. Ch., herausgegeben von Michelsen, Berlin 1876.