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Artikel „Fischer“ von Joseph Kürschner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 7 (1878), S. 78–79, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Fischer&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 15:19 Uhr UTC)
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Fischer: Ludwig F., berühmter Opernbassist und Stammvater einer bedeutenden Sängerfamilie, geb. 1745 zu Mainz, † in der Nacht vom 10.-11. Juli 1825 zu Berlin. F. ist ohne Zweifel einer der bedeutendsten Sänger gewesen, die jemals auf deutscher Erde geboren wurden. Seine Zeitgenossen sind seines Ruhmes voll und eben so begeistert von dem gewaltigen Umfang (D bis a¹) seiner vollen, schönen und trefflich geschulten Stimme, die sich stets gleich blieb und durch Anmuth und Leichtigkeit ihre Reize noch erhöhte, wie von seinem vollendeten Darstellungsvermögen, das ihn weit über andere Sänger erhob. Die Summe seiner Talente und Fähigkeiten erwarb ihm einen europäischen Ruf. Als Sohn eines Mehlhändlers geboren, verlor er früh seinen Vater und kam, zehn Jahre alt, auf eine Jesuitenschule. Schon hier zeigte er sich im Besitz einer wohlklingenden Mezzosopranstimme, die 1761 in einen Tenor, 1763 in einen Baß überging, der ihn bewog, in die Capelle des Kurfürsten Emerich Joseph von Mainz einzutreten. Später von Raff in Mannheim weiter ausgebildet, betrat er daselbst 1767 die Bühne, folgte 1778 dem Hof nach München, nahm aber schon 1779 am Wiener Nationaltheater, dem er vier Jahre angehörte, Stellung. 1783 ging nach Paris, glänzte 1784 auf den ersten Opernbühnen Italiens und wurde, Anfang 1785 nach Deutschland zurückgekehrt, vom Fürsten von Thurn und Taxis engagirt. 1788 veranlaßte Johann Friedrich Reichardt, der den Künstler gelegentlich eines Concerts kennen gelernt hatte, sein Engagement an der italienischen Oper zu Berlin und schon nach der ersten Vorstellung engagirte ihn der König auf Lebenszeit mit einem Gehalt von 2000 Thlrn. Wie Louis Schneider in seiner Geschichte der Oper in Berlin mittheilt, war es den Berlinern etwas durchaus Neues, eine solche wirkliche Baßstimme auf der Bühne zu hören, und des Beifalls war kein Ende. Von Rollen, die F. in jener Zeit sang, nennt der gedachte Chronist den Brennus von Reichardt, Axur in Salieri’s gleichnamiger Oper und Osroes in Himmel’s Semiramis. Erstere Partie sang F. am 24. Januar 1798, an welchem Tage zum ersten Mal im Berliner Opernhaus die Laute der Muttersprache erklangen, auch deutsch. Von 1812–15 nur noch selten beschäftigt, ließ sich F. endlich pensioniren und starb 1825. Seit 1779 war F. verehelicht mit der Sängerin und Schauspielerin

[79] Barbara Strasser, geb. 1758 zu Mannheim, wo sie von Giorgetti ausgebildet, 1772, und nach einjährigem Engagement (1773) zu Ludwigsburg am würtembergischen Hof, 1774–79 als kurpfälzische Hofsängerin engagirt wurde. Wie der Vorige folgte auch sie dem Hofe nach München und begleitete bis 1789 ihren Gatten auf seinen Kunstreisen. Eines Brustleidens wegen entsagte sie dann dem Theater, wirkte aber später noch in der Berliner Singakademie bei den Fasch’schen Aufführungen mit. Sie gebar dem Vorigen drei Kinder, von denen sich das älteste,

Joseph, geb. 1780 zu Wien, gest. 9. October 1862 zu Mannheim, als Sänger rühmlich auszeichnete, leider aber durch maßlose Eitelkeit und Tactlosigkeit seine glänzenden künstlerischen Erfolge oft verdunkelte. Einst verging er sich in München in solcher Weise, daß er die Stadt verlassen mußte. Ludwig F. bildete seinen Sohn selbst in der Musik aus und ließ ihm auch sonst eine vorzügliche Bildung zu Theil werden. Schon mit 16 Jahren besaß der begabte Jüngling einen kräftigen Baß, den er öffentlich zuerst 1799 in einigen Berliner Concerten zu Gehör brachte. Vom Juli 1800 bis Februar 1802 trat er in Mannheim auf, wurde daselbst sogleich als erster Bassist engagirt, vertauschte aber später Mannheim mit Kassel, wo ihm auch die Opernregie übertragen wurde, und unternahm 1806 eine große Reise nach Paris und durch Deutschland, auf der Triumph und Erfolg die Ersten in seinem Gefolge waren. Nicht minder groß war der Beifall, den er in Italien fand, wohin er sich nach Beendigung seiner deutschen Gastspiele gewandt hatte und wo er sich auch mit Glück als Unternehmer – in Palermo – versuchte. Nach seiner Verheirathung mit der reichen Gräfin von Ottweiler, einer früheren Fürstin von Pfalz-Zweibrücken, gab er seine Künstlercarriere auf, kehrte nach Deutschland zurück und lebte zurückgezogen bis zu seinem Tode in Mannheim. Als Liedercomponist ist F. ungleich weniger bedeutend, denn als Sänger, die zwölf Hefte seiner Compositionen sind heute vergessen. Josephs ältere Schwester

Josepha, geb. zu Wien 1782, glänzte als dramatische Sängerin, hat aber später die Bühne verlassen und 1835 in Wien eine musikalische Unterrichtsschule für junge Mädchen begründet. Nach ihrem Gatten nannte sich Josepha: F.-Vernier. Sie † 1854 zu Mannheim, wo zwei ihrer Töchter Friederike († Anf. Febr. 1877) und Josephine († 16. Aug. 1856) in den dreißiger Jahren als Schauspielerinnen engagirt waren. Josepha’s jüngere Schwester

Wilhelmine, geb. 1785 zu Wien, gab ihr an Trefflichkeit der musikalischen Anlage und Kunst des Gesanges nicht nach. W. sang (nach Wurzbach) zuerst in Graz, dann am Stuttgarter Hoftheater, verließ aber 1822 anläßlich ihrer Vermählung mit dem Freiherrn v. Welden die Bühne und lebte auf Schloß Möhringen bei Stuttgart. An Ruhm wurde sowol Josepha, wie Wilhelmine überflügelt von

Anna F.-Maraffa, einer Pflegetochter Joseph Fischer’s, die namentlich in Italien große Erfolge errang. Sie war die Tochter des Stuttgarter Hofschauspielers Miedtcke, 1802 zu Ansbach geboren und nach dem Tod ihrer Eltern 1804 von Joseph F. adoptirt worden. Ihr Pflegevater unterrichtete sie in der Gesangskunst und nicht nur Paris und Italien, auch Spanien jubelte der Künstlerin zu, während das deutsche Publicum sich reservirter verhielt. Maraffa ist der Name ihres Gatten, den sie in Neapel ehelichte. Sie † 20. Oct. 1866 zu Mannheim.

Vgl. Mendel’s Musik. Convers.-Lexikon; Schilling, Das musikalische Europa, auch das Allg. Theater-Lexikon.