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Artikel „Fabricius, Johann Ludwig“ von Wilhelm Gaß in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 6 (1877), S. 516–518, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Fabricius,_Johann_Ludwig&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 19:32 Uhr UTC)
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Fabricius: Johann Ludwig F., geboren am 29. Juli 1632 zu Schaffhausen und Sohn eines Schulvorstehers daselbst, begab sich 1647 zu seinem älteren Bruder Seobald nach Köln, dann in die Niederlande, um alte Sprachen und Philosophie zu studiren; in Leyden überließ er sich ganz der Führung des Gisbert Voetius und wurde auf Grund seiner ersten chronologischen Arbeiten des Lehramts würdig befunden. Als Leiter eines vornehmen Jünglings gelangte er [517] nach Paris und genoß den Umgang einiger reformirter Gelehrten, wie des Dalläus. Von dort nach Heidelberg berufen, disputirte er daselbst 1656 unter Spanheim’s Vorsitz „De theologia“ wurde ordinirt und im folgenden Jahre außerordentlicher Professor der Philosophie und Lehrer im Sapienz-Collegium. Von angenehmer Persönlichkeit, weltgewandt und durch vielseitige Studien entwickelt, trat er in eine engere Beziehung zu seinem Landesherrn, dem Kurfürsten Karl Ludwig, welcher ihm den Unterricht seines natürlichen Sohnes, des Baron v. Rotenschild, anvertraute. Diesen begleitete er 1658 nach Frankreich, verweilte in Saumur und Caen und wurde namentlich durch den Verkehr mit Amyraut lebhaft angezogen; doch blieben die mit diesem gepflogenen kirchlichen Unionsverhandlungen, zu welchen der Kurfürst selbst die Anregung gegeben hatte, ohne Erfolg und auch später (1668) hat sich F. ungeachtet seiner confessionellen Mäßigung an dem Unternehmen des Unionisten Johann Duräus nicht betheiligen wollen. Im folgenden Jahre bewog ihn ein zweiter Antrag zur Rückkehr nach Heidelberg; aber zu einer nochmaligen Reise nach England und den Niederlanden, woselbst er die theologische Doctorwürde erwarb, veranlaßt, konnte er die ihm jetzt übertragene ordentliche Professur der systematischen Theologie erst im October 1660 antreten. Ein früher Tod entriß ihm seinen Pflegling Rotenschild. Von nun an ist er dieser Universität und Facultät, sowie seinen Stellungen im Sapienz-Collegium und Consistorium treu geblieben. Er wurde 1664 zum ersten Male Rector, verheirathete sich 1669 und war 1686 bei der Säcularfeier der Universität zugegen; anderweitige Geschäfte, z. B. 1666 eine politische Mission nach der Schweiz, unterbrachen zuweilen seine erfolgreiche Lehrthätigkeit. Das Auftreten Labadie’s in den Niederlanden, die vom Kurfürsten gewünschte Berufung Benedict Spinoza’s als Professor der Philosophie und Mathematik, die er abzuwenden wußte, und die durch den Bischof von Tina Spinola und durch Männer wie Friedrich Ulrich Calixt und Conring erneuerten Unionsbemühungen, welche abermals scheiterten, gaben ihm Gelegenheit, Besonnenheit und Ernst an den Tag zu legen. Mit 1672 begann der französische Krieg, welcher jede Bedrängniß über das Land brachte. Die Universität verödete, auch F. floh auf Anrathen des Kurfürsten am 24. Juni 1674 und hielt sich abwechselnd in benachbarten Städten auf, ohne jedoch von seiner amtlichen Wirksamkeit zu scheiden. Karl Ludwig starb 1680, unter dem Nachfolger Karl, gest. 1685, drohten die kirchlichen Verhältnisse den Umsturz; F. selbst wurde verdächtigt, nur sein guter Name befreite ihn von dem Vorwurf der Majestätsbeleidigung. Die Einführung des katholischen Cultus in der Pfalz konnte er nicht verhindern, sondern nur den Fortbestand des kirchlichen Protestantismus durchsetzen helfen, während er den Gregorianischen Kalender unbestritten ließ. Aber Heidelbergs Schicksale seit 1689 raubten ihm aufs neue jede Ruhe; zum Wanderleben gezwungen, verweilte er an verschiedenen Orten, in der Schweiz, in Frankfurt, Baden, Eberbach, Genf, dann wieder in Heidelberg, übernahm eine Gesandtschaft der Generalstaaten nach der Schweiz und ging zuletzt wieder nach Frankfurt, woselbst er, hart gebeugt von der Schwere seiner Erfahrungen, am 1. Febr. 1696 starb, ein von seiner Umgebung hochgeschätzter Mann, welcher auch in allem Wechsel des Lebens sich stets gesinnungsvoll und tüchtig erwiesen hat. Von seinen meist kleineren theologischen und philosophischen Schriften, welche Joh. Heinr. Heidegger gesammelt und Tiguri 1698 in 1 Band herausgegeben, sind bemerkenswerth: „De ludis scenicis“, veranlaßt durch die auf den Wunsch des Kurfürsten Karl Ludwig veranstalteten theatralischen Aufführungen der Jugend, welche F. gegen engherzige Vorurtheile in Schutz nahm, und „Super quaest. 80 cat. Heidelb.“, gerichtet gegen die Angriffe der Jesuiten, welche diesen Artikel wegen seiner Ausfälligkeit gegen die Götzendienerei der Messe [518] aus dem Katechismus gestrichen wissen wollten. Der leidenschaftliche Johann Friedrich Mayer sah in dieser letzteren Schrift eine „neueste Methode der Reformirten wider die Lutheraner“.

S. die Vita von Heydegger in der genannten Ausgabe, dazu Schwab, Quattuor seculorum syllabus Rectorum, Heidelb. 1786. II. p. 49 sqq.