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Artikel „Ebendorfer von Haselbach, Thomas“ von Franz von Krones in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 5 (1877), S. 526–528, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ebendorfer,_Thomas&oldid=- (Version vom 19. April 2024, 05:26 Uhr UTC)
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Ebendorfer: Thomas E. von Haselbach, geb. 12. August 1387 zu Haselbach, einem vormals bedeutenderen Orte des Landes Oesterreich o. d. Enns, † 1464, einer der wichtigsten Chronisten des 15. Jahrhunderts, hervorragend zugleich als Theologe und Professor der Wiener mittelalterlichen Hochschule. Als 17jähriger Jüngling sah er den Landesherzog Albrecht IV. aus dem Znaimer Kriegslager todtkrank durch den Heimathsort nach Wien geschafft werden und bewahrte in seiner Erinnerung die kummervollen Worte, mit denen der Habsburger das Loos seiner hart geprüften Unterthanen beklagte. Seit 1405 studirte er an der Wiener Hochschule, erwarb 21. März 1412 das artistische Magisterium und die Befähigung zum akademischen Lehramte und hielt in den Jahren 1412–25 ununterbrochen Vorträge an der facultas artium über verschiedene philosophische Disciplinen, lateinische Grammatik, Mathematik, Naturwissenschaften [527] und die Politik des Aristoteles. 1418–19 Librarius oder Bibliothekar der philosophischen Facultät, Decan und Thesaurariuis oder Schatzmeister derselben, war er nichts destoweniger bestrebt, bei der ersten und begünstigtsten der 4 Facultäten, der theologischen nämlich, unterzukommen und förmlich in dieselbe zu übertreten. 1421 wurde er Baccalaureus formatus Theologiae, 1427 Licentiat und endlich 1428 Doctor und Decan der theologischen Facultät. Inzwischen bekleidete er 1423–24 das Rectorat und bethätigte sich wiederholt als Consiliarius und Coadjutor des Decanates. Seine hervorragende Kenntniß der Universitätsgeschäfte und Satzungen, verbunden mit unverwüstlicher Arbeitskraft und regem Eifer für das Wohl der Hochschule, erwarb ihm unter den Berufsgenossen ein verdientes Ansehen, wie dies die öftere Wahl zum Decan und außerdem noch zwei Mal zum Rector (1429, 1445) darthun. Zugleich in der Seelsorge thätig, namentlich als tüchtiger Kanzelredner, finden wir ihn als Pfarrer von Falkenstein, seit 1442 von Perchtoldsdorf bei Wien, ohne daß ihn natürlich der Genuß dieser nicht uneinträglichen Pfründen seiner eigentlichen Thätigkeit als Glied der Hochschule entfremdet hätte. – Auch war ihm als solchem keine bedeutungslose Rolle im öffentlichen Leben zugewiesen. 1432–34 vertrat er die Wiener Universität auf der Kirchenversammlung zu Basel; als Concilsmitglied reiste er mit Andern nach Prag, um den schwierigen Ausgleich mit dem Hussitismus weiter zu fördern (April 1433). – Ein Halbjahr später begab er sich mit dem Bischof Nikodemus von Freising auf den Kurfürstentag zu Frankfurt a. M. 1434 veranlaßte er selbst seine Rückberufung von Basel, da er die Unionsbestrebungen der Kirchenversammlung mit seinem der Hochschule verpfändeten Eide, in die Gestattung des Kelches an die Hussiten nicht zu willigen, unvereinbar fand. Dennoch erschien er 1435 inmitten der Synodalgesandtschaft, die sich auf dem wichtigen Tage zu Iglau einfand, der das kirchliche Versöhnungswerk krönen sollte. Seit 1440 finden wir unsern E. häufig als Rathgeber Kaiser Friedrichs III., Herzog Albrechts VI., der Wiener Stadtgemeinde und der österreichischen Adelsschaft, andererseits als eifrigen Sachwalter der Wiener Hochschule. Friedrich war ihm bis zum J. 1444 sehr geneigt und verwendete ihn zu Botschaften nach Mainz, Frankfurt, Nürnberg und Basel (1440–44). Der Basler Concilhandel mit Papst und Kaiser verstimmte den gewissenhaften und friedliebenden Mann nach allen Seiten; er zog sich ganz zurück und mußte es erleben, daß sein königlicher Gönner, mit der Haltung der Universität in der Kirchenfrage unzufrieden, in E. einen geheimen Widersacher vermuthete. Dies war auch der Grund, daß Thomas unter ehrenvollen Vorwänden als Botschafter an kleinere italienische Höfe und nach Neapel gesendet wurde, um Einladungen zur kaiserlichen Hochzeit zu überbringen (Ende 1451). Gelegentlich dieser Reise ins welsche Land weilte E. auch zu Rom und erlangte von dem ihm geneigten Papste die Ernennung und Bestätigung der Universitätsprivilegien. Als Kaiser Friedrich nach Neapel reiste (Sommer 1452), kehrte E. nach Oesterreich zurück und erscheint dann als Mitglied und Sprecher der Universitätsdeputation, die den Kaiser und seine junge Gattin begrüßen sollte. Unter der Regierung König Ladislaus’ des Nachgebornen finden wir unsern E. unter den geheimen Räthen des Landesfürsten, jedoch dieser unerquicklichen Stellung bald überdrüssig. Nach dem Tode des Albrechtiners (November 1457) zählte er zu den Persönlichkeiten, die angesichts des leidigen Bruderkrieges der beiden Habsburger, Friedrich und Albrecht, und inmitten des unabsehbaren Jammers der Parteifehden zur Neutralität Wiens und seiner Hochschule riethen, immer vermitteln und beschwichtigen wollten. – Seine Gegner verdächtigten ihn jedoch beim Kaiser als Anhänger des Widerparts und Friedrich mochte auch an Verrath und Undank seines ehemaligen Günstlings glauben, denn es heißt, daß er Miene [528] machte, E. von der Hochschule zu entfernen. Dieser durchlebte die sturmbewegte Zeit von 1461–63 und starb, 77jährig, den 8. Januar 1464.

Bedeutsam erscheint Ebendorfer’s testamentarische Verfügung, wonach man seine Schriften an einem sicheren Orte zum Gebrauche der Universitätsangehörigen gesammelt verwahren solle. Diese Andeutung und der, allerdings ungerechte, Vorwurf des später lebenden Professors und Gelehrten Cuspinianus (Spießhammer), E., dieser „undankbare, unehrenhafte und boshafte“ Theologe habe als „hinterlistiges Füchslein“ testamentarisch dafür gesorgt, daß nicht bei Lebzeiten der betreffenden Fürsten seine lügnerischen Ausfälle veröffentlicht würden, – legen nur zu sehr die Vermuthung nahe, man habe von befreundeter Seite Ebendorfer’s nachgelassenes Hauptwerk, seine Chronik des Landes Oesterreich, im Originaltexte beseitigt und, im 4. und 5. Buche namentlich willkürliche Abänderungen für die Abschrift unternommen, um so manche herbe, unmuthige Auslassung des Verfassers zu mildern oder ganz zu unterdrücken.

Ebendorfer’s litterarischer Nachlaß ist ziemlich umfangreich und in historischer Beziehung von Belang. Es sind wichtige Materialien zur Zeitgeschichte, in welchen sich Fleiß und Genauigkeit, aber wenig Geist und Kritik abspiegeln. Außer den handschriftlich vorhandenen Werken: „Liber australis v. Chronicon imperatorum Romanorum“, „Chronico pontificum Romanorum“, „Liber de Schismatibus“ und zwei Reiseberichten über kirchliche Missionen wurden bisher die beiden unstreitig wichtigsten Denkmale seiner schriftstellerischen Thätigkeit, das „Chronicon Austriae“ und das „Diarium gestorum per legatos concilii Basileensis pro reductione Bohemorum“ durch den Druck veröffentlicht. Das „Chronicon Austriae“ liefert eine für die damalige Zeit sehr ausführliche Geschichte des Landes und der Fürsten Oesterreichs von der fabelhaften Urzeit bis zum December 1463. Ursprünglich auf drei Bücher, bis gegen 1452 berechnet, fand sie eine Erweiterung durch ein 4. und 5. Buch. Verglichen mit dem stofflich verwandten Werke seines jüngern Zeitgenossen Aeneas Sylvius Piccolomini (Historia Friderici) erscheint Ebendorfer’s Werk unkritisch, schwerfällig, geist- und geschmacklos, aber es entschädigt für diese Mängel reichlich als Zeitgeschichte durch reiches Detail, tagebücherliche Genauigkeit und eine objective, oft freimüthige Darstellungsweise ohne jeden oratorischen Prunk und schöngeistigen Flimmer. Für die Zeit von 1404–63 bildet sie eine unentbehrliche Hauptquelle. Sie findet sich abgedruckt im 1. Bande der von Pez edirten Scriptores rer. austr. vet. et gen. Das Diarium, für die Geschichte der Basler Concilverhandlungen äußerst belangreich, wurde von E. Birk im 1. Bande der Scrr Concil. Basil. I. 1857. p. 701–783, auf Kosten der Wiener Akad. der W. veröffentlicht, als Theil der Monum. concilii Basileensis.

Zu vgl. Birk’s Vorrede a. a. O. S. 31–44. Zeißberg’s Studie in d. österr. Wochenschrift f. Litt. und Kunst, J. 1864. Nr. 25–26. Voigt’s Enea Silvio P. u. s. Zeit, II. Bd. 346 f., besonders aber Aschbach’s Gesch. der Wiener Universität 1865, Wien, S. 493–525.