Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Distelmeyer, Lampert“ von Theodor Hirsch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 5 (1877), S. 256–258, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Distelmeyer,_Lamprecht&oldid=- (Version vom 16. April 2024, 05:35 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Disteli, Martin
Band 5 (1877), S. 256–258 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Lampert Distelmeyer in der Wikipedia
Lampert Distelmeyer in Wikidata
GND-Nummer 117645559
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|5|256|258|Distelmeyer, Lampert|Theodor Hirsch|ADB:Distelmeyer, Lamprecht}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=117645559}}    

Distelmeyer: Lampert D., aus einer aus Lüneburg nach Leipzig übergesiedelten unbemittelten Familie, geb. 22. Febr. 1522 in Leipzig, † 12. Oct. 1588. Auf der St. Thomasschule vorgebildet, betrieb D. an der Leipziger Hochschule anfangs theologisch-classische Studien, bis den 20jährigen, stattlichen, durch seine Gewandtheit in der lateinischen Rede hervorragenden Jüngling angeblich Melanchthon auf die staatsmännische Laufbahn hinwies, für welche D. sich theils in den Schulen der Leipziger Rechtsgelehrten, theils im praktischen Dienste vorbereitete. Von wesentlichem Einfluß auf seine Lebensstellung war es, daß er von [257] dem Kanzler des Herzogs Moritz von Sachsen, Simon Praetorius, dessen Sohn Distelmeyer’s Studiengenosse war, in den bewegten Jahren 1545 und 1546 in diplomatischen Arbeiten am Dresdener Hofe beschäftigt, der Person und den politischen Interessen des staatsklugen Fürsten näherzutreten Gelegenheit fand. Beim Ausbruch des schmalkaldischen Krieges zu seinen gelehrten Studien zurückkehrend, wurde er im Sommer 1547 von der Stadt Bautzen und den Ständen der Oberlausitz herbeigerufen, um sie als Rechtsbeistand aus der Bedrängniß zu retten, in welche sie, Vasallen des böhmischen Reiches, wegen ihres feindlichen Verhaltens gegen König Ferdinand während jenes Krieges gerathen waren. Daß es ihm gelang, durch die Vermittlung des inzwischen Kurfürst gewordenen Landesherrn ihr Loos zu mildern, trug in gleichem Maße wie der Erfolg seiner Lehrthätigkeit als Lehrer des römischen und deutschen Rechts dazu bei, ihm einen geachteten Namen zu verschaffen. Sein Ruf stieg, indem er theils durch seine Promotion zum Doctor der Rechte nach den Vorstellungen seiner Zeit in den Rang des Geburtsadels trat, theils durch seine Verheirathung mit der Tochter des Rathsherrn Christian Goldhan in Leipzig zu Reichthum und einflußreichen Verbindungen gelangte. Fast zu gleicher Zeit im J. 1550 vom kaiserlichen, dem weimarischen und dem kurbrandenburgischen Hof zur Annahme eines Staatsamtes berufen, wählte er den letztern, weil Eustachius v. Schlieben, der damals die besondere Gunst des Kurfürsten Joachim II. genoß, ihm vom Dresdener Hofe her bekannt und befreundet war. Obgleich D., als Hofrath 1551 in den engeren Rath des Kurfürsten aufgenommen, erst im März 1558 das Kanzleramt erhielt, das er bis an seinen Tod, 12. Oct. 1588, bekleidete, so hat er doch schon seit 1550 die wichtigsten diplomatischen Geschäfte persönlich geleitet, von beiden Kurfürsten, denen er diente, von Joachim II. und seit 1571 von Johann Georg trotz ihrer verschiedenartigen Natur mit gleichem andauernden Vertrauen beehrt, von den Zeitgenossen als lumen et oculus Marchiae gefeiert. Er hat sich zunächst als Diplomat dieser Anerkennung würdig gemacht, indem er in einer Zeit, in welcher der Kurstaat in seinen Hülfskräften und, in ihrer Anwendung durch die particularistischen Bestrebungen der Landstände beschränkt und zur Zeit selbst in seinem äußeren Bestande durch Theilung des Territoriums verkleinert, überdies aber durch die kurzsichtige Politik Kurfürst Joachims I. seine natürlichen Bundesgenossen, die evangelischen Fürsten Norddeutschlands und die stammverwandten Fürsten des hohenzollerschen Hauses in Franken, in der Neumark, und in Preußen sich entfremdet hatte, durch das einzige Mittel, das dem Kanzler zu Gebote stand, durch geschickte Parteinahme in den großen politischen Conflicten seiner Zeit dem schwachen Staate Vortheile zuwandte, welche für den Augenblick und in ihrer unmittelbaren Wirkung nur in beschränktem Maße sein Ansehn und seine Machtverhältnisse erhöhten, dennoch aber die Grundlagen wurden, auf welchen sich der Staat des großen Kurfürsten emporrichtete. Als solche diplomatische Erfolge sind insbesondere hervorzuheben einmal der durch sein entschiedeneres Auftreten für die Sache der evangelischen Stände dem Kurstaate seit 1551 gewonnene Einfluß auf den Gang und die Entscheidung des Religionskrieges, insbesondere auf das Zustandekommen des augsburgischen Religionsfriedens (25. Sept. 1555); schuf doch namentlich in Betreff des letzteren das durch D. wesentlich geförderte enge Zusammenhalten Sachsens und Brandenburgs, insbesondere die am 9. März 1555 erneuerte Erbeinigung der Fürstenhäuser von Sachsen, Brandenburg und Hessen in der ausgesprochenen Absicht, für die Behauptung der religiösen Errungenschaften gemeinsam einzustehen, den sichernden Rückhalt, mit dessen Hülfe die dagegen gerichteten Bestrebungen des Kaisers und einer darin ihm gleichgesinnten clericalen Partei glücklich hintertrieben wurden; zum zweiten die zwar schon seit 1547 in Aussicht gestellte, seit 1551 jedoch erst [258] ernstlich in Anspruch genommene und seitdem unter den schwierigsten Verhältnissen aufrechterhaltene Anwartschaft des Kurhauses auf den Besitz des Erzstiftes Magdeburg; zum dritten die gleichfalls unter den schwierigsten diplomatischen Kämpfen demselben Kurhause errungene Mitbelehnung auf das Herzogthum Preußen 1569, welche seit 1573 die Aussicht auf die Erwerbung von Cleve-Jülich in sich schloß, ein diplomatischer Sieg, der dem Kurfürsten Joachim II. so bedeutend erschien, daß er bei den zu seinen Ehren im Sept. 1573 angestellten Festlichkeiten dem Kanzler den Ritterschlag ertheilte. Auch in andern Zweigen seiner Geschäftsthätigkeit bewährte sich D. als einen verständigen, um das Wohl des Landes eifrigst bemühten Beamten, so namentlich in dem unvollendet gebliebenen Versuche, die Rechtsgewohnheiten der Mark zu einem einheitlichen Gesetzbuche umzugestalten, in seiner erfolgreichen Verwendung bei dem strenglutherischen Johann Georg eine Anzahl aus den Niederlanden vertriebener Calvinisten in Stendal zur Einführung der Tuchfabrikation nach niederländischer Weise anzusiedeln, in der Reform der Universität Frankfurt u. a. In seinen letzten Lebensjahren stand dem alten Kanzler ein Dr. Chemnitz als zweiter Kanzler zur Seite. Doch wurde nicht dieser der Amtsnachfolger Distelmeyer’s, sondern sein eigener Sohn, der kurfürstl. Rath Christian D. (geb. 23. Mai 1552, † 26. Oct. 1612), der jedoch trotz seiner gerühmten Geistesgaben 1598 vom Kurfürst Joachim Friedrich in Ungnaden entlassen, erst 1608 unter Kurfürst Johann Sigismund als Rath an den Hof zurückgerufen wurde. Vater und Sohn fanden ihr Grab und Ehrendenkmal in der St. Nicolaikirche in Berlin.

Vgl. Jak. Paul v. Gundling, Auszug Chur-Brandenb. Geschichten 1722. v. Ranke’s Werke Bd. XXVI.