ADB:Dann, Christian Adam
Bengel’s Schule erwachsene Generation allmählich ausstarb, um auch auf der Kanzel dem nüchternen Storr-Reinhard’schen Supranaturalismus Platz zu machen, und andererseits die neue Linie, die mit Ludwig Hofacker beginnt, noch nicht in Activität getreten war. Ein gedrucktes Predigtwerk hat er nicht hinterlassen, da er keine Rede niederschrieb; die Regeln der Homiletik, zumal die seiner Zeit, waren für ihn nicht vorhanden; aber seine Persönlichkeit, die voll und mit tiefem Ernst in jedem Worte zu Tage trat, die hohe, imponirende Gestalt, das lebensvolle, scharf ausgeprägte, im höheren Alter tiefgefurchte Angesicht, die herrliche Stimme – alles das wirkte gewaltig auf das stets zahlreiche Auditorium. Seine Theologie, sobald man sie wissenschaftlich auf ihre Substanz ansah, ging nicht über Storr hinaus; ein richtig geschulter Dogmatiker würde z. B. in seinen Communionschriften dies und jenes vermißt haben; aber die hohe religiöse Temperatur, der seelsorgerliche Ernst und die ascetische Strenge, der doch eine jedes Opfers fähige Menschenliebe zur Seite ging, war mehr werth, als wenn er von der Kanzel Dogmatik docirt hätte. Diese Geistesrichtung befreundete ihn persönlich mit Lavater, J. J. Heß, nicht weniger mit dem Bischof Joh. Mich. Sailer. Seine Sprache war die seiner Zeit, aber durch seine markige Originalität hat er ihr eine Kraft gegeben, die sie im Munde Anderer nicht hatte. So besaß er auch Geschmack genug, um den Werth der alten Kirchenlieder und Liturgien, für die den Supranaturalisten wie den Rationalisten der Sinn fehlte, zu würdigen; er war es, der in Würtemberg eigentlich den ersten Anstoß zur Reform des Gesangbuchs und der Liturgie gab, indem er für seine Person die alten Liturgien gebrauchte und für seine Gemeinde eine Anzahl Kernlieder drucken ließ. Als Seelsorger war er unermüdet thätig. Auch darf erwähnt werden, daß lange, bevor irgendwo ein Thierschutzverein bestand, er durch Wort und Schrift gegen Thierquälerei wirkte; eilte er doch selber auf die Straße hinab, wenn er von seinem Zimmer aus einen Fuhrmann seine Pferde oder Ochsen mißhandeln sah.
Dann: Christian Adam D., geb. 1758, † als Stadtpfarrer zu St. Leonhard in Stuttgart am 19. März 1837, war der bedeutendste Prediger Würtembergs in der Zwischenperiode, als einerseits die ältere, ausGeboren ist D. in den Weihnachtstagen 1758 in Tübingen, wo sein Vater, von dem er den kühnen Freimuth geerbt, Hofgerichtsassessor und Bürgermeister war. Sein erstes Amt war das Diakonat in Göppingen; nach wenigen Jahren wurde er als Diakonus an die Stuttgarter Hospitalkirche berufen. Als solcher hatte er eines Tages einem Komiker des Theaters die Leichenrede zu halten; auf ausdrücklichen Wunsch des verstorbenen sprach er die Reue desselben aus über ein so ganz im Weltdienst hingebrachtes Leben. Das wurde dem König Friedrich denuncirt; sofort schickte ihn dieser nach seiner despotischen Weise auf eine entfernte Pfarrei in einem rauhen Albort; König Wilhelm versetzte ihn (ohne daß er je um Beförderung bat) auf eine bessere und angenehmere Stelle in der Nähe von Tübingen, von wo aus sich sonntäglich viele Zuhörer, namentlich Studenten, [741] in seiner Kirche, wol auch in seinem Haus einfanden. Endlich 1824 berief ihn der König auf Bitten der Stuttgarter in die Hauptstadt, zuerst als Archidiakonus an die Stiftskirche, von welcher er nach einigen Jahren auf sein letztes Amt befördert wurde. Ein Decanat hat er nie angenommen, da ihm die amtlichen Schreibereigeschäfte allzusehr wider den Mann gingen. Durch eine Menge von Jugendschriften, namentlich für Confirmanden, wie durch Erbauungsstunden in seinem Hause hat er auf ganze Generationen einen nachhaltigen Einfluß geübt; es ist ihm, insbesondere vom weiblichen Theil seiner Gemeinde, eine Verehrung gewidmet und bewahrt worden, wie sie nur selten auch einem hervorragenden Mann im geistlichen Amte zu Theil wird.