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Artikel „Hofacker, Ludwig“ von Karl Friedrich Ledderhose in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 12 (1880), S. 553–556, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hofacker,_Ludwig&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 21:06 Uhr UTC)
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Hofacker, Wilhelm
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Hofacker: Wilhelm Gustav Ludwig H., Pfarrer von Rielingshausen in Württemberg, einer der bedeutendsten und eingreifendsten Prediger dieses Jahrhunderts, wurde in dem Badeorte Wildbad, wo sein Vater Diaconus war, den 15. April 1798 geboren und starb den 18. November 1828 in Rielingshausen. Sein Lebensgang, den er selber in kurzen Umrissen hinterlassen hat, ist ganz einfach. Sein Vater, Karl Friedrich H. war zuletzt Stadtpfarrer von St. Leonhard und Amtsdecan in Stuttgart. Er war ein durchgebildeter Theologe, und, wie Knapp sagt, früher mehr alttestamentlichen Charakters, während die Mutter, Friederike, eine geborene Klemm, mehr das neue Testament in ihrem Leben darstellte. Es waren ächte Schwaben von altem Schrot und Korn. Seine Kinder erzog der Vater mit alttestamentlicher Zucht, die Mutter wird gemildert haben. [554] Es war eine geistreiche originelle Frau. Und dieser beiden Eltern Charaktere spiegelten sich auch in den Söhnen ab. Der Vater unterrichtete seine Söhne selber und stellte keine geringen Anforderungen an sie. Lateinisch war ihm die Hauptsache, nebenbei Mathematik und Geometrie. Ludwig machte in den letzteren Gegenständen keine sonderlichen Fortschritte, während er im Lateinischen vorankam. Es wird von ihm erzählt, daß er ein heiterer Knabe war und sich durch eine besondere Gutmüthigkeit und Anspruchslosigkeit auszeichnete. Er war von Kind auf zum Schreibereifache bestimmt. Als aber nach seiner Confirmation der Vater meinte, Ludwig eigne sich mehr zum Pfarrer, stimmte der Knabe bei und holte mit Fleiß und Talent, was ihm an Schulbildung fehlte, bei dem Rector Reuß in Eßlingen nach. Am 18. October 1813 trat H. in das niedere Seminar von Schönthal. Es herrschte damals ein leichtsinniger Geist daselbst, und H. war einer der lustigsten und ungebundensten. Er hatte schon damals etwas Imponirendes in seiner Erscheinung und war der Liebling seiner Jugendgenossen. Von Schönthal kam er nach dem Kloster Maulbronn, von dort Herbst 1816 auf die Universität Tübingen, wo er mit dem lustigen Studentenstrom dahinschwamm. Dazu half noch die Gesellschaft Solidia, welcher er sich anschloß, und die alles war, nur nicht solid. Die zwei Candidatenjahre, in welchen er Philosophie hätte studiren sollen, verflossen im Getümmel der Vergnügungen. Doch hatte er keine Ruhe dabei. Mitten unter seinen lustigen Trinkgesellen überkam ihn das quälende Bewußtsein seines Zustandes. Als er im Herbst 1818 zu den Seinigen kam, erklärte er seinem Vater: er fühle sich am Scheidewege stehen, entweder er gehe unter oder er werde ein ganz anderer. Bald erzählten sich seine lustigen Cumpane mit Staunen, der H. sei ein Pietist geworden. Er schloß sich jetzt Männern an wie Flatt, Steudel, Schmid, Zeller, Dann und Weißmann. Sein edles Angesicht (sagt Knapp von ihm), war von einer himmlischen Weihe beglänzt und machte späterhin, wenn er die Kanzel betrat, einen so tiefen Eindruck auf das Volk. Schon damals, als er im großen Saale des theologischen Stiftes vor der bunten Schaar von beinahe 200 Jünglingen zu reden hatte, war es keine Stilübung, die er vortrug, sondern seine Rede quoll stromgleich hervor. Wenn H. im Anfange seiner Bekehrung auf Mystiker, wie Jakob Böhme und Andere verfiel, so war dies nur ein Durchgang durch ein Labyrinth, und er kam schon im J. 1819 mit Freunden in Berührung, die einfach und nüchtern auf dem Grunde der evangelischen Kirche standen. Ihnen schloß er sich bald an; Christus und sein ungefärbtes Lebenswort war von nun an und blieb sein Mittelpunkt, wie seine Predigten ausweisen. Er vertiefte sich jetzt auch mit seinen Glaubensgenossen in ernstliche theologische Studien. Eine schwere Krankheit, die ihn in Folge eines Sonnenstichs am 18. August 1820 befiel, unterbrach zuletzt seine Studien. Im September verließ er Tübingen nach wohlbestandener Promotion. Schon im Anfange Novembers kam er als Vicar nach Stetten im Remsthale, nur für kurze Zeit, aber durch seine gewaltigen Predigten entstand eine heilsame Bewegung. Nach 16 Tagen zog er als Vicar in das große Dorf Plieningen bei Stuttgart. Hier begann jene gewaltige unmittelbar ans Herz dringende Predigtweise, wozu ihm eine besondere Gabe verliehen war. Er schrieb damals über seine Predigtweise: „Was meine Predigten betrifft, so thue ich den Mund auf so weit als möglich, das heißt, ich mache keine Brühe um die Wahrheit herum, was ich auch nicht könnte. Ich nehme das Herz in Beschlag, so oft es geschehen kann. Auf dieses suche ich geraden Weges und im Sturmschritt loszugehen, und es wie eine Festung zu erobern.“ So wirkte er mit solchem Beifalle, daß die Leute aus der Umgegend nach Plieningen strömten. Doch währte seine Arbeit kaum drei Monate, da mußte er sich wegen leidender [555] Gesundheit ins Elternhaus zurückziehen. Sein Nervensystem war sehr angegriffen, er konnte anderthalb Jahre lang nicht mehr arbeiten. Im October 1822 hielt er die ersten Grabreden für seinen alten Vater. Erst am 31. Januar des folgenden Jahres betrat er die Kanzel der Leonhardskirche. Noch im März wurde er zum Vicar seines schlagflüssigen Vaters ernannt. Hier ertönten nun jene tiefen, herrlichen Predigten, zu denen sich die Zuhörer 6–8 Stunden weit herzudrängten um dem herzergreifenden Zeugniß des begeisterten Jünglings mit seinem bleichen milden nachdenksamen Angesichte zu lauschen. Der Dichter Knapp, der um jene Zeit durch H. auf den Weg der Wahrheit gekommen ist, schildert uns einen solchen Gottesdienst: „Gleich beim Eintritt in die Kirche ergriff mich die ernste Sammlung der dicht gedrängten harrenden Gemeinde und vor den geöffneten Thüren sah man, so weit etwa die Stimme des Predigers reichen mochte, noch zahlreiche Volksmassen geschaart. Der Gesang wogte feierlich durch die Versammlung hin, sanft und andachtsvoll; man fühlte es, die Leute wußten warum sie gekommen waren. H. betrat die Kanzel, ein ernster, leidender Zug ging durch sein edles Angesicht, dem man die Trübsalsprobe wohl ansah. Er predigte über 2. Kor. 3, 4–13. Die Predigt ist gedruckt, aber dieses Gedruckte ist nur ein schwacher Widerhall dessen was aus seinem Munde ging, gleich wie sich eine Silhouette von einem lebenden Angesichte unterscheidet.“ Sichtbar erschöpft verließ er die Kanzel und ich rief ihm im Herzen nach: „Ja, du hast deinen Gott verherrlicht!“ Nach lang andauernder Krankheit verschied sein Vater am 27. December 1824, und der Sohn Ludwig wurde zum Verweser der Stadtpfarrei ernannt. Von allen Seiten wurden Schritte gethan, ihn für Stuttgart zu gewinnen. Es war aber vorauszusehen, daß sie keinen Erfolg haben würden. Aus einem Schreiben Hofackers vom 25. Februar 1825 erfahren wir, daß er zehn Wochen lang an Schwäche seiner Kopfnerven gelitten habe und nichts habe arbeiten können. Er mußte seine theure Leonhardkanzel verlassen, um sie nie wieder zu betreten. Von seiner Mutter begleitet reiste er im Sommer nach dem Bad Teinach, etwas später nach Gais und hierauf nach St. Moritz in Graubünden. Ziemlich gestärkt kehrte er im August zurück, aber schon Ende October befiel ihn ein furchtbares Nervenfieber. Er war auf seinen Heimgang vorbereitet und empfing noch das heil. Abendmahl aus den Händen des ehrwürdigen Stadtpfarrers Dann. Während der Arzt die Nähe seines Todes ankündigte, erholte sich der Kranke ganz unerwartet. Er faßte neue Hoffnung. Seine Meldung um das Diaconat S. Leonhard fand zwar keine Erhörung, dagegen wurde ihm im Februar 1826 die Pfarrei Rielingshausen bei Marbach übertragen. Das Scheiden von Stuttgart fiel ihm schwer. Er ließ ein Abschiedsschreiben drucken und an seine lieben Freunde gehen. Es ist ein kostbares Zeugniß seines Glaubens und seiner dankbaren Liebe. Gesegnet von zahlreichen Gemeindegliedern und unter zahlreicher Begleitung schied er von seinem lieben Stuttgart. Mit dem 1. Juli 1826 trat er seine Pfarrei an. Nur noch zwei Jahre der Arbeit waren ihm beschieden, er kaufte aber diese Zeit treulich aus. Aber kaum hatte er seine Thätigkeit begonnen, so mußte er wegen angegriffener Gesundheit das Bad Neustadt bei Waiblingen gebrauchen. Nach seiner Rückkehr besorgte er sein Amt mit erneuter Kraft. Auch jetzt geschah es wie früher, daß heilsbegierige Seelen in Massen in das kleine Dörflein kamen, oft zwei Tagereisen mußten Manche wandern. Sein früherer Flammengeist wurde ruhiger, aber desto eindringlicher waren seine Predigten. Aber leider mußte die Gemeinde die schmerzliche Erfahrung machen, daß ihr Pfarrer wiederum erkrankte; ein Uebel an einem Finger hatte ihn sehr heruntergebracht und der Leidende mußte sich entschließen den Finger sich abnehmen zu lassen. Mit männlicher Fassung überstand er die [556] Operation. Doch erfolgte eine langwierige Schwächung, aber obwol er sich in etwas erholte, so hörten die Tage der Trübsal nicht auf. Eine der schwersten war der Heimgang seiner theuern Mutter. Er fühlte sich sehr vereinsamt und faßte im Sommer des Jahres 1827 den Entschluß, hie und da Predigten herauszugeben, „weil ich zu nichts anderem die Gabe besitze und doch auch Frucht schaffen möchte“ sagt er sehr demüthig. Auch bestieg er am 5. August wieder seine Kanzel und beschäftigte sich ernstlich mit der Ausarbeitung seiner Predigten, die er heftweise in Druck zu geben im Sinne hatte. Das erste Heft wie das zweite fanden raschen Absatz, er hatte es nicht erwartet. Am Osterfest des Jahres 1828 betrat er zum letzten Male seine Kanzel und predigte mit ungewöhnlicher Kraft. Er machte noch im Mai eine Erholungsreise nach Stuttgart, mußte aber bald heimreisen, da die Wassersucht heranrückte. Seine Krankheit nahm einen raschen schmerzvollen Verlauf. Er mußte im Lehnstuhl sitzend, das Ende erwarten. Am 18. November sagte er bei herannahendem Tode leise: „Ich wandle im Todesthale“. Sein letztes Wort war „Heiland!“ Es war ein Großer in Israel gefallen. Schon jetzt sind seine Predigten über hunderttausende, man kann wohl sagen, in allen Welttheilen verbreitet; sie mußten stereotypirt werden, um nur der Nachfrage gerecht werden zu können. H. ist in seiner Einfalt unerreichbar und hat, wie Knapp sagt, mit den wenigsten Mitteln wol das Größeste geleistet, was irgend in unsrer Zeit von einem Prediger zu leisten war. Seine Predigtweise bleibt die ungesuchteste, herzmäßigste, unmittelbarste. Aus seinen hinterlassenen Predigten ist zusammengestellt: Predigten für alle Sonn-, Fest- und Feiertage, 1839. In neuerer Zeit ist aus den hinterlassenen Handschriften und aus den Predigten „Ludwig Hofacker’s Erbauungs- und Gebetbuch für alle Tage“ von Pastor Klett herausgegeben worden. Eine musterhafte nicht genug zu empfehlende Biographie ist das Leben des Ludwig Hofacker von Albert Knapp. Vierte Auflage, 1872.