ADB:Chlumecky, Peter Ritter von
Karl Demuth und R. v. Wolfskron lebhaftesten Antheil nahm, ist die Herausgabe der mährischen Landtafel, die auf Kosten des mährischen Adels in einer der Bedeutung des Werkes entsprechenden Weise in den Jahren 1854 bis 1861 erschien.
Chlumecky: Peter Ritter von Ch., mährischer Historiker, Director des mährischen Landesarchivs, k. k. Statthaltereirath, Mitglied des mährischen Landesausschusses. Geboren am 30. März 1825 in Triest als Sohn des damaligen Gubernialraths und späteren k. k. Hofraths Anton Ritter v. Ch. (eines gebürtigen Böhmen) und der einer angesehenen Triester Familie entstammenden Anna geb. Cozzi, † am 29. März 1863. Seine Jugendjahre verbrachte er in Triest, Zara, Görz und vom Jahre 1837 an in Brünn, wohin sein Vater versetzt worden war. Nach absolvirten Gymnasial- und juridisch-politischen Studien an der Olmützer und Wiener Universität trat er sofort (1846) in den politischen Staatsdienst und zwar zuerst bei dem k. k. Kreisamte, später bei dem k. k. Gubernium in Brünn. Neben dem Staatsdienste, in welchem er es bis zum k. k. Statthaltereirath brachte und vor allem das so wichtige und schwierige, fast ein Viertheil der ganzen Statthaltereigestion umfassende Departement für Cultus und Unterricht versah, widmete er seine Kräfte vorzüglich auch der Landesverwaltung. Als Sohn des Besitzers eines Lehengutes wurde Ch., obwol noch nicht einmal großjährig, in die ständische Versammlung schon im J. 1848 eingeführt und aufgenommen und alsbald auch zufolge seiner Begabung und seiner großen Kenntnisse zum Landesausschuß-Beisitzer gewählt und in dieser Eigenschaft vom Kaiser im J. 1849 bestätigt. Auch hier führte er eine Reihe der wichtigsten Referate, besonders angelegen sein ließ er sich jedoch die Organisation des mährischen Landesarchivs und die landesgeschichtliche Forschung überhaupt, wozu ihm seine Ernennung zum Archivdirector im J. 1854 gute Gelegenheit bot. Seiner Initiative ist es mit zu danken, daß für das Landesarchiv die sogenannte „Boczek’sche Sammlung“, eine sehr bedeutende Sammlung von Originalurkunden und Abschriften, die der einstmalige mährische Historiograph und ständische Archivar Anton Boczek zusammengebracht hatte, aus seinem Nachlasse erworben wurde, daß die Fortsetzung des „Codex diplomaticus et epistolaris Moraviae“, den derselbe Boczek anfangs durch die Munificenz des Grafen Mittrowsky herauszugeben begonnen hatte, vom Landesarchive übernommen wurde. Unter Chlumecky’s Leitung sind, von dem Archivar Josef Chytil redigirt, die Bände 6 und 7, die Jahre 1307–1349 umfassend, erschienen, die zweifellos zu den zuverlässigst und bestgearbeiteten der ganzen Reihe gehören. Eine andere monumentale Arbeit, an der Ch. neben Josef Chytil,Eine ganz selbständige wissenschaftliche archivalische Arbeit Chlumecky’s bildete der im J. 1856 erschienene erste Band der „Regesten der Archive im Markgrafthume Mähren“, enthaltend die Urkundenverzeichnisse der Archive zu Iglau, Trebitsch, Triesch, Groß-Bitesch, Groß-Meseritsch und Pirnitz sammt einer beträchtlichen Anzahl ungedruckter Briefe K. Ferdinand’s II., Albrecht’s v. Waldstein und Romboald’s Grafen v. Collalto. Erst durch diese Publication ist man auf die außerordentliche Bedeutung des Collalto’schen Schloßarchives in Pirnitz aufmerksam geworden. Fügen wir hier die Titel der übrigen wichtigsten Arbeiten Chlumecky’s an, so sind besonders zu nennen: „Ueber die Theilung der Gemeindehutweiden mit Rücksicht auf das Markgrafthum Mähren“ (1848), „Die Genesis der Corporationsgüter der Bauernschaft und der Gemeindegüter in den mährischen Landgemeinden mit Rücksicht auf deren ältere Verfassung“ (1859), „Des Rathsherrn und Apothekers Georg Ludwig Chronik von Brünn (1555–1604)“ (1859), „Einige [478] Dorfweisthümer aus Mähren“ (1855), „Darstellung der altständischen Verfassung des Markgrafthums Mähren“ (1861), „Die öffentliche und Privat-Correspondenz, die Tagebücher und Urkundensammlungen Carls des älteren Herren von Zierotin (1564–1636)“ (1854). Chlumecky’s größtes und bedeutendstes Werk bildet aber sein: „Carl von Zierotin und seine Zeit 1564–1615“, dessen 1. Band 1862 erschien, während der 2. erst lange nach seinem Tode im J. 1879, und nicht in jener Vollständigkeit, die der Verfasser plante, herausgegeben wurde. – In der Biographie des bedeutendsten mährischen Staatmannes aus der Zeit der Könige Rudolf und Matthias suchte er die Geschichte des Landes in jener Periode zu concentriren und mindestens die eine wichtige Seite des Geschichtslebens jener Epoche, das Aufkommen, den Höhepunkt und den Zusammenbruch des altständischen Staates, wie er sich auch in der mährischen Markgrafschaft ausgebildet hatte, schildert das Buch in vorzüglicher Weise. Zierotin steht als Landeshauptmann an der Spitze der Bewegung, so lange er hoffen konnte die drohende Krise zu bannen und seinen Reformideen zum Durchbruche zu verhelfen. Mit dem Augenblicke, da Zierotin, die Aussichtslosigkeit seines politischen Kampfes einsehend, sich von der öffentlichen Laufbahn für immer zurückzog, bricht auch Chlumecky’s Buch ab; das weitere Leben Zierotin’s, der erst im J. 1636 gestorben ist, hat er nicht mehr dargestellt, da sein Held nicht mehr der leitende Geist seiner Zeit war, nur noch „eine untergeordnete und wehmüthige Rolle spielte“. Chlumecky’s Buch gehört mit zu den hervorragendsten Leistungen der österreichischen Geschichtslitteratur seiner Zeit; schön und anziehend geschrieben, auf umfassenden archivalischen Studien beruhend, zeigt es so recht die drei hervorragenden Eigenschaften, die Chlumecky’s Wesen auszeichneten: den ernsten Politiker, den objectiven Geschichtsforscher und den kunstsinnigen Menschen.
Ch. hat in seinem kurzen Leben unendlich viel gearbeitet und viel für das Wohl seines Landes geleistet. Diese seine Arbeit ist um so höher anzuschlagen, als sie durch ein langwieriges Leiden sehr erschwert wurde. Seit dem Jahre 1854, d. h. seit seinem 29. Lebensjahre kränkelte er und doch gehören seine bedeutendsten wissenschaftlichen Arbeiten dem letzten Jahrzehnt seines Lebens an.
- Eine biographische Skizze „Peter Ritter von Chlumecky“, als Manuscript gedruckt, aus der Hand seines jüngeren Bruders, des ehemaligen österreichischen Ministers Johann R. v. Chlumecky, erschien im J. 1879.