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Artikel „Cant, Reinier“ von Pieter Lodewijk Muller in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 3 (1876), S. 766, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Cant,_Reinier&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 19:10 Uhr UTC)
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Cant: Reinier C., niederländischer Staatsmann, geb. zu Amsterdam 1537, trat 1565 mit an die Spitze der Reformationspartei, welche in dieser Stadt die Gleichberechtigung der Confessionen zu fördern, den Bildersturm als Veranlassung zum Einschreiten der Regierung zu hindern strebte. 1567 flüchtete er sich nach Deutschland. Hier trat er bald in engere Verbindung mit Oranien, der ihn als Agent und Commissär zu vielfachen öffentlichen und geheimen Geschäften verwendete. So war er 1572 einer der prinzlichen Commissäre, welche in Nordholland die Regierung führen halfen. Großartig ward aber Cant’s Thätigkeit erst als 1578 Amsterdam sich der nationalen Sache anschloß; denn erst jetzt konnte er Mitglied einer städtischen Regierung und Deputirter in den Regierungs-Collegien werden. Gleich Rath und zwei Jahre später Bürgermeister geworden, welches Amt er zehn Mal verwaltete, trat er, als Vertrauensmann des Prinzen, bekannt und geehrt, als einer der kräftigsten Förderer der Utrechter Union und überhaupt einer näheren Verbindung der Provinzen auf. Fortwährend findet man ihn beschäftigt, die Vertheidigung der Grenzprovinzen, welche von den Feinden hart bedrängt, von den befreundeten, oft unbesoldeten Truppen verheert wurden, auf bessern Fuß zu bringen, die Verwaltung, namentlich die Finanzen zu heben, die allein zahlungsfähige Provinz Holland und voran seine Vaterstadt zu neuen Opfern zu ermahnen, so wie es nur sehr wenige seiner Zeitgenossen thaten, im engen Einverständniß mit Oranien, in dessen Geist er wie nicht Viele thätig war. So hoch stand sein Ansehen, daß, als 1582 ein Congreß der unirten Provinzen stattfand, ihm, was sonst nie geschehen, der permanente Vorsitz übertragen wurde, den er aber ablehnte, als dem Herkommen widerstreitend, das allen Provinzen nach einander das Präsidium einräumte, und als eine Veranlassung zur Eifersucht gegen die ohnedem viel beneidete Provinz Holland. In den nächsten Jahren gehörte er zu den Deputirten, welche eine Einigung mit dem erwählten Landesherrn, dem Herzoge von Anjou, erzielen sollten. Nach Oranien’s Tode stand er treu auf Seiten Oldenbarnevelt’s in dem Kampfe Hollands mit Leicester. Bei dessen bekanntem Besuche in Amsterdam, 1587 trug er seine Besorgnisse so zur Schau, daß er nicht ohne Harnisch und Bedeckung sich auf der Straße zeigte. Unter Moritzens Statthalterschaft, dessen Rath er war, versah er Gesandtschaften in Dänemark und Ostfriesland, und in den schon anfangenden religiösen Wirren war er, wie alle Gesinnungsgenossen Oranien’s, für Duldung gestimmt. Er starb 1595, von Allen geehrt, einer der tüchtigsten, doch auch glücklichsten aller holländischen Staatsmänner, in einer Zeit, in welcher der junge Staat, den er aufrichten helfen, und die Stadt, die ihn geboren und die er regiert hatte, im Zenith ihres frischen Ruhms standen, ein Mann, der es verdiente, näher gekannt zu werden, den jedoch der fast gänzliche Mangel an politischen die holländische Geschichte betreffenden Memoiren und die Eigenthümlichkeit der Collegialregierung, in der die Persönlichkeiten verschwanden, in den Schatten gestellt haben.