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Artikel „Burnitz, Rudolf Heinrich“ von Julius Hülsen in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 47 (1903), S. 398–401, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Burnitz,_Rudolf_Heinrich&oldid=- (Version vom 23. Dezember 2024, 13:19 Uhr UTC)
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Burnitz: Rudolf Heinrich B., Architekt, geboren am 18. Februar 1827 zu Frankfurt a. M. Sein Vater (geboren am 6. December 1788 zu Ludwigsburg, † am 28. Januar 1849 zu Frankfurt a. M.), fürstlich hohenzollern-sigmaringscher Titulatur-Baurath, ein Schüler Weinbrenner’s in Karlsruhe, hatte sich durch Reisen nach Italien mit den classischen Werken vertraut gemacht und war in Frankfurt mit Erfolg als Privatarchitekt thätig, außerdem leitete er als geschickter Darsteller eine eigene Bauschule. So konnte es nicht ausbleiben, daß der junge B., welcher die Musterschule und das Gymnasium seiner Vaterstadt besuchte und schon frühzeitig ein Verständniß für Baukunst und großes Talent zum Zeichnen zeigte, im Elternhause in seiner Ausbildung auf das glücklichste geleitet wurde. Unterricht in den allgemeinen Wissenschaften erhielt er durch bewährte Privatlehrer, den ersten Fachunterricht im Bureau seines Vaters.

Nach dem Tode des letzteren ging B. nach Berlin und trat als Privatschüler in das Atelier Stüler’s ein, wo er den Entwurf zu einem Theater bearbeitete; zugleich besuchte er die Bauakademie, die Akademie der bildenden Künste und hörte an der Universität die Vorträge des Geschichtsforschers Raumer. Vielfache baukünstlerische Anregung bot ihm auch der Aufenthalt im Knoblauch’schen Hause, wo er Wohnung genommen hatte. Veranlaßt durch das damalige unruhige politische Leben in Berlin und durch das Darniederliegen [399] der Bauthätigkeit, wodurch es B. nicht gelang, eine ausreichende praktische Beschäftigung zu finden, siedelte er im J. 1851 nach Karlsrühe über. Hier wurde er von Hübsch beim Wiederaufbau des 1847 abgebrannten Stadttheaters als Volontär beschäftigt, ebenso am Wiederherstellungsbaue des Domes zu Speyer. Nach dreijähriger Thätigkeit, während welcher er auch mehrere Entwürfe im Atelier von Hübsch angefertigt hatte, darunter einen solchen für das Städel’sche Kunst-Institut zu Frankfurt a. M., folgte eine längere Studienreise nach Italien zum Besuche der wichtigsten Städte des Landes. In Rom, wo ihm durch Cornelius rege Förderung zu Theil wurde, verweilte er zehn Monate. Mit einem reichen Schatze von Skizzen und Studien kehrte er 1855 nach Frankfurt zurück, um sich daselbst dauernd niederzulassen.

Hier wurde ihm mit dem Umbaue des Schauspielhauses (31. Juli bis 15. November 1855) sofort von städtischer Seite eine ehrenvolle Aufgabe gestellt, die er zur größten Zufriedenheit löste. Sein Verdienst war es auch, daß zur decorativen Ausstattung des Inneren bewährte einheimische Künstler, wie Steinle, v. d. Launitz und v. Nordheim herangezogen wurden. Ebenfalls in städtischem Auftrage übernahm B. im J. 1858 die Neubauten an dem damals geschaffenen Durchbruche von der Zeil nach der Liebfrauenstraße. Es galt, zwei unschöne Brandmauerfluchten, an welchen sich auf beiden Seiten ein schmaler Streifen städtischen Eigenthums hinzog, durch Bauten von geringer Tiefe, welche Läden enthalten sollten, zu verdecken. Hier wirkte B. für die Entwicklung der neuen Baukunst Frankfurts bahnbrechend, indem er, statt der seit dem Anfange des Jahrhunderts üblichen Stuckfaçade, eine massive Ausführung in rothem Mainsandstein wählte. Der Bau erhielt wegen dieser Neuerung und wegen seiner etwas schweren formalen Durchbildung im Volksmunde den Beinamen „Malakoff“; in reicher italienischer Hochrenaissance, mit Eckthürmchen, Giebeln und Erkern, in kräftig bewegten Umrissen bezeugt das Ganze eine originelle Erfindungsgabe und bietet einen ungemein monumentalen Anblick trotz der verhältnißmäßig geringen Abmessungen. In Gemeinschaft mit Stadtbaumeister Henrich führte er 1858 die Wiederherstellung der spätgothischen Weißfrauenkirche aus, ferner den Neubau der Petersschule in gothischen Formen. Aus der Concurrenz, welche die Saalbau-Actiengesellschaft im J. 1861 zur Errichtung eines großen Concertsaales auf dem Gelände des ehemaligen Junghofes ausgeschrieben hatte, ging B. siegreich hervor. Schon 1840 hatte sein Vater zur Errichtung eines solchen Saales Vorschläge gemacht. B. gelang es in meisterhafter Weise, den Saal in das schwierige, schiefwinklig spitz zulaufende Terrain einzupassen, und bei sehr knappen Geldmitteln außen wie innen durch maßvolle Anwendung der italienischen Frührenaissance und vortreffliche Einzelheiten eine durchaus vornehme Erscheinung zu erzielen. In der neuangelegten Junghofstraße errichtete er gleichzeitig im Anschlusse an den Saalbau für die polytechnische Gesellschaft das Schulgebäude der höheren Gewerbeschule, ein dreigeschossiger massiver Bau mit großem Mittelportale in Anlehnung an Florentiner Vorbilder, ferner auf derselben Seite der Straße das Gebäude des Kunstvereins, zweigeschossig mit Attika und durchlaufenden jonischen Pilastern in Palladianischer Auffassung. Außerdem sind aus derselben Zeit noch zu nennen die Hochbauten der Frankfurter Gasgesellschaft, 1861–1862; die Armenklinik in der Meisengasse, 1862–1864, und das Geschäftshaus de Neufville auf dem Kleinen Hirschgraben mit massiver Renaissancefaçade aus rothem und weißem Sandstein, 1863–1864. Nach Plänen des 1865 verstorbenen, verdienstvollen Architekten Oscar Pichler leitete B. 1871–1875 den Bau des Bürgerhospitals. Für den Baron M. C. von [400] Rothschild entstand das Oekonomiegut Louisenhof bei Bornheim in kräftigen und charakteristischen Formen.

Eine besondere Thätigkeit entfaltete B. auf dem Gebiete des Wohnhausbaues. Hier gelangte sein feiner Sinn für schöne phantasievolle Raumgestaltung und für maßvolle Decoration, sowie seine gründliche Beherrschung der italienischen Renaissance zu bester Geltung. Vortreffliche Leistungen dieser Art bietet er in der Villa Grunelius, Untermainquai 18, und in der Villa Metzler am Schaumainquai 61, beide in grünem Sandsteine mit gediegenster Ausstattung des Inneren, ferner in dem Hause Metzler, Kaiserstraße 26, und im Geschäftshause Besthorn, Kaiserstraße 6. Von Bauten außerhalb Frankfurts sei hier die schloßähnliche Villa Reiß in Cronberg erwähnt.

Im Jahre 1870 erhielt B. von der städtischen Verwaltung unter allen Frankfurter Architekten die alleinige Einladung, sich an dem Wettbewerbe zum Neubaue eines Opernhauses zu betheiligen. Diese besondere Ehrung hatte ihren Grund in seinen Verdiensten beim Umbaue des alten Schauspielhauses und den dadurch und schon früher gesammelten Erfahrungen auf dem Gebiete des Theaterbaues. B. mußte zwar gegen Lucae aus Berlin unterliegen, jedoch wurde sein Project damals allseitig lobend erwähnt. Das Hauptwerk seines Lebens ist der gemeinschaftlich mit Professor Oskar Sommer geplante und ebenso ausgeführte Bau der Neuen Börse, 1874–1879. Unter 39 Bewerbern war den beiden Meistern, welche die gleiche glühende Begeisterung für den Stil Palladio’s verband, im Februar 1873 der erste Preis zugefallen. Der gewaltige 32 m hohe Börsensaal ist im Aeußeren durch ein mächtiges achteckiges Kuppeldach zum Ausdruck gebracht. Die Façade, mit einer offenen, edlen toskanischen Säulenhalle im Untergeschosse, mit einem reichen Schmucke an plastischen Bildwerken, findet einen wirkungsvollen Abschluß in den Pavillons der einstöckigen Flügelbauten.

B. bekleidete 1868–1872 das Amt eines Stadtrathes. Als solcher wirkte er günstig auf die Alignementverhältnisse der Stadt ein. Für alle Bestrebungen, welche sein Fach betrafen, hatte er stets ein reges Interesse. Die Gründung des Frankfurter Architekten- und Ingenieur-Vereins, dessen Vorsitzender er mehrere Jahre hindurch war, ist hauptsächlich seinen Bemühungen zu verdanken. Durch seinen fröhlichen Humor und schlagfertigen Witz war er hier wie im Künstlervereine ein unentbehrlicher Gesellschafter, und durch sein decoratives Talent trug er zur Verherrlichung von mancher Festlichkeit bei. Letzteres hatte er schon als junger Anfänger im J. 1859 bei Gelegenheit der Schillerfeier, wo er am Roßmarkte einen prächtigen Triumphbogen schuf, gezeigt.

Auf der Höhe seines Schaffens wurde der rastlos Thätige von einem inneren Leiden befallen. Eine zur Erholung 1879 unternommene Reise nach Italien mit längerem Aufenthalte in Venedig brachte nur vorübergehende Besserung. Zurückgekehrt, faßte B. trotzdem den Entschluß sich an der Concurrenz für den Frankfurter Hauptbahnhof zu betheiligen; jedoch die Kräfte verließen ihn. Nach schwerem Krankenlager verschied er am 13. November 1880. Seine sterbliche Hülle wurde am 17. November auf dem Frankfurter Friedhofe unter einer zahlreichen Betheiligung von Vereinen und Leidtragenden beigesetzt.

Deutsche Bauzeitung, XIV. Jhrg., Nr. 96, 27. Nov. 1880, S. 515. – Frankfurt a. M. und seine Bauten, herausgeg. vom Architekten- und Ingenieur-Verein, Frankfurt a. M. 1886, Seitenangaben im Register. – Wilhelm Kaulen, Freud’ und Leid im Leben deutscher Künstler, Frankfurt a. M. [401] 1878, S. 286 u. f., m. Porträt. – Robert Schrotzenberger, Frankofurtensia, Frankfurt a. M. 1884, S. 39. – Müller u. Singer, Allg. Künstler-Lexikon, 3. Aufl., Frankfurt a. M. 1895, I. Bd., S. 203.